„Worüber wir heute reden, sind keine Träumereien, keine reinen Visionen, sondern eine reelle Strategie für Clean-Tech und für eine grüne Industriepolitik.“ Dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) diesen Satz am Montag an den Anfang seines Berichts über ein Treffen mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sowie Vertretern von Wirtschaft und Wissenschaft stellte, ist wohl kein Zufall. Schon oft wurde die Wasserstofftechnologie als Lösung der Energiefragen der Zukunft präsentiert. Der große Durchbruch aber wurde bisher nicht erreicht – weder technisch noch ökonomisch. Doch das soll sich jetzt ändern.
Wasserstoff-Technologie in Bayern: BMW und Siemens sind an den Projekten beteiligt
Mit rund einer Milliarde Euro wollen Bund und Freistaat sechs Wasserstoffprojekte in Bayern fördern. Die beteiligten Unternehmen – unter anderem BMW, Bosch, Siemens Energy und Wacker Chemie – wollen ebenfalls eine Milliarde Euro investieren. Das gemeinsame Ziel sei, so Söder, „fossile Energie durch andere, nämlich grüne Energieformen zu ersetzen.“ Grüner Wasserstoff sei für Bayern und Deutschland eine echte Chance, langfristig eine Dekarbonisierung der Wirtschaft – also einen zunehmenden Verzicht auf Erdöl, Erdgas und Kohle – voranzubringen. Der Vorteil Bayerns dabei sei die Verbindung grüner Energie mit Hochtechnologie.
Nach Aussage von Bundeswirtschaftsminister Altmaier werden zur Förderung der Wasserstofftechnologie bundesweit acht Milliarden Euro auf insgesamt 62 Projekte verteilt. Das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, so Altmaier, „kann gelingen und es wird gelingen, aber nur dann, wenn wir alle Möglichkeiten der Technologie ausschöpfen und dafür sorgen, dass diese Technologien auch in Deutschland entwickelt und angewandt und exportiert werden.“
Weltmeister beim Wasserstoff: Technologie soll Arbeitsplätze in Bayern sichern
Bereits jetzt sei Deutschland Weltmeister bei der Erzeugung von Ökostrom. Rund 46 Prozent des verbrauchten Stroms komme aus erneuerbaren Energien. Auch beim Wasserstoff wolle Deutschland Weltmeister werden. Er sei für Klimaschutz und Nachhaltigkeit „das fehlende Glied in der Kette“. Er solle dort erzeugt werden, wo die klimatischen Bedingungen günstig sind und dort eingesetzt werden, wo die Verbraucher sind. Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger bekräftigte das. „Wasserstoff ist Klimaschutz und ist gleichzeitig Arbeitsplatzschutz in Bayern“, sagte er. Es gehe jetzt darum, „Bedingungen zu schaffen, um weltweit Wasserstoff als Handelsgut zu etablieren“.
Carsten Rolle, Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik des Bundesverbands der Deutschen Industrie, begrüßt die Initiative. „Wasserstoff muss raus aus der Nische, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen möchte. Es ist richtig, dass die Bundesregierung den Wasserstoff-Hochlauf mit acht Milliarden Euro fördert“, sagte Rolle unserer Redaktion. Von heute auf morgen aber wird es nach seiner Einschätzung nicht klappen: „Trotz aller Anstrengungen gehe ich davon aus, dass klimaneutral erzeugter Wasserstoff auch 2030 noch eine knappe Ressource sein wird. Die deutsche Wirtschaft braucht Wasserstoff vor allem in der energieintensiven Industrie, wie der Herstellung von Stahl, Chemieprodukten, Papier und Glas. Denn Kohle und Erdgas lassen sich in diesen Industriebereichen nicht überall durch Strom oder Biomasse ersetzen.“
Wasserstoff klimaneutral erzeugen: Auch 2030 wird das noch schwierig sein
Rolle rechnet mit einer Übergangszeit von zehn bis 15 Jahren. „Heutzutage kostet klimaneutral erzeugter Wasserstoff noch mehr als dreimal so viel wie Erdgas“, sagte Rolle. Der BDI erwarte, dass der Kostenunterschied zwischen Wasserstoff und Erdgas mit größeren Produktionsanlagen und Lerneffekten sowie steigenden CO2-Preisen bis in die 30er Jahre deutlich abnimmt.
Kritik an der bayerischen Staatsregierung kommt von SPD und Grünen. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn sagte: „Wenn die Industrie klimaneutral werden soll, muss eine klimaneutrale Energieversorgung und Wasserstoffproduktion sichergestellt sein. Davon ist Bayern unter Söder Lichtjahre entfernt.“ Der Fraktionschef der Grünen, Ludwig Hartmann, sieht den Einsatz von Wasserstoff in der Industrie positiv, betonte aber auch: „Wasserstoff wächst nicht aus sich selbst heraus.“ Daher brauche es Vorranggebiete für Windkraft und mehr Photovoltaik. „Nur dann schließt sich die Wertschöpfungskette und das gesamte wirtschaftliche Potenzial entfaltet sich in Bayern.“
Lesen Sie dazu auch:
- Die CSU hat zum Klimaschutz noch keine schlüssige Antwort
- Grüner Wasserstoff aus Karlshuld: Ein mutiger Schritt
- Rückkehr der Klimakanzlerin: Angela Merkel legt nach