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Wirtschaftsbeziehungen: Warum sich Bayern und Schotten mögen

Wirtschaftsbeziehungen

Warum sich Bayern und Schotten mögen

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    Hinter dem Rednerpult stehen eine bayerische und eine schottische Fahne – beide sind weiß-blau. Zunächst spricht Nicola Sturgeon, eine kleine, energisch wirkende Frau mit blondem Haar und dunklen, durchdringenden Augen. Die erste Ministerin Schottlands hat sich mit ihrer Kollegin in London, Theresa May, angelegt. Sie lässt sich als Reaktion auf den Brexit das neue Unabhängigkeitsreferendum nicht ausreden. Sturgeon ist bestens gelaunt, kann sie den Engländern doch wieder einmal eins auswischen. Die Bayern sind zu Gast in Schottland. Jetzt redet Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, gegenüber der die schottische Spitzenpolitikerin noch kleiner wirkt. Die Vertreter aus dem Freistaat werden Ende vergangener Woche wie Staatsgäste empfangen, als wäre Bundeskanzlerin Angela Merkel in Edinburgh zu Gast.

    Wer so den Ehrerbietungen der Schotten vor den Bayern und umgekehrt lauscht, eben die politische Verbrüderung (wobei Verschwesterung in diesem Fall besser passt) betrachtet, mit dem kann schon einmal die Fantasie durchgehen. Wollen sich Bayern und Schotten zusammenschließen? Gemeinsamkeiten gibt es jedenfalls genug. David Scrimgeour, ein Schotte, der in München als Unternehmer tätig ist, sagt: „Wie die Bayern legen wir Wert auf Unabhängigkeit und sind stolze Menschen.“ Das präge und habe sich tief in den Köpfen der Menschen festgesetzt.

    Wegen des Brexits will Scrimgeour nun Deutscher werden, auch wenn er glaubt, dass die Regierung in London in drei bis vier Jahren einsehen müsse, dass der Austritt aus der Europäischen Union wegen der Änderung tausender Gesetze nicht funktioniere. Das ist eine in Schottland verbreitete Hoffnung.

    Aber bis dahin lassen die Vertreter des Landes keine Chance aus, die Engländer zu ärgern, in Bayern würde man sagen zu tratzen. In die durchaus anarchisch-bockige Strategie passt die Gruppe aus dem Freistaat gut. Scrimgeour ist ganz begeistert von der von Aigner und Sturgeon betriebenen Vertiefung der bayerisch-schottischen Wirtschaftsbeziehungen. In Edinburgh werden trotz Brexits Investitionen aus dem Freistaat herbeigesehnt.

    Die Schotten betonen – und das ganz ernst – die vielen Ähnlichkeiten zwischen beiden Völkern. Hier der Whisky, dort das Bier und nicht zuletzt die Liebe zur Heimat, also der Mut, Tracht zu tragen.

    Thomas Mauritz ist ein oberbayerisches Mannsbild, für das es keine Frage ist, mit Lederhose, Wadlstrümpfen und Trachtenhut in Edinburgh anzurücken. Beruflich verkauft er europaweit und in den USA mit Erfolg für die Maisacher Firma Kutzner+Weber Produkte für die Energie- und Abgastechnik wie technisches Zubehör für Kamine. Ob das mit den Wadlstrümpfen eine gute Idee war, sei dahingestellt. Denn die Schotten empfangen die bayerische Delegation auch in einem riesigen Rittersaal mit Speeren an der Wand. Nicht nur Aigner fröstelt es etwas, auch der Trachtler spürt um die nackten Knie herum den kalten Hauch der alten Edinburgher Burg, zumal an dem Abend kein wärmender Whisky ausgeschenkt wird.

    Es gibt eben nicht nur Gemeinsamkeiten. Ein bayerisches Bierzelt mit eng zusammenhockenden Menschen heizt besser auf als alte schottische Gemäuer. Aber die Ehre für die Bayern ist natürlich groß, hier im Edinburgh Castle empfangen zu werden. Wer auf der Burg im großen Stil als Staatsgast feiern will, braucht die Einladung eines schottischen Regierungsmitglieds. Diesen Part übernimmt Wirtschaftsminister Paul Wheelhouse, der seine bayerische Kollegin am Ende zu einem kleinen Tänzchen animiert.

    Schotten haken sich einfach unter und los geht der Spaß. Wie die Bayern feiern sie gerne. Und plötzlich steht eine Frau vor einem, die nicht lange fackelt, sondern gleich zum Wesentlichen kommt. Petra Wetzel stammt aus Oberfranken und wurde darauf hingewiesen, dass ein Journalist aus dem Freistaat die Delegation begleitet. So baut sie sich vor ihm auf und sagt: „Ich bin die einzige bayerische Brauerin in Schottland.“ Die sportliche Frau mit kurzen Haaren schaut ihrem Gegenüber tief in die Augen. Die Unternehmerin, die einige ihrer Beschäftigten schon mal „die Kaiserin“ nennen sollen, ist bereit, journalistisch befragt zu werden. So soll es geschehen. Die Geschichte der Frau ist bemerkenswert. Mit 13 hat sie an einem Schüleraustausch teilgenommen. Sie kam nach Schottland und verliebte sich in das Land. Nach dem Abitur kehrte sie mit 19 nach Schottland zurück. Einmal besuchte sie ihr Vater, der als Franke qua Herkunft ein Bier-Experte ist. Doch das schottische Gebräu schmeckte ihm nicht. Das brachte seine Tochter dazu, zunächst auch mit geliehenem Geld der Eltern eine Gasthausbrauerei zu gründen und den Gerstensaft streng nach dem Reinheitsgebot ihrer Heimat herzustellen. Das Bier mit der Marke „WEST“ wurde ein Erfolg. Petra Wetzels Firma gehört heute zu den führenden Brauereien Schottlands.

    Am wichtigsten ist der Bierkönigin jedoch ihr zwölfjähriger Sohn Noah. Nach einer Trennung war sie lange alleinerziehende Mutter. Im Januar hat sie einen Engländer geheiratet. Wie bei allen Themen hält sich Petra Wetzel auch in Sachen Brexit nicht zurück: „Die sind doch alle blöd.“ Die Unternehmerin hat nach wie vor einen deutschen Pass. Wie unsinnig eine nationalistische Politik in einer globalisierten Welt ist, zeigt sich an der Zusammensetzung der Mitarbeiter Wetzels: 48 von 125 kommen aus anderen EU-Staaten. Doch die Bierunternehmerin ist sich sicher, dass Schottland alles tun werde, um Ausländer auch nach dem Brexit im Land zu halten. Wie es dann weitergehen soll, weiß noch keiner. Jens-Peter Voss, deutscher Generalkonsul in Edinburgh, sagt: „Das einzig Sichere ist derzeit die Unsicherheit.“

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