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Wirtschaft: So leiden die kleinen Brauereien in der Corona-Krise

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So leiden die kleinen Brauereien in der Corona-Krise

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    Georg L. Bucher, Inhaber der Radbrauerei Günzburg, beklagt wegbrechende Umsätze aus der Gastronomie.
    Georg L. Bucher, Inhaber der Radbrauerei Günzburg, beklagt wegbrechende Umsätze aus der Gastronomie. Foto: Bernhard Weizenegger

    Wie viele Brauereien in Deutschland musste auch die Brauerei Schlössle aus Neu-Ulm vergangenes Jahr Bier wegschütten. Miteigentümerin Christa Zoller erzählt: „Wir haben 1500 Liter Bier vernichtet, das für unsere Gaststätte in Tanks und Fässern abgefüllt war und das wir nicht verkaufen konnten.“ Schlössle ist eine kleine Gasthaus-Brauerei mit einem Braumeister, einem Auszubildenden und einem Brauereigehilfen. Jetzt im zweiten Lockdown müsse sie wahrscheinlich noch mehr Bier vernichten, sagt Zoller.

    Bis ein Sud Bier im Braukessel im fertig gegoren ist und abgefüllt werden kann, dauert es je nach Biersorte vier bis sechs Wochen. Ist Fassbier einmal abgefüllt, ist es etwa vier bis sechs Monate haltbar, bevor es geschmacklich verdirbt. Bei Flaschenbier ist die Haltbarkeit mindestens doppelt so lang. Brauereien können wegen des Lockdowns daher nicht wie gewohnt planen. Sie müssen heute brauen, was erst in Monaten aus dem Zapfhahn läuft.

    Umsatz vieler Brauereien bricht stark ein

    Laut dem Statistischen Bundesamt ist 2020 in Deutschland 8,7 Milliarden Liter Bier abgesetzt worden und damit so wenig wie noch nie seit der Reform der Statistik. Im Vergleich zum Jahr 2019 betrug das Absatzminus fünfeinhalb Prozent im inländischen Markt und sechs Prozent beim Export – ein Negativrekord. Die Krise der Braubranche ist weitaus größer als der reduzierte Bierabsatz es auf den ersten Blick vermuten lässt: Nach einer Umfrage des Deutschen Brauer-Bundes (DBB) erlitten die deutschen Brauereien 2020 ein Umsatz-Minus von durchschnittlich 23 Prozent. Vor allem die Bereiche Gastronomie und Großveranstaltungen sorgten für den starken Rückgang.

    In Bayern ist das Umsatz-Minus wegen der im Ländervergleich harten Corona-Beschränkungen besonders hoch: Manche bayerische Brauereien geben an, dass sie in der Gastro-Sparte über die Hälfte weniger Bier als noch vor der Krise verkauft haben. Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des DBB, sagt: „Je größer das Gastronomie- und Veranstaltungsgeschäft einer Brauerei ist, desto verheerender sind die finanziellen Verluste.“ Es bestehe die Gefahr, dass deutsches Kulturgut für immer verschwinde. „Nach der Krise wird es wahrscheinlich lange Zeit nicht mehr so sein, wie vor der Krise.“

    Weltkriege und Wirtschaftskrisen überstanden: Lockdown ist existenzbedrohend

    Da viele Berufstätige auch nach dem Lockdown im Homeoffice arbeiten, werden voraussichtlich weniger Bier in Restaurants und Bars konsumiert, sagt Eichele. „Auch der Tourismus spielt eine große Rolle, viele Regionen sind wirtschaftlich auf ihn angewiesen.“ Eichele kritisiert die aus seiner Sicht unzureichenden Hilfsprogramme von Bund und Ländern. Für Gastronomen seien weitreichende Hilfsmaßnahmen beschlossen worden – die etwa 1500 überwiegend handwerklichen und mittelständischen Brauereien in Deutschland seien jedoch bis auf wenige Ausnahmen leer ausgegangen. „Wir sprechen von Betrieben, die oft schon seit Generationen im Familienbesitz sind und Weltkriege, Wirtschafts- sowie Währungskrisen überstanden haben“. Nun stehen sie völlig unverschuldet vor dem Aus stehen, sagt Eichele.

    Georg L. Bucher führt die Radbrauerei in Günzburg mit knapp 20 Mitarbeitern. Er sagt, Gastronomen dürfen zwar in Bayern to go anbieten, jedoch werden meist keine Getränke, sondern nur Speisen verkauft. „Während der Schließung im Frühjahr 2020 fand eine Verlagerung der Umsätze von der Gastronomie in den Handel statt.“ Bucher verkauft zwar mehr Flaschenbier in Getränkemärkten, doch kann er damit die weggebrochenen Umsätze in der Gastronomie nicht ausgleichen. Seit dem Jahreswechsel verkaufe er sogar in den Getränkemärkten weniger Bier, sagt Bucher. „Bier ist ein Getränk, das die Geselligkeit fördert, aber auch Geselligkeit erfordert. Wer alleine Zuhause sitzt, konsumiert weniger.“ Bucher, der auch Vizepräsident der Privaten Brauereien Bayern ist, beklagt den Preisverfall in Getränke- und Supermärkten durch Aktionsangebote nationaler Großbrauereien.

    Nicht jede Brauerei erhält Hilfen vom Staat

    „Viele Brauereien haben eigene Brauerei-Gaststätten, die sie selbst betreiben und in denen sie auch große Teile ihres hergestellten Bieres verkaufen.“ Da diese Gaststätten oft in einer wirtschaftlichen Einheit mit der Brauerei stehen, können sie die staatlichen Hilfen für die Gastronomie nicht beantragen, sagt Bucher. „Hier muss der Staat unbedingt noch nachbessern, um ein großflächiges Sterben kleinerer und mittelständischer Brauereien zu verhindern.“

    Christa Zollers Familie betreibt seit 1879 das Schlössle in Offenhausen.
    Christa Zollers Familie betreibt seit 1879 das Schlössle in Offenhausen. Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    Christa Zollers Gasthaus-Brauerei Schlössle aus Neu-Ulm fällt unter die von Bucher beschriebene Kategorie. Sie sagt: „Im Vergleich zu anderen Kleinbrauereien haben wir einigermaßen Glück, da unser Hauptgeschäft im Sommer in unserem großen Biergarten ist.“ Im vergangenen Jahr habe sie ab Mitte Mai zwar weniger Tische aufstellen können, trotzdem sei das Sommergeschäft gut gewesen. „Wir haben die Preise um mindestens zehn Prozent erhöht und die Senkung der Mehrwertsteuer hat unseren Ertrag verbessert.“

    Forderung nach geringerer Mehrwertsteuer auch für 2021

    Zoller hofft, dass auch für dieses Jahr die Mehrwertsteuer gesenkt wird. Aktuell helfen Kurzarbeit, sowie die November- und Dezemberhilfe, sagt sie. „Wir erwarten, dass wir spätestens im April wieder öffnen dürfen, ansonsten müssten wir weitere größere Kredite aufnehmen.“ Etwa 70.000 Euro hat die Familie aus eigenen Rücklagen in den Betrieb gesteckt, um liquide zu bleiben. Zoller sagt, für sie seien die Voraussetzungen der staatlichen Hilfen nicht nachvollziehbar. „Die November- und Dezemberhilfe können Gasthäuser mit angeschlossener Brauerei nur geltend machen, wenn der Umsatz der Brauerei am Gesamtumsatz maximal einen Anteil von 20 Prozent ausmacht.“ Das sei äußerst ungerecht. „Viele fallen durchs Raster.“ Am Anfang der Krise sei Zoller der Politik für ihr entschlossenes Handeln dankbar gewesen, doch das habe sich geändert: „Inzwischen sind so viele Sachen passiert beziehungsweise nicht passiert, dass ich sehr enttäuscht bin.“ Statt einer Soforthilfe kommen seitenlange Ausführungen, sagt Zoller.

    Nicht berechtigt für staatliche Hilfen ist zum Beispiel die Augsburger Thorbräu, 1582 gegründet und seit 1875 im Familienbesitz. Geschäftsführer Max Kuhnle erklärt, er habe in der Corona-Krise neue Geschäftsfelder ausprobiert, etwa die Produktion von Flaschenbier mit der klassischen Euroflasche. „Für die Zukunft sind wir mit dem neuen Standbein im Getränkehandel gut aufgestellt.“ Im Moment hält Kuhnle das Bräustüberl in der Augsburger Innenstadt mit Essen zum Abholen und dem eigenen Getränkemarkt am Laufen. „So können wir unsere Mitarbeiter zumindest teilweise weiter beschäftigen.“ Wichtig sei für die Branche, sagt Kuhnle, dass Kunden verstärkt die heimischen Unternehmen mit ihrem Einkauf unterstützen.

    Kritik an "Salamitaktik" der Bundesregierung

    Die Brauerei Zötler aus Rettenberg im Oberallgäu ist relativ glimpflich durch die Krise gekommen. Geschäftsführer Niklas Zötler sagt, der Umsatz sei um nur 30 Prozent gesunken. „Wir konnten viel über den Handel ausgleichen.“ Größere Mengen Bier mussten nicht vernichtet werden, da die Brauerei alles in Flaschen abfüllt. Auch Zötler kritisiert die Politik: „Am meisten nervt uns die Salamitaktik der Bundesregierung. Niemand weiß, wie es weitergeht.“ Seinen Großkunden, oft Gastronomen, fehle es an Planbarkeit. Zötler rechnet damit, dass sich die Branche von der Krise erholt. Er sagt: „Auch nach Corona trinken die Leute wieder Bier.“

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