Es ist keine rauschhafte Aufholjagd, zu der die deutsche Wirtschaft im Jahr zwei der Pandemie ansetzt. Genau genommen hat sie noch nicht einmal angesetzt, denn der Kampf gegen die zweite und dritte Welle hat die Konjunktur wieder in den Abschwung gedrückt. Hotels, Wirtshäuser, Kinos, Fitnessstudios und viele Geschäfte haben geschlossen. Noch geht es bergab. Für die ersten drei Monate des Jahres erwarten die Fachleute von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein sattes Minus von knapp zwei Prozent.
Erst im Sommer, wenn die dritte Welle gebrochen und ein großer Teil der Deutschen gegen das Coronavirus geimpft ist, soll es bergauf gehen. Im gesamten Jahr dann um inflationsbereinigt 3,5 Prozent. „Wir werden den Wirtschaftseinbruch nicht nur stoppen, sondern wir werden ihn umkehren“, sagte Altmaier. Die neue Frühjahrsprognose vom Donnerstag ist um einen halben Prozentpunkt optimistischer als die Schätzung vom Jahresbeginn. Das starke Wachstum in China sorgt für eine brummende Auslastung der deutschen Industrie.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will Überbrückungshilfe verlängern
Die Wirtschaft ist zweigeteilt. Denn Hoteliers, Wirte, Musiker und Händler haben wenig vom Aufschwung in Asien. Weil absehbar ist, dass im Sommer wahrscheinlich vieles besser als heute, aber die Lage alles andere als normal ist, will der Wirtschaftsminister die Corona-Hilfen ausdehnen. „Ich bin der Auffassung, dass wir die Überbrückungshilfe drei … bis Ende des Jahres verlängern sollten“, meinte Altmaier. Bislang wäre am 30. Juni Schluss.
Der Wirtschaftsweise Achim Truger von der Universität Duisburg-Essen hält es für sinnvoll, ein halbes Jahr anzuhängen. „In einigen Branchen wie der Gastronomie wird es weiter Einschränkungen geben, wie mehr Abstand zwischen den Tischen und das Tragen von Masken. Das dürfte das Geschäft weiter belasten“, sagte Truger unserer Redaktion. Der Ökonom berät als Mitglied des Sachverständigenrates die Regierung. „Wichtig ist, dass die Regierung die Entscheidung über eine Verlängerung des Hilfsprogramms zügig trifft, um den betroffenen Unternehmen eine Perspektive zu geben“, forderte Truger.
Peter Altmaier: "Ich gehe davon aus, dass es nicht zu einer Insolvenzflut kommen wird"
Unterstützung bekommt Altmaier auch von einem einflussreichen Wirtschaftspolitiker der Fraktion von CDU und CSU, die großflächige staatliche Stützungsprogramme nicht selten kritisch beäugt. „Neben klugen Öffnungsstrategien ist es richtig, die Überbrückungshilfen für diesen Teil der Wirtschaft zu verlängern“, sagte der Chef der Mittelstandsvereinigung MIT, Carsten Linnemann, unserer Redaktion. Der Fraktionsvize verlangte darüber hinaus, die Unternehmen von Steuern und Bürokratie zu entlasten. „Damit der Aufschwung an Fahrt gewinnen kann, müssen wir diese Lasten mutig abbauen.“
Wie viele Unternehmer aus den von der Zwangsschließung betroffenen Branchen sich durch nochmalige Zuschüsse weiterhangeln können und wie viele aufgeben müssen, ist schwer abzuschätzen. Einen ersten Eindruck davon wird der Freitag bringen, wenn die Ausnahme von der Anzeige der Insolvenzpflicht endet. Sie umfasst allerdings nur noch Firmen, die einen Antrag auf Corona-Hilfe gestellt haben und bei denen noch kein Geld eingetroffen ist. Altmaiers Ministerium rechnet damit, dass die Firmenpleiten dieses Jahr um zehn Prozent über dem üblichen Jahresschnitt von 20000 liegen. „Ich gehe davon aus, dass es auch in den nächsten Monaten nicht zu einer Insolvenzflut kommen wird“, sagte der Minister.
Tourismus und Gastronomie kämpfen gegen die Folgen der Pandemie
In der Tourismusindustrie und der Gastronomie wird die wieder greifende Pflicht zur Anzeige von Überschuldung hingegen als echtes Problem gesehen. „Dies würde unter anderem dazu führen, dass einige Unternehmen nur aufgrund verspäteter Hilfszahlungen Insolvenz beantragen müssten“, heißt es in einem Schreiben der Branchenverbände an den Minister. Der Wirtschaftspolitiker Pascal Meiser von der Linkspartei griff den Minister dafür an, nichts für eine abermalige Verlängerung der Frist getan zu haben. „Wenn die Teilaussetzung der Insolvenzantragspflicht nun ausläuft, droht schon ab dem 1. Mai aufgrund der Versäumnisse des Bundeswirtschaftsministeriums eine verheerende und völlig überflüssige Insolvenzwelle“, warnte Meiser.
Dass es wegen Bankrott von Unternehmen zu einem spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit kommt, erwartet das Ministerium gleichwohl nicht. Im Vergleich zum vergangenen Jahr soll die Zahl der Arbeitslosen in den kommenden Monaten um 100000 auf 2,6 Millionen sinken.
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