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Zusmarshausen: Wie ein Haus durch Wasserstoff ohne Stromanschluss auskommt

Zusmarshausen

Wie ein Haus durch Wasserstoff ohne Stromanschluss auskommt

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    Solarpaneele an der Außenwand machen das Wasserstoff-Haus von Familie Hörmann auch zum Hingucker.
    Solarpaneele an der Außenwand machen das Wasserstoff-Haus von Familie Hörmann auch zum Hingucker. Foto: Marcus Merk

    Vor der Haustür begrüßt den Besucher ein „Herzlich-Willkommen“-Schild. Im Flur steht das Wakeboard eines der Söhne, dann biegt man schnell in die helle Küche ab. Durch große, wandfüllende Fenster fällt der Blick hinaus auf Felder und Wiesen. Rita und Markus Hörmann wohnen hier, zusammen mit ihren beiden, inzwischen großen Söhnen.

    Der Neubau am Rand von Zusmarshausen im Kreis Augsburg lässt viel Helligkeit ins Innere. Doch das Besondere ist die Technik des Einfamilienhauses: Das Gebäude versorgt sich vollständig selbst mit Energie. Es nutzt dabei einen Stoff, der derzeit viel Aufmerksamkeit bekommt: Wasserstoff. Damit ist es der Familie gelungen, komplett unabhängig vom Stromnetz zu werden und dabei die Umwelt zu schonen.

    So vielfältig lässt sich Wasserstoff einsetzen

    Strom und Wärme: Wasserstoff ist energiereich. Erneuerbar erzeugte Energie lässt sich damit längere Zeit speichern. Wird etwa nachts oder im Winter Strom benötigt, kann der Wasserstoff wieder zur Stromerzeugung genutzt werden. Dies geschieht in einer Brennstoffzelle. Dabei wird auch Wärme frei, die zum Heizen genutzt werden kann. Der Strom aus der Brennstoffzelle kann dann im Haus genutzt werden oder zurück ins Stromnetz fließen.

    Verkehr: Mit Wasserstoff kann man auch Autos, Laster oder Züge antreiben. Das funktioniert auch über eine Brennstoffzelle, die mit dem Wasserstoff Strom erzeugt. Der Strom treibt dann einen E-Motor und damit das Fahrzeug an. Auf Basis von Wasserstoff lassen sich auch künstliche Treibstoffe herstellen, zum Beispiel Kerosin. Der Vorteil: Diese sind dann nicht mehr fossilen Ursprungs und klimaneutral.

    Industrie: Wasserstoff kann auch in der Industrie helfen, Emissionen des Klimagases CO₂ zu senken. Besonders große Vermeidungspotentiale gibt es in der Stahlindustrie. Statt Koks lässt sich Wasserstoff in Hochöfen einsetzen, den Sauerstoffgehalt von Eisenerz zu senken.

    Dem Ehepaar gehört das Unternehmen Hörmann Solartechnik mit 18 Mitarbeitern, das wenige Schritte vom Wohnhaus entfernt seinen Sitz hat. Klar, dass Rita und Markus Hörmann große Teile der Gebäudehülle mit Photovoltaik-Elementen bedeckt haben. Solarzellen im Glas schützen im Inneren gleichzeitig vor der Sonne. Die Anlage produziert Strom in Hülle und Fülle, mehr, als die Familie an hellen Sommertagen im Haus braucht.

    Die Hörmanns könnten ihren überschüssigen Strom ins Netz einspeisen, verfolgen aber ein anderes Konzept

    Die Hörmanns könnten ihren überschüssigen Strom ins Netz einspeisen. Stattdessen aber verfolgen sie ein anderes Konzept: „Wir haben schon immer nach einer Möglichkeit gesucht, die überschüssige Energie der Sommermonate im Winter nutzbar zu machen“, sagt Markus Hörmann. „So sind wir auf Wasserstoff als Langzeitspeicher gekommen“, sagt er.

    Die funktioniert im Haus so: Den Strom vom Dach nutzt die Familie zuerst für die Geräte im Haushalt. Bleibt im Sommer Strom übrig, wird dieser verwendet, um in einer Elektrolyse-Anlage im Keller Wasserstoff zu erzeugen. Der Strom spaltet Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff ist sehr energiereich und lässt sich speichern. Im Winter nutzt die Familie den selbst erzeugten Wasserstoff wiederum, um mit diesem Strom für das Haus zu erzeugen – dann also, wenn die Photovoltaik-Anlage wenig Ertrag liefert und Strom aus dem Netz zugekauft werden müsste. Dies geschieht in einer Brennstoffzelle, die ebenfalls im Keller steht. Wenn die Brennstoffzelle in Betrieb ist, wird dabei Wärme frei. Diese heizt gleichzeitig das Haus. Mit Wasserstoff als „Brücke“ löst die Familie das Grundproblem der Photovoltaik, dass nicht immer ausreichend Strom zur Verfügung steht. Jetzt gibt es genügend erneuerbare Energie auch in der kalten Jahreszeit.

    Der Wasserstoff lagert bei 300 bar Druck in Gasflaschen aus Stahl hinter dem Haus

    Der Anschluss ans Stromnetz wird für die Familie Hörmann damit überflüssig. „Wir erreichen 100 Prozent Autarkie“, sagt Markus Hörmann und ist darauf ein klein wenig stolz. Im Stich gelassen hat sie ihr System bisher nicht: „Wir sind seit Dezember 2018 im Haus und hatten nie Energieprobleme.“

    Wie Wasserstoff dem Klima hilft

    Wasserstoff ist ein effizienter Energiespeicher: Überschüssig produzierter Strom aus regenerativer Energie kann in großen Mengen über viele Monate gespeichert werden.

    Der Austausch von nur einem Dieselbus gegen einen Brennstoffzellenbus würde jährlich 50 Tonnen CO₂ sparen. Das entspricht einem Jahresausstoß von circa 29 PKW.

    3 Minuten dauert das Tanken von Wasserstoff und ist somit genauso schnell und bequem wie bei konventionellen Fahrzeugen.

    Der Wasserstoff lagert bei 300 bar Druck in Gasflaschen aus Stahl hinter dem Haus – im Freien. Dass Wasserstoff ein flüchtiges Gas ist, mache keine Probleme: „Der Wasserstoff diffundiert kaum durch den Stahl, da der Druck dafür nicht groß genug ist“, sagt der Fachmann. Der Verlust sei verschwindend gering, versichert er.

    Dass die Wasserstoff-Technik für ihren geringen Wirkungsgrad kritisiert wird, macht Hörmann keine Sorgen: „Wenn man nichts für die Energie der Sonne zahlen muss, ist es egal, wie gut der Wirkungsgrad ist“, meint er. Bei der Elektrolyse – also der Produktion von Wasserstoff mithilfe von Solarstrom – wird zwar viel Abwärme frei. Diese kann man im Haus aber für das Warmwasser nutzen.

    Die Steuerung für die Haustechnik hat Markus Hörmann dabei selbst entwickelt

    Die Familie Hörmann kann mit ihrem Haus testen, was sie selbst anbietet: 25 Wasserstoff-Häuser hat das Unternehmen bisher ausgestattet. Die Steuerung für die Haustechnik hat Markus Hörmann dabei selbst entwickelt.

    Eine Frage bleibt: Was kostet so viel Fortschritt? Hier sind bisher stolze Summen gefragt: Rund 70.000 Euro habe er in das Gesamtsystem investiert, sagt Hörmann. Fachleute hegen aber die Erwartung, dass die Kosten stark sinken, je mehr sich die Technik durchsetzt.

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