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Interview: Wie der Augsburger MAN-Chef die Namensänderung erklärt

Interview

Wie der Augsburger MAN-Chef die Namensänderung erklärt

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    „Wir gehen in Richtung einer dekarbonisierten Welt“, sagt MAN-Chef Uwe Lauber. Das Unternehmen gibt sich deshalb einen neuen Namen und will mit neuen Produkten im Klimaschutz helfen.
    „Wir gehen in Richtung einer dekarbonisierten Welt“, sagt MAN-Chef Uwe Lauber. Das Unternehmen gibt sich deshalb einen neuen Namen und will mit neuen Produkten im Klimaschutz helfen. Foto: Siegfried Kerpf

    Herr Lauber, aus MAN Diesel & Turbo wird MAN Energy Solutions . Weshalb die Namensänderung?

    Uwe Lauber: Mit dem neuen Namen ist unsere neue Strategie verbunden. Da ist zum einen das Wort „Energy“. Energie treibt unsere drei Unternehmensbereiche an – das Kraftwerksgeschäft, die Schiffsantriebe und die Turbomaschinen. Es geht aber nicht mehr um Energie in ihrer herkömmlichen Form. Wir gehen in Richtung einer dekarbonisierten Welt, also einer Welt ohne fossile Energieträger. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten. Klimaneutrale Kraftstoffe werden immer wichtiger. Zum Zweiten werden wir nicht mehr nur einzelne Komponenten wie Motoren liefern, sondern umfassende Lösungen. Das zeigt das Wort „Solutions“. Über die Bedeutung von „Energy Solutions“ haben wir uns viel Gedanken gemacht. Wir zeigen damit, wofür wir in Zukunft stehen.

    Die Bezeichnung „Diesel“ verschwindet aber aus dem Namen. Verabschieden Sie sich vom Diesel-Motor?

    Lauber: Nein, überhaupt nicht. Der Diesel-Motor spielt eine zentrale Rolle. Das Diesel-Prinzip ist noch immer das effizienteste physikalische Prinzip, um Energie zu erzeugen. Es gibt aber eine Abkehr vom mit Schweröl betriebenen Motor hin zu Alternativkraftstoffen.

    Der neue Name sieht aber aus wie ein Abschied vom Bezug zu Rudolf Diesel, der am Standort Augsburg maßgeblich seinen Motor entwickelt hat…

    Lauber: Im Gegenteil. Wir sind auch heute noch stolz auf Rudolf Diesel. Wir sind das „Home of Diesel“. Rudolf Diesel war ein Pionier. Er hat den Schritt gewagt, die Dampfmaschine abzulösen. Wir wollen jetzt eine weitere Pionierleistung bewerkstelligen und uns in eine neue Ära aufmachen, die von der Dekarbonisierung und der Digitalisierung geprägt ist. Wir nehmen uns Rudolf Diesel zum Vorbild. Der Geist von Rudolf Diesel ist immer noch in diesen Hallen. Ich denke, er wäre stolz auf uns, wenn er uns heute hier sehen würde. 2030 wollen wir 50 Prozent unseres Geschäfts mit neuen Technologien bewerkstelligen.

    Wie viel sind es derzeit?

    Lauber: Es sind 5 bis 10 Prozent.

    Das Image des Diesels hat aber durch die Auto-Abgas-Affäre gelitten. Hat die Namensänderung damit zu tun?

    Lauber: Nein, Dieselgate tut uns zwar weh, fand aber zeitgleich mit der Entwicklung unserer neuen Strategie statt.

    Wie sieht die neue Strategie aus?

    Lauber: Nehmen wir den Geschäftsbereich Schiffsmotoren: Hier liefern wir heute einen Motor, morgen liefern wir ganze Antriebssysteme. Sie bestehen in Zukunft aus einem Gasmotor, dazu kommen elektrische Komponenten, um die Effizienz zu steigern. Ein typischer Motor hat einen Wirkungsgrad von 50 Prozent, an der Schraube kommen aber nur 40 Prozent an. Das lässt sich verbessern, zum Beispiel durch Komponenten unserer Schwesterfirma Renk als Getriebehersteller oder durch Lösungen der Firma AKA aus Kanada, an der wir Anteile gekauft haben. Diese hat sich darauf spezialisiert, Komponenten effizient zu koppeln und zu steuern. Die Kopplung von Energieerzeugung und Energiespeicherung ist der Schlüssel zum Erfolg.

    MAN Energy Solutions steht jetzt am Hochhaus des Werks in Augsburg. 
    MAN Energy Solutions steht jetzt am Hochhaus des Werks in Augsburg.  Foto: Siegfried Kerpf

    Was planen Sie im Kraftwerksbereich?

    Lauber: Auch im Kraftwerksbereich wollen wir die Dekarbonisierung unterstützen, indem wir Hybridkraftwerke anbieten. Eine solche Lösung sieht zum Beispiel so aus, dass erneuerbarer Strom mit Sonne und Wind erzeugt wird. Für die Nacht brauche ich aber Sicherheit. Das kann eine Batterie aus dem VW-Konzern sein, die den Strom für die Nacht speichert. Falls dies nicht reicht, brauche ich Aggregate zur Stromerzeugung, zum Beispiel Gasturbinen oder Gasmotoren aus unserem Hause. Dieses Gas kann im Power-to-Gas-Verfahren aus erneuerbaren Energien gewonnen werden und klimaneutral sein. Eine Speicherlösung für Wärme bieten wir zusammen mit dem Schweizer ABB-Konzern an, unserem neuen Partner auf diesem Gebiet. Solche thermischen Speicher können auch dazu genutzt werden, um Wohnungen zu heizen oder Kühlhäuser zu betreiben. Das Novum ist, dass man dabei auch Strom entnehmen kann.

    Gibt es schon Kunden für den thermischen Speicher?

    Lauber: Ja, wir haben Anfragen.

    Funktionieren die genannten Hybridkraftwerke bereits?

    Lauber: Sicher. Wir wollen zum Beispiel am Standort Augsburg demnächst ein Hybridkraftwerk aufbauen. Dabei wird ein Gasmotor durch eine Photovoltaikanlage ergänzt.

    Ein anderes Thema: VW baut den MAN-Konzern derzeit massiv um, der Lkw-Bereich wird abgespalten. Schmerzt Sie das?

    Lauber: Um Technologien voranzutreiben, gab es Synergien mit den Lkw-Kollegen und mit VW. Durch den Konzernumbau sind wir aber ja nicht abgeschnitten von den Kollegen.

    Die Lkw-Sparte soll ja zusammen mit Scania börsenfähig gemacht werden. Könnte das auch für MAN Energy Solutions eine Option sein?

    Lauber: Sicherlich ist dies immer eine Alternative. Es gibt unterschiedliche Optionen für die Zukunft. Im Moment ist aber nichts spruchreif.

    Immer wieder gibt es Spekulationen, dass VW die Augsburger MAN verkaufen könnte. Wie ist hier der Stand der Dinge?

    Lauber: Mit diesen Spekulationen lebe ich, seit ich hier im Vorstand aktiv bin. Beantworten kann die Frage nur VW. Wir machen hier unser Geschäft und arbeiten an unserer Zukunft. Deshalb sage ich immer meiner Mannschaft: Lasst die Spekulationen gut sein… Wir verfolgen jetzt mit viel Engagement unsere neue Strategie.

    Mit den Schiffs- und Kraftwerkslösungen sind Sie aber auch ein Exot im VW-Konzern…

    Lauber: Ja und nein. Die Elektromobilität hält Einzug bei VW. Dazu braucht man eine Ladeinfrastruktur. Dazu sind wir in enger Zusammenarbeit mit VW, um Lösungen anzubieten.

    Sie können auch beim Laden von Elektro-Autos helfen?

    Lauber: Ja, das machen wir bereits. Zum Beispiel auch bei Busflotten. Mit einer kleinen Power-to-Gas-Anlage könnten die Busse auch wirklich CO2-neutral fahren.

    Wie sehen Sie Ihre Zukunft bei VW?

    Lauber: Wir sehen uns als Partner, um Ladeinfrastruktur-Lösungen voranzutreiben. Das wurde auch dem Konzernvorstand vorgetragen. Zudem können wir einen Beitrag zur Kraftwerksinfrastruktur leisten, die VW für seine Werke braucht. Ich denke auch, dass bei Auto und Lkw nicht nur die Batterie die Lösung für die Mobilität von morgen ist, sondern auch synthetische Kraftstoffe. Diese könnten unsere Anlagen erzeugen.

    Bei MAN Diesel & Turbo musste zuletzt auch gespart werden. Jobs gingen verloren. Geht die neue Strategie auch mit Personalabbau einher?

    Lauber: Momentan steht in Augsburg nichts an, im Gegenteil: Wir suchen händeringend nach Fachkräften und investieren in ein neues Turbolader-Testzentrum und eine Logistik-Schwerlasthalle. Wir glauben an die Zukunft des Standorts. Nichts ist aber so stetig wie der Wandel. Wenn Marktumstände uns zwingen, müssten wir uns anpassen. Das kann ich auch für die Zukunft nicht ausschließen. Das war der Fall, als der Ölpreis vor einigen Jahren über Nacht von 120 Dollar pro Fass auf unter 30 Dollar fiel. Da brach der Markt für Turbomaschinen um bis zu 50 Prozent ein.

    Wie sieht die Auftragslage aktuell aus? Die Schifffahrt steckte in der Krise…

    Lauber: Wir sehen immer noch Überkapazitäten im marinebasierten Geschäft, es erholt sich aber langsam. Erfreulich ist, dass die Kreuzfahrtbranche boomt. Der wesentliche Auftragseingang kommt gerade aus dem Kraftwerksgeschäft. Unser Werk ist ausgelastet, unsere Ziele des Programms „Basecamp 3000“ von drei Milliarden Euro Umsatz und Auftragseingang haben wir erreicht. Wir sind ordentlich drüber. Die Gewinnmargen sind derzeit zwar noch gering. Wenn man aber aus einem Markt kommt, der am Boden ist, dauert die Erholung länger. Durch unsere neuen Lösungen versuchen wir zudem, einen Mehrwert anzubieten, den der Markt honoriert.

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