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Banken: Wie Wirecard vom Porno-Bezahldienst zum Börsenstar wurde

Banken

Wie Wirecard vom Porno-Bezahldienst zum Börsenstar wurde

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    Markus Braun leitet Wirecard seit 2002. Er hat die Firma weggeführt vom Schmuddel-Image hin zu einem Fintech-Unternehmen.
    Markus Braun leitet Wirecard seit 2002. Er hat die Firma weggeführt vom Schmuddel-Image hin zu einem Fintech-Unternehmen. Foto: Matthias Balk, dpa

    Hier müssen doch alle mit Turnschuhen unterwegs sein, das Hemd über die Hose hängen lassend. Wahrscheinlich tragen die meisten ohnehin schwarze Poloshirts wie einst Apple-Gründer Steve Jobs. Ja, auf den Schreibtischen in der Wirecard-Zentrale stehen sicher leere Pizzakartons und Cola-Flaschen.

    Vorstellung und Wirklichkeit klaffen gern auseinander. Manchmal tut sich eine Schlucht auf. So dürften einige Gäste, welche die Reise zum momentan am heißesten gehandelten deutschen Börsen-Unternehmen im Nordosten Münchens antreten, zu leger angezogen sein.

    Wiegten sie sich bei der Fahrt durch die flächenfressende Gewerbewucherung in Aschheim, vorbei an günstigen Hotels kleidungsmäßig noch auf sicherer Seite, kommen schon im Warteraum Zweifel auf. Das Glas Wasser wird auf einem silberfarbenen Tablett serviert. Eine junge Frau wartet nervös auf ihr Vorstellungsgespräch. Mit klassischem Hosenanzug und Pumps wäre sie auch passend für die Personaler der Deutschen Bank präpariert.

    Wirecard könnte schon bald in den Dax aufsteigen

    Immer wieder öffnen sich die Türen des Eingangsbereichs. Junge Beschäftigte huschen an voluminösen Ledersesseln vorbei zu einem Meeting. Männer tragen oft Anzug und Hemd, Frauen Kostüme. Jede Tür ist gesichert. Die Mitarbeiter, unter ihnen viele Frauen, sprechen überwiegend Englisch. Sie haben aus aller Welt hier hergefunden.

    Weit und breit keine schwarzen Poloshirts und Pizzakartons. Das passt nicht zum betont seriösen Unternehmensstil. Doch gute Laune schon. Es wird häufiger gelacht als in Wartebereichen von Deutsch- und Commerzbanken. In Frankfurt nimmt man die Emporkömmlinge aus Bayern schon länger ernst. Es wird auch ernst für die traditionellen Geldhäuser. Denn die Wirecard AG, die sich auf Zahlungsabwicklungen im Internet spezialisiert hat, daran bestens verdient, ist an der Börse mehr wert als die Deutsche Bank. Ein Knaller! Und das, obwohl der Frankfurter Finanz-Riese in etwa 20-mal so viele Mitarbeiter wie die Wirecard AG mit ihren knapp 5000 Beschäftigten zählt.

    Doch während sich die Deutsche Bank 2017 mit einem Verlust von 735 Millionen Euro nicht aus dem Würgegriff roter Zahlen befreien konnte, stehen bei der in Deutschland auch mit einer Banklizenz ausgestatten Wirecard AG die gute Laune fördernden 259,72 Millionen Euro Gewinn nach Steuern in den Büchern. Natürlich ist die Firma am Aktienmarkt viel mehr wert als die Commerzbank. Die Bayern sind drauf und dran, das traditionelle Geldhaus aus dem Deutschen Aktienindex zu schubsen. Wenn nichts mehr schiefläuft, könnte Wirecard im September in den Dax einziehen. Die Commerzbank wäre dann, wie zuletzt gespottet wurde, der HSV der deutschen Finanzbranche. Das lange Warten auf eine zweite deutsche Dax-Traumgeschichte nach dem Aufstieg des Software-Konzerns SAP hätte ein Ende. Wirecard ist ein Fintech-Unternehmen, was Börsianer sexy finden. Finanzen und Technologie kommen zusammen, Software und Geld heiraten. So sind gut die Hälfte der Wirecard-Mitarbeiter IT-Spezialisten.

    Wirecard-Chef Markus Braun führte das Unternehmen weg von den Pronos

    Doch wie lässt sich der irrwitzige Anstieg des Aktienkurses innerhalb von fünf Jahren um fast das Achtfache auf zuletzt rund 188 Euro erklären? Aus einst in Wirecard investierten 1000 sind also knapp 8000 Euro geworden. Wer eine ähnliche Rechnung mit Aktien der beiden deutschen Großbanken aufmacht, kommt aus dem Ärgern nicht mehr heraus. Wirecard hat sich jedenfalls mit dem österreichischen Wirtschaftsinformatiker Markus Braun an der Spitze seit 2002 zunächst schrittweise und dann explosionsartig an der Börse nach oben geschraubt. Damit einher ging eine weltweite Expansion.

    Wer im Internet einkauft, bekommt es oft mit Wirecard zu tun, ohne das groß zu merken. Dabei gelang es dem 1969 geborenen Braun, das Schmuddel-Image aus Anfangszeiten abzuschütteln. Denn Wirecard hat einst vor allem gute Geschäfte mit Porno- und Glücksspielanbietern gemacht, die sich in der Anfangszeit des Internets ihre Dienste online bezahlen ließen. Wirecard-Experten fanden früh Wege, wie solche Transaktionen sicher und diskret über die Bühne gehen.

    Als das Internet dann zum neuen Kaufhaus wurde, wuchs Wirecard kräftig mit, zumal das Unternehmen pro Zahlung eine bestimmte Gebühr einstreicht. So erklärt sich die satte Gewinnmarge. Dabei sind die Schmuddel-Branchen für das Unternehmen nicht mehr wichtig. Die aktuellen Umsätze liegen hier nach Darstellung der Firma „im einstelligen Prozentbereich“.

    Die großen Geschäfte macht Wirecard heute mit anerkannten Konzernen wie der niederländischen Fluggesellschaften KLM, dem Telekom-Anbieter Orange oder die für Töpfe, Pfannen und Messer bekannte WMF-Gruppe. Selbst ein Riese wie Google setzt auf Wirecard.

    Langfristig will Wirecard das Bargeld abschaffen

    Dass die deutsche Firma derart prächtig gedeiht, hat sie auch dem schon 2007 erfolgten Einstieg in den asiatischen Markt zu verdanken. Dort boomt das digitale Bezahlen, während die meisten Deutschen am Bargeld festhalten. Doch mit einer App von Wirecard lässt sich bequem per Smartphone einkaufen. Solche Techniken bietet das Unternehmen auch deutschen Händlern an und bekommt Geld dafür.

    Chinesen können dank Wirecard selbst auf Bargeld verzichten, wenn sie etwa bei einem Neuschwanstein-Besuch in der Galeria Lisl kräftig shoppen. „Unser größter Gegner ist Bargeld“, scherzt Wirecard-Managerin Susanne Steidl.

    Die 47-Jährige ist die einzige Frau im vierköpfigen Vorstand. Wie Braun stammt sie aus Österreich. Steidl glaubt, auch in der Bargeld-Trutzburg Deutschland werde sich langfristig das digitale Bezahlen durchsetzen. Etwa dank Fingerabdruck oder Gesichtserkennung sei die Technik sicher. Steidl und Braun arbeiten also an dem Megaprojekt, Bargeld immer mehr abzuschaffen. Einen Geldbeutel hat die Managerin aber noch.

    Gibt es für Wirecard Grenzen? Die Experten des Handelsblatts warnen bei aller berechtigten Euphorie davor, das Geschäftskonzept werde bereits von Konkurrenten kopiert. Und immer wieder sieht sich Wirecard fiesen Attacken am Aktienmarkt ausgesetzt. Hier werden aus halbseidener Quelle negative Informationen über das Unternehmen gestreut, bis der Aktienkurs spürbar einbricht.

    Das nutzen Spezialisten für Leerverkäufe: Sie stoßen geliehene Aktien noch zu hohen Preisen ab, also ehe die Verleumdungen volle Wirkung zeigen. Geht der Kurs dann spürbar zurück, decken sie sich wieder mit Papieren ein. Die Preisdifferenz stecken die Zocker als Gewinn ein. Braun rechnet weiter mit solchen Angriffen, bleibt aber gelassen.

    Den großen, schlanken Mann, der Anzug trägt, treibt wie seine Kollegin Steidl eine andere Sorge um: „Wir dürfen nicht behäbig werden und müssen raus aus der Komfortzone.“ Wirecard soll also die Fehler von Deutscher Bank und Commerzbank nicht wiederholen.

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