China ist die kommende Wirtschafts-Supermacht – so hieß es über Jahre, wenn Wirtschaftsvertreter und -experten nach ihrer Einschätzung zu dem Aufsteiger im Fernen Osten befragt wurden. Mittlerweile sind die Meinungen etwas differenzierter. Zum einen wachsen in Deutschland und Europa Sorgen vor chinesischer Dominanz. Fälle wie die Übernahme des Augsburger Roboterherstellers Kuka durch ein chinesisches Unternehmen sollen künftig nicht mehr so leicht möglich sein. An entsprechenden gesetzlichen Regelungen wird gearbeitet.
Zum anderen haben die USA unter Donald Trump einen Handelskrieg gegen China gestartet. Nach einer Einigung im Bereich der Agrarprodukte nimmt der US-Präsident derzeit vor allem chinesische Technologieunternehmen ins Visier. Zu all dem kommen die Folgen der Corona-Krise. Unternehmen bewerten ihre Liefer- und Wertschöpfungsketten neu. Das dürfte nicht ohne Folgen bleiben für die Bewertung eines Standorts.
In diesem Licht bekommt eine neue Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstituts IW Köln Consult im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) ein anderes Gewicht. In einem Ranking von 45 Industriestandorten weltweit landet Bayern auf dem zweiten Platz. Besser sind nur noch die USA. Deutschland als Ganzes wird als fünftbester Industriestandort bewertet. Unter die besten zehn haben es mit der Schweiz (3.), Schweden (4.), den Niederlanden (6.) und Dänemark (7.) vier weitere europäische Länder geschafft. China dagegen verharrt in der regelmäßig erhobenen Rangliste auf Rang 24.
Innovativ und kommunikativ: Bayern ist das bessere Deutschland
Bayern punktet in der Untersuchung vor allem in den Kategorien Markt und Staat. Gewertet wurden dabei unter anderem die Stärke des Verbunds von Industrie und Dienstleistungen, die Breite der Wertschöpfungskette und die Offenheit der Volkswirtschaft. Auch unternehmerische Freiheit, Korruptionskontrolle und eine strikte Kartellpolitik sind Stärken Bayerns. Der Vorsprung des Freistaats auf Deutschland erklärt sich aus besseren Bewertungen in den Bereichen Innovationsumfeld und Arbeitsbeziehungen.
Matthias Köppel, Leiter des Geschäftsbereichs Standortpolitik der IHK Schwaben in Augsburg, hält die Ergebnisse der Studie insgesamt für schlüssig: „Wir können Industrie und es soll auch in der Zukunft so bleiben. Nur darf ein Spitzenplatz nicht dazu führen, dass man bequem wird. Die hohen Lohnnebenkosten hierzulande gelten schon seit Jahren als großes Manko – einzig ist viel zu wenig passiert, um es zu ändern.“
Tatsächlich zählt Bayern zu den Ländern mit den höchsten Industrieanteilen weltweit. Auch das betonen die Autoren der Studie: Mehr als ein Viertel der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung Bayerns entsteht in der Industrie. In den vergangenen 13 Jahren ist dieser Anteil sogar gestiegen, während in vielen traditionellen Industrieländern eine schleichende Deindustrialisierung zu verzeichnen war.
Mangelnde Rechtssicherheit ist eine von Chinas Schwächen
Am besten schneidet China im Teilbereich Ressourcen ab: Gemeint sind dabei der Zugang zu natürlichen Ressourcen und die Stromversorgung. Allerdings verhindern auch dort die insgesamt schlechte Energieeffizienz und die schlechte Bewertung des Kapitalmarkts eine bessere Note. Vorteile durch die enorme Größe des Marktes werden durch mangelnde Offenheit wieder ausgeglichen.
Ähnlich fällt die Bewertung des – laut Studienautoren – wichtigsten bayerischen Wettbewerbers in der Teilwertung Kosten aus: Günstige Arbeits- und Treibstoffpreise werden von überdurchschnittlich hohen Steuern egalisiert. Als große Probleme gelten nach wie vor die mangelnde Rechtssicherheit sowie Einschränkungen der wirtschaftlichen und unternehmerischen Freiheit.
Bayerns Wirtschaft braucht "fundamentale Neuentwicklungen"
Doch auch in Bayern sehen Wirtschaftsvertreter noch Platz für Verbesserungen. „Bei der Forschung und Entwicklung machen wir Fortschritte – bei den Details bringen wir vieles zur Perfektion. Für die Zukunft wäre zu wünschen, dass Deutschland, Bayern und Schwaben mit fundamentalen Neuentwicklungen aus der Industrie von sich reden machen“, sagt etwa IHK-Experte Köppel.
VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt warnt vor allem vor steigenden Ausgaben für Bayerns Industrie: „Hohe Arbeits- und Treibstoffkosten sowie Steuern belasten unseren Standort.“ Um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, fordert Brossardt eine Verringerung der Steuerbelastung, eine maßvolle Tarifpolitik und einen konsequenten Bürokratieabbau.
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