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Weltbild: Gerd Robertz verlässt Weltbild: Konzern steht vor der Zerreißprobe

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Gerd Robertz verlässt Weltbild: Konzern steht vor der Zerreißprobe

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    Die Stimmung unter den Mitarbeitern des Augsburger Medien-Unternehmens Weltbild ist auf einem Tiefpunkt angekommen. Dazu hat sicher auch die gestrige Nachricht beigetragen, dass der Manager Gerd Robertz Ende Februar aus dem Unternehmen ausscheidet. Der erfahrene Buch-Experte leitet den zur

    Das ist die Droege Group aus Düsseldorf

    Die Droege Group mit Sitz in Düsseldorf ist eine Beratungs- und Investment-Firma.

    Der Konzern wurde 1988 gegründet und beschäftigt heute nach eigenen Angaben rund 62.000 Menschen in über 30 Ländern.

    Der Umsatz 2013 betrug weltweit rund 7,6 Milliarden Euro.

    Die Gruppe ist eines der größten Familienunternehmen Deutschlands.

    Das Geschäftsmodell des Konzerns ist die Mehrheitsbeteiligung an Firmen in kritischen Situationen und deren Weiterentwicklung. "Wir sind nicht am Exit orientiert, sondern auf Langfristigkeit ausgerichtet", heißt es auf der Droege-Webseite.

    Das Portfolio der Droege Group ist breit. So investierte das Düsseldorfer Unternehmen unter anderem in Spezialisten für Medizintechnik, Personal-Dienstleistung, erneuerbare Energie und Telekommunikation.

    Robertz hatte sich im vergangenen Jahr schon aus der Weltbild-Geschäftsführung zurückgezogen. Insider sprechen von einem Abschied auf Raten und bezweifeln, dass es sich, wie es in der gestrigen Pressemitteilung hieß, um eine Trennung im gegenseitigen Einvernehmen handele. Mit Weltbild vertraute Personen glauben vielmehr, Robertz habe im Streit um die künftige Strategie des Unternehmens seinen Hut genommen. Hinter den Kulissen ist von Differenzen mit den aus Düsseldorf kommenden Investoren der Droege-Gruppe die Rede. Der Mehrheitseigentümer will bekanntlich weiter sparen und nach Darstellung der Gewerkschaft Verdi rund 160 Vollzeitstellen abbauen, was für etwa 200 weitere Mitarbeiter das Aus bedeuten würde, schließlich wären auch Teilzeitkräfte betroffen.

    Verdi-Verantwortliche werten das als Bruch der Verabredung, dass es nicht zu weiteren Massenentlassungen bei dem Unternehmen komme. Aus der Enttäuschung heraus ist der Ton der Gewerkschafter gegenüber den Droege-Managern noch einmal rauer geworden. So sagte Timm Boßmann, Verdi-Sprecher bei Weltbild, am Montag unserer Zeitung: „Mittlerweile haben viele Beschäftigte Angst, dass Droege Weltbild schrumpft, ja totschrumpft.“ Das Ergebnis harter Arbeit mit Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz und der Unternehmensberatung Roland Berger werde damit kaputt gemacht: „Das Ganze wirkt, als ob man Selbstmord begehen wolle aus Angst vor dem Tod.“

    Vorwurf gegen Droege: Zum Zeitpunkt des Einstiegs nicht die Wahrheit gesagt

    Der Hauptvorwurf gegen die Droege-Männer lautet, dass sie beim Zeitpunkt des Einstiegs nicht die Wahrheit gesagt und erst später Pläne für weitere Massenentlassungen bei Weltbild auf den Tisch gelegt hätten.

    Der Unternehmer Walter Droege sieht das anders. Im Gespräch mit unserer Zeitung wies er gestern darauf hin, es habe „signifikante Abweichungen gegenüber den Planungen von Roland Berger gegeben“. Das treffe sowohl auf Umsatz als auch Kosten zu. Die Unternehmensberatung Berger hatte im Zuge des Insolvenzverfahrens einen Sanierungsplan für Weltbild vorgelegt, aus dem auch hervorgeht, wie sich die finanzielle Situation des nach wie vor angeschlagenen Unternehmens nach bestimmten Veränderungen des Geschäfts weiterentwickeln könnte.

    Nach der Argumentation von Droege hat Weltbild jedoch deutlich schlechter als nach dem Berger-Szenario abgeschnitten. Die Investoren und die Weltbild-Geschäftsleitung sahen sich zu Gegenmaßnahmen gezwungen. Es kam zu dem Vorstoß, bis zu 160 weitere Vollzeit-Stellen zu streichen. Für Weltbild arbeiten in Deutschland noch rund 2000 Frauen und Männer, darunter etwa 1000 in Augsburg, wobei rund 450 in der Verwaltung tätig sind. Die Verdi-Experten für Weltbild befürchten, dass in der Verwaltung jene bis zu 160 Vollzeitstellen wegfallen könnten. Weltbild machte dazu keine Angaben.

    Das Unternehmen Weltbild

    Zahlen und Fakten zur Augsburger Weltbild-Gruppe:

    Weltbild beschäftigte einst insgesamt rund 6800 Mitarbeiter, davon 2200 am Standort Augsburg.

    Weltbild gehörte den zwölf katholischen Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge Berlin.

    Weltbild startete 1948 als Winfried-Werk in Augsburg. Der Verlag gab katholische Zeitschriften heraus. Als zusätzlichen Service gab es einen Bücherdienst.

    In den 1980er Jahren blühte das Unternehmen auf, es kaufte Verlage und Zeitschriften dazu. 1994 eröffnete man die ersten Filialen.

    Seit 1997 gibt es den Onlinehandel. Während das Buchgeschäft floriert, kränkelte das Zeitschriftengeschäft. 2008 stieß Weltbild den kompletten Bereich ab.

    Unter dem Dach der Holding DBH waren die Buchhandlungen Hugendubel, Weltbild und Jokers gebündelt. Zum Konzern gehörten auch die Vertriebsmarken Weltbild, Jokers, Kidoh und buecher.de.

    2012 verkündete die Verlagsgruppe 1,59 Milliarden Euro Umsatz.

    In den vergangenen Jahren geriet das Unternehmen unter Druck - die Konkurrenz von Amazon und anderen machte Weltbild zu schaffen.

    Im Januar 2014 meldete Weltbild Insolvenz an.

    In den folgenden Monaten bekamen hunderte Beschäftigte die Kündigung ausgesprochen.

    Im Mai kündigte Investor Paragon an, Weltbild zu übernehmen.

    Wenig später stieg Paragon wieder aus. Anfang August übernahm dann die Beratungs- und Investmentgruppe Droege die Mehrheit an Weltbild.

    Der Online-Medienhändler bücher.de gehört ab August 2014 vollständig zur Weltbild-Gruppe.

    September 2014: Nach der Mehrheitsübernahme durch den Düsseldorfer Investor Droege gibt es eine neue Geschäftsführung: Gerd Robertz, Patrick Hofmann und Sikko Böhm.

    Nach nur sieben Wochen tritt Gerd Robertz ab und widmet sich wieder nur dem Onlinegeschäft bücher.de.

    Im November kündigt die Geschäftsführung von Weltbild an, in der Verwaltung rund 200 Arbeitsplätze zu streichen.

    2015: Weltbild verkauft 67 Filialen an die kleine Kette "Lesenswert".

    Juli 2015: Rund ein halbes Jahr nach der Übernahme der 67 Filialen ist der Käufer pleite.

    Juli 2015: Knapp ein Jahr nach der Übernahme des Weltbild-Konzerns durch den Düsseldorfer Investor Droege muss der Logistikbereich von Weltbild erneut Insolvenz anmelden.

    Wie es personell bei dem Unternehmen weitergeht, entscheidet sich in den nächsten Wochen. Nach Informationen unserer Zeitung kommen Geschäftsleitung und Betriebsräte am 23. Januar zu einem als „Info-Veranstaltung“ deklarierten Treffen zusammen. Hier werden aber wohl noch keine Weichen gestellt. Zur Sache dürfte es erst am 28. und 29. Januar gehen. Nach diesen Gesprächsrunden könnte klarer sein, wohin die Reise für die Beschäftigten geht. Bis dahin wird die Unsicherheit unter den Mitarbeitern andauern.

    Das Weihnachtsgeschäft bei Weltbild gibt Rätsel auf

    Dazu tragen sicher auch unterschiedliche Einschätzungen über das für Weltbild so wichtige Weihnachtsgeschäft bei. Vonseiten des Unternehmens heißt es, dass „die Erwartungen erreicht wurden“. Nachdem das Geschäft in den Buchfilialen zunächst schleppend angelaufen sei, habe es einen starken Endspurt gegeben. Im Weltbild-Internetblog der Gewerkschaft Verdi liest sich das anders: Hier ist die Rede davon, Filialen seien kaum beworben und nur eingeschränkt mit Ware beliefert worden. Das „gefloppte Weihnachtsgeschäft“ solle weitere Schließungen begründen, heißt es dort.

    Der von Verdi so kritisierte Walter Droege setzt langfristig auf das Unternehmen und sagt: „Das ist eine fantastische Marke. Ich glaube an Weltbild mit seiner Multi-Kanal-Philosophie aus Online, Katalog und Buchläden.“

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