Am Anfang steht eine These. Sie lautet: Würden alle Folgekosten, die durch die Landwirtschaft entstehen, auf den Lebensmittelpreis aufgeschlagen, wären Biolebensmittel viel günstiger als jene aus konventioneller Landwirtschaft. Momentan ist es andersherum.
Die Organisation, die diese These in den Raum stellt, ist die Tollwood-Gesellschaft. Sie ist eher für das gleichnamige Festival bekannt, das jeden Sommer in München stattfindet, und für den Weihnachtsmarkt. Sie setzt sich auch für eine nachhaltige Landwirtschaft ein. Und deshalb hat sie gemeinsam mit der ökologisch-orientierten Schweisfurth Stiftung bei Tobias Gaugler von der Uni Augsburg und seinem Team eine Studie in Auftrag gegeben.
Der Wirtschaftswissenschaftler sollte herausfinden, wie sich die Preise für Lebensmittel aus ökologischer und konventioneller Landwirtschaft verändern müssten, wenn man miteinrechnet, welche Umweltschäden durch die Landwirtschaft entstehen. Genauer gesagt durch den Einsatz von Nitrat als Dünger, den Energieverbrauch und Klimagase wie CO2 und Methan. Denn momentan, so lautet die Argumentation von Gaugler, entstehen diese Kosten zwar, aber bezahlen muss sie die gesamte Gesellschaft.
Der Preis für Fleisch müsste um 196 Prozent steigen
Um ein Beispiel dafür zu finden, muss man gar nicht so weit in die Vergangenheit schauen: Es ist nicht lange her, da beschloss Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), den Bauern zu helfen. Sie litten unter der extremen Dürre in diesem Sommer, hatten deshalb hohe Ernteausfälle und mussten ihren Tieren zum Teil schon früh Winterfutter geben. 340 Millionen Euro werden die Dürrehilfen Bund und Länder – also den Steuerzahler – kosten.
In seiner Studie hat Gaugler nun festgestellt: Würden in die Preise für Lebensmittel alle Folgekosten einberechnet, wäre unser Essen um ein Vielfaches teurer. So müssten etwa die Erzeugerpreise von Fleisch aus konventioneller Landwirtschaft auf fast das Dreifache – genauer um 196 Prozent – ansteigen.
Für konventionell erzeugte Milch müssten die Erzeugerpreise um das Doppelte steigen, bei Gemüse sind es 28 Prozent. Aber auch in der Biolandwirtschaft müssten die Preise anziehen, um Schäden durch Dünger, Klimagase und Energienutzung auszugleichen: Fleisch und Eier müssten 82 Prozent teurer werden, Milch 35, Obst und Gemüse sechs Prozent.
Für den Verbraucher wäre der Anstieg an der Ladenkasse nicht ganz so groß, sagt Gaugler und macht am Beispiel konventionell erzeugter Milch eine Rechnung auf: Wenn ein Kunde im Laden 80 Cent für einen Liter Milch bezahlt, bekommt der Landwirt im Schnitt 26 Cent, sagt der Augsburger Wissenschaftler. Die restlichen 54 Cent verteilen sich etwa auf Transport, Handel und Steuern. Würde der Erzeugerpreis nun um 96 Prozent steigen, kämen auf die 80 Cent Milchpreis im Supermarkt 25 Cent oben- drauf. Die Milch würde dann 1,05 Euro kosten.
Das heißt, der Preis für den Endkunden wäre um 31 Prozent geklettert. Aber: Die Gesellschaft müsste später nicht mehr für Dürrehilfen zahlen. „Das gute an dem Prinzip ist: Es zahlt derjenige, der jetzt einen Liter Milch kauft. Und nicht spätere Generationen, wenn die Situation akut wird“, erklärt Gaugler. Und: „Momentan ist es eher so, dass uns die Probleme allen auf die Füße fallen, auch wenn wir vielleicht gar kein Fleisch oder keine Milch aus konventioneller Landwirtschaft kaufen.“
Bio-Lebensmittel sind schon jetzt teurer, weil sie auf Pestizide verzichten
Warum sich die Forscher ausgerechnet die Folgekosten, die durch die Landwirtschaft entstehen, vorgenommen haben? „Weil 50 Prozent der Erdoberfläche landwirtschaftliche Nutzfläche sind“, sagt Stephanie Weigel, die bei der Tollwood-Gesellschaft für das Thema Landwirtschaft zuständig ist. Und Gaugler sagt, weil alleine die Landwirtschaft so viel zur Klimaerwärmung beitrage wie der gesamte Verkehr einschließlich des Fliegens. „Wir haben schon lange bemerkt: Wir ernähren uns entweder ökologisch oder irgendwann gar nicht mehr“, sagt Weigel.
Und sie weist auf noch etwas hin: Die meisten Biolebensmittel sind schon jetzt teurer als jene aus konventioneller Landwirtschaft. Das liegt ihrer Einschätzung nach daran, dass Biolandwirte auf den Einsatz von Antibiotika und Pestiziden verzichten – auch diese haben Folgekosten. Antibiotika tragen etwa zur Entstehung von multiresistenten Keimen bei, das Ausbringen von Pestiziden fördert das Artensterben. „Aber um diese Folgekosten zu bepreisen, fehlt die Datengrundlage, deshalb wurden sie in der Studie nicht berücksichtigt“, sagt Gaugler. Wäre das möglich, so schätzt auch er, wären Bio-Lebensmittel wohl günstiger als konventionelle.