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Warnstreiks: Kundgebung in Augsburg: IG Metall erhöht den Druck im Tarifstreit

Warnstreiks

Kundgebung in Augsburg: IG Metall erhöht den Druck im Tarifstreit

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    Auf dem Augsburger Messegelände haben hunderte Arbeiter lautstark in ihren Autos für eine bessere Bezahlung gehupt. Unser Bild zeigt eine Kundgebung in Kiel.
    Auf dem Augsburger Messegelände haben hunderte Arbeiter lautstark in ihren Autos für eine bessere Bezahlung gehupt. Unser Bild zeigt eine Kundgebung in Kiel. Foto: Axel Heimken, dpa

    Die Fronten sind verhärtet, es fallen gegenseitig immer wieder verbale Attacken: Während die Arbeitnehmervertreter aus der Metallindustrie in der Corona-Krise keine Zugeständnisse für die Gewerkschaftsforderungen machen wollen, erhöht die IG Metall mit Warnstreiks den Druck. Ihr Ziel: vier Prozent mehr Geld, Arbeitszeitangleichung und ein Zukunftsversprechen für Auszubildende. Am Mittwoch hat die IG Metall zur Kundgebung auf dem Augsburger Messeparkplatz aufgerufen. Einige hundert Teilnehmer sind gekommen, es gab ein lautes Hupkonzert. IG Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner, ein gebürtiger Augsburger, ließ es sich nicht nehmen, in seiner Heimatstadt vor das Mikrofon zu treten.

    Das sind die Forderungen der IG Metall im Tarifstreit

    Kerner verteidigt die Vier-Prozent-Forderung: „Wir wollen Beschäftigung sichern, Entgelt stabilisieren, Zukunft gestalten.“ Für die Jugend brauche es eine Perspektive mit Ausbildungsplätzen und Garantien für spätere Übernahmen. „Die Jugend darf wegen Corona nicht auf der Strecke bleiben.“ Die Gewerkschaft fordert auch, Dual-Studierende in den Tarifvertrag aufzunehmen.

    In einigen Unternehmen ist mit der Corona-Krise das Auftragsvolumen deutlich reduziert. Kerners Devise: „Nicht Personal, sondern Stunden abbauen.“ Die Betroffenen bräuchten dafür einen Teilentgeltausgleich, damit sie sich weniger Arbeit auch leisten können, sagte Kerner. Die IG Metall will einen Abschluss vor Ostern und setzt die Arbeitgeber unter Druck: „Entweder im Guten vor Ostern oder die nächste Zuspitzung nach Ostern“, sagte Kerner und nahm die Arbeitgeber in die Pflicht. „An der Börse haben wir Partystimmung, Konzerne zahlen Dividenden aus und zu uns sagen sie, es sei kein Geld da für eine Lohnerhöhung.“

    Ostdeutsche Arbeiter müssen länger Arbeiten - bei gleicher Bezahlung

    Auch ein seit langem bestehendes Problem will die Gewerkschaft lösen: Ostdeutsche Arbeiter in der Metallindustrie fühlen sich als Kollegen zweiter Klasse, weil sie 38 Stunden, also drei mehr als im Westen, arbeiten müssen – fürs gleiche Geld, warnt die Gewerkschaft. Die IG Metall will diese Ungleichheit in der laufenden Tarifrunde beseitigen. „Drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung muss diese Ungerechtigkeit verschwinden“, fordert die IG-Metall-Chefin von Berlin und Brandenburg, Birgit Dietze.

    Die Corona-Krise überschattet allerdings die laufende Tarifrunde. Die Arbeitgeber sehen keinen Spielraum für Zugeständnisse an dieser Stelle. „Die Arbeitszeitangleichung ist kein Thema“, erklärt der Branchenverband Gesamtmetall und dreht den Spieß um. Was die IG Metall bekommen könne, sei die 38-Stunden-Woche im Westen.

    Die IG-Metall-Gewerkschaft will, dass die 35-Stunden-Woche endlich auch in Ostdeutschland gilt – nicht nur im Westen.
    Die IG-Metall-Gewerkschaft will, dass die 35-Stunden-Woche endlich auch in Ostdeutschland gilt – nicht nur im Westen. Foto: Jan Woitas, dpa

    Die Gewerkschaft hofft, mit einer Mischung aus Entgegenkommen und Drohen ihr Ziel trotz des harschen Widerstandes zu erreichen. Ein Kompromissangebot könnte sein: Die gleiche Arbeitszeit soll nicht sofort, sondern stufenweise über einige Jahre erreicht werden. Die IG Metall kann auch damit leben, dass die Ostdeutschen weiter 38 Stunden arbeiten, wenn sie dafür mehr Geld bekommen. „Wir gehen in den Häuserkampf und fechten das Betrieb für Betrieb durch“, kündigt Birgit Dietze an, sollten sich die Arbeitgeber nicht bewegen.

    Ungleiche Arbeitsverträge für Arbeitnehmer bei Thales-Standort in Berlin

    Welche Blüten die immer noch bestehende Ost-West-Teilung treibt, ist in Berlin zu erfahren. Der französische Rüstungs- und Bahntechnikkonzern Thales zog 2014 von Tempelhof in West-Berlin nach Mitte, das früher zur DDR gehörte. Die Mitarbeiter, die an Bord waren, durften den West-Tarifvertrag behalten und arbeiten weiter 35 Stunden. Kollegen, die später dazugestoßen sind, werden nach dem Ost-Vertrag angestellt und müssen drei Stunden pro Woche länger arbeiten.

    Derzeit sind bei Thales in Berlin fast alle der 250 Mitarbeiter im Homeoffice. Das geht, weil in der Hauptstadt hauptsächlich Entwickler und Ingenieure arbeiten. Ob ihre Schreibtische im Osten oder Westen der Hauptstadt stehen oder sonst wo auf der Welt, spielt für Arbeitszeit und umgerechnet für den Stundenlohn keine Rolle.

    Wie es im Tarifstreit weitergehen wird, ist ungewiss. Weitere Warnstreiks sind möglich. Vor zwei Jahren wurde bereits intensiv über gleiche Arbeitszeiten verhandelt, letztlich stieg die IG Metall aus. Sie begründete damals den Schritt mit zu weitreichenden Aufweichungen des Tarifwerkes an anderen Stellen. Die Gewerkschaft hat im ersten Corona-Jahr wegen der undurchsichtigen wirtschaftlichen Lage von Forderungen abgesehen. Es scheint nicht, als würden die Arbeitgebervertreter dieses Entgegenkommen nun würdigen.

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