Clemens Fuest ist derzeit einer der gefragtesten Männer in der deutschen Wirtschaftswelt. Unternehmer, Politiker, Beschäftigte und Kapitalanleger wollen vom Präsidenten des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung wissen: Geht es weiter bergab? Rutscht Deutschland in eine Rezession?
Ehe der Wissenschaftler am Freitag den neuesten Ifo-Geschäftsklimaindex kommentiert, sprach er am Donnerstag in Augsburg beim Konjunkturgespräch von Universität und Industrie- und Handelskammer Klartext: „Wir sind von einer Boom-Situation in ein Abschwungszenario gerutscht.“ Dann kam er auf das mit Spannung erwartete „R“-Wort, eben die Gretchenfrage, ob Deutschland in eine Rezession abdriftet oder nicht, zu sprechen: „Wir nähern uns einem Rezessionsszenario, sind aber noch nicht in einem Rezessionsszenario.“
Fuest nimmt also das gefürchtete „R“-Wort bislang nicht in den Mund. Aber er schaut zunehmend skeptischer in die konjunkturelle Zukunft Deutschlands und spricht von „einer globalen Eintrübung der Konjunktur“. Dabei rühre der Einbruch in Deutschland aus der Export-Industrie. „Jetzt rumpelt es doch ein bisschen“, stellte Fuest fest. So hätten die Ifo-Konjunktur-Ampeln auf Rot geschaltet. Der konjunkturelle Einbruch hat sich bereits 2018 immer deutlicher abgezeichnet. Während sich die deutsche Wirtschaft im März vergangenen Jahres noch in Bestform präsentierte, ging es seitdem nach Beobachtung von Fuest „nur noch nach unten“. Der Ökonom sagt das alles ruhig und sachlich. Er weiß, dass skeptische Prognosen eher dazu geneigt sind, „die Stimmung zu verderben“. Doch der Ifo-Boss ist überzeugt: „Ich habe die Verpflichtung, das zu melden, was gemessen wurde.“ Konjunktur sei eben kein Wunschkonzert.
IHK wünscht sich mehr Optimismus
Das mit dem Konzert sieht Schwabens IHK-Präsident Andreas Kopton ein wenig anders. Bekanntlich neigt der Umwelt-Unternehmer zum Optimismus. Für ihn sei Stimmung, sagte er auch an die Adresse Fuests, einer der Hauptfaktoren für Konjunktur. Dabei wagte Kopton einen interessanten Vergleich: Auf dem Oktoberfest steige die Stimmung dann an, wenn die Musik, also die Kapellen, loslegen. Wenn deren Klänge verstummen, lasse eben auch die Stimmung spürbar nach. So rief der IHK-Chef Unternehmern und Ökonomen zu: „Seien Sie optimistisch. Lassen Sie die Musik laufen.“ Fuest ging auf den wirtschaftspsychologisch-musikalischen Vergleich nicht direkt ein.
Er zeigte lieber eine Grafik, die zeigt, wie die Konjunktur nach einer langen sehr guten Phase, für welche die Farbe Blau steht, zunehmend rötlich, also rückläufig eingefärbt wird. Noch, machte der Ifo-Chef aber auch klar, sei die Lage ordentlich. Trotzdem haben die Ifo-Experten nach Ermittlung ihres Konjunktur-Indikators im Januar die Luft angehalten.
Was Fuest rät, um das Wirtschaftswachstum stabil zu halten
Kein Wunder: Der bekannte Geschäftsklima-Index war von 101,0 Punkten im Dezember 2018 auf einen Wert von 99,1 im Januar 2019 gefallen. Was die Wissenschaftler zusammenzucken ließ: Das ist der niedrigste Wert seit Februar 2016. Dabei haben sich die Erwartungen der befragten Unternehmer massiv verschlechtert. Erstmals seit Dezember 2012 sind sie leicht pessimistisch gestimmt. Selbst das so lange boomende Bauhauptgewerbe erlebte einen deutlichen Dämpfer. Doch noch rechnet das Ifo-Institut für 2019 mit einem Wachstum von 1,1 nach einem Zuwachs von 1,4 Prozent im Vorjahr.
Mit Prognosen ist das aber so eine Sache. Das gesteht Fuest ein: „Kein Mensch auf der Welt weiß, wie die Konjunktur läuft. Wir kennen die Zukunft nicht.“ Das Jahr 2018 hat wieder gezeigt, wie schwer das auf Annahmen beruhende Geschäft der Konjunkturforscher ist. Denn die Ifo-Spezialisten hatten im März 2018 noch mit einem Wachstum von 2,6 Prozent für das Jahr gerechnet. Zur Ehrenrettung der Ökonomen muss man sagen: Im Frühjahr 2018 war die Euphorie allseits groß. Vor allem die Gefahr eines harten Brexits und die Zoll-Tiraden Trumps drückten dann aber auf die Stimmung.
Was rät Fuest nun, um weiterem wirtschaftlichen Abschwung entgegenzuwirken? Neben einem geordneten Brexit hofft er auf eine Entspannung an der Zoll-Front. Doch beide Themen kann die Bundesregierung nur bedingt beeinflussen. Deswegen empfiehlt der Ifo-Chef den Politikern, die Bürger steuerlich zu entlasten und den Solidaritätszuschlag abzuschaffen.