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Volkswagen: Rückruf nach Abgas-Skandal: Was passiert jetzt mit meinem Auto?

Volkswagen

Rückruf nach Abgas-Skandal: Was passiert jetzt mit meinem Auto?

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    Allein in Deutschland muss VW 2,4 Millionen Autos mit Dieselmotor zurückrufen.
    Allein in Deutschland muss VW 2,4 Millionen Autos mit Dieselmotor zurückrufen. Foto: Julian Stratenschulte (dpa)

    Der Autobauer VW kämpft mit den Folgen des Skandals um Manipulationssoftware in der Steuerungselektronik von Dieselfahrzeugen. In Deutschland ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) am Donnerstag den Zwangsrückruf von 2,4 Millionen Pkw in die Werkstätten an. Sie sollen nachgebessert werden.

    Worum geht es bei dem Skandal im Grundsatz überhaupt?

    Volkswagen hat bei den Dieselmotoren einer bestimmten Baureihe (EA 189) eine Software aufgespielt, um die Abgasreinigungssysteme der betroffenen Modelle bei Testläufen anders zu kalibrieren als im Alltagsverkehr. Davon betroffen sind verschiedene Motorvarianten und Autotypen von VW und anderen Konzernmarken wie Audi und Skoda, die sich in den technischen Gegebenheiten je nach Ausstattung und Verkaufsland unter anderem aufgrund unterschiedlicher Abgasnormen unterscheiden. In Deutschland sind laut KBA jene 2,4 Millionen Fahrzeuge betroffen, die der Wolfsburger Autobauer zurückrufen muss.

    Was bewirkt die Manipulationssoftware?

    Die Zusammenhänge sind bislang nur in groben Zügen bekannt. Die Software war demnach offensichtlich in der Lage, am Verhalten eines Fahrzeugs zu erkennen, wenn es gerade einem behördlichen Abgastest auf einem speziellen Fahrstand unterwegs war. Die elektronische Motor- und Fahrzeugsteuerung schalteten dann in einen Zustand, in dem nur vergleichsweise wenig schädliche Stickoxide erzeugt wurden. Auf diese Weise täuschte der Motor Abgaswerte vor, die er sonst nicht erreichte.

    In anderen Fahrsituationen griff die Software laut VW nicht ein. Das KBA stuft das Programm nach Angaben von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) als "unzulässige Abschaltvorrichtung" ein. Am Donnerstag wurde bestätigt, dass die Software nach Erkenntnis der KBA-Experten auch bei sogenannten Rolltests von Pkw in Deutschland aktiv war, nicht nur bei US-Tests.

    Chronologie der Abgasaffäre bei VW und Audi

    VW steckt tief in der Krise. Der Abgas-Skandal hat Konzernchef Martin Winterkorn den Job gekostet - nun müssen sein Nachfolger Matthias Müller und der neue Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch die Affäre aufklären.

    3. September 2015: Volkswagen räumt gegenüber der US-Umweltbehörde EPA Manipulationen bei Abgastests ein.

    18. September 2015: Die EPA teilt mit, VW habe eine Software eingesetzt, um Test-Messungen des Schadstoffausstoßes künstlich zu drücken.

    22. September 2015: Der Konzern gibt eine Gewinnwarnung heraus und kündigt Milliarden-Rückstellungen an. VW-Chef Martin Winterkorn bittet um Entschuldigung.

    23. September 2015: Rücktritt Winterkorns. «Vor allem bin ich fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen-Konzern möglich waren», erklärt er seinen Schritt.

    25. September 2015: Der VW-Aufsichtsrat tagt. Nach langer Sitzung beruft das Gremium Porsche-Chef Matthias Müller zum neuen Konzernchef und trifft einige weitere Personal- und Strukturentscheidungen.

    28. September 2015: Nach mehreren Strafanzeigen startet die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugsvorwürfen.

    29. September 2015: Volkswagen legt einen Aktionsplan zur Nachbesserung von Dieselwagen mit manipulierter Software vor und will fünf Millionen Fahrzeuge der Kernmarke VW in die Werkstätten holen.

    1. Oktober 2015: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig rudert zurück: Entgegen früheren Angaben führt sie kein formelles Verfahren gegen Winterkorn. Neuer VW-Finanzchef wird nach dem Wechsel von Hans Dieter Pötsch in den Aufsichtsrat der Leiter der Finanzsparte, Frank Witter.

    2. Oktober 2015: Auf speziellen Internetseiten können Kunden von VW und Audi prüfen, ob ihr Wagen die Manipulations-Software verwendet.

    4. Oktober 2015: Laut «Bild am Sonntag» sollen VW-Ingenieure der internen Revision gesagt haben, sie hätten 2008 die Software installiert.

    6. Oktober 2015: Betriebsratschef Bernd Osterloh und Müller sprechen bei einer Betriebsversammlung in Wolfsburg zur Belegschaft. Osterloh betont, bisher gebe es noch keine Konsequenzen für Jobs - laut Müller stellt die Abgas-Affäre aber bereits geplante Investitionen infrage.

    7. Oktober 2015: Erneutes Krisentreffen der VW-Aufseher, Pötsch wird an die Spitze des Kontrollgremiums gewählt. Nach Aussage Müllers in einem «FAZ»-Interview kann der Auto-Rückruf im Januar 2016 beginnen.

    8. Oktober 2015: Razzia bei Volkswagen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ordnet Durchsuchungen in Wolfsburg und an anderen Orten an. VW-US-Chef Michael Horn muss dem US-Kongress Rede und Antwort stehen.

    9. Oktober 2015: US-Bundesstaat Texas verklagt Volkswagen. VW habe seine Kunden über Jahre hinweg vorsätzlich getäuscht, sagt ein texanischer Staatsanwalt.

    15. Oktober 2015: Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) lehnt die von Volkswagen angebotene freiwillige Reparatur ab. Rund 2,4 Millionen betroffene Fahrzeuge von VW werden zurückgerufen.

    2. November 2015: Auch Porsche und Audi geraten unter Verdacht. Die US-Umweltbehörde prüft die von Audi gebauten und von Porsche verwendeten Dreiliter-Dieselaggregate.

    4. November 2015: VW, Porsche und Audi stoppen in den USA den Verkauf von Fahrzeugen, die mit der umstrittenen Dreiliter-Dieselmaschine ausgerüstet sind.

    12. November 2015: Martin Winterkorn gibt Vorsitz bei Audi auf. Nach dem Rückzug von VW und Porsche legt Winterkorn auch sein Amt bei Audi nieder.

    5. Januar 2016: Die US-Regierung reicht im Abgas-Skandal Klage gegen Volkswagen ein. Das Justizministerium wirft dem Konzern vor, Betrugssoftware eingesetzt und gegen das Luftreinhaltegesetz "Clean Air Act" verstoßen zu haben.

    27. Januar 2016: VW beginnt mit dem Rückruf der betroffenen Fahrzeuge. Zunächst ist der Pick-up Amarok dran. Danach folgen die Passat-Modelle.

    15. März 2016: Knapp 300 Großaktionäre verklagen VW auf Schadensersatz in Höhe von rund drei Milliarden Euro.

    22. April 2016: VW muss den höchsten Verlust in der Geschichte des Unternehmens bekannt geben.

    28. Juni 2016: Entschädigungen in Rekordhöhe: 15 Milliarden Dollar kostet der Abgasskandal VW in den USA allein an Strafen an die Umweltbehörden und Entschädigungen an Autofahrer.

    7. September 2016: Auch der Autozieferer Bosch gerät immer mehr in Kritik. Ohne das Stuttgarter Unternehmen habe Volkswagen die Software nicht anpassen können, berichten Medien.

    23. September 2016: Neue Vorwürfe aus den USA belasten VW-Tochter Audi schwer. Bisher bestritt Audi stets manipuliert zu haben.

    22. November 2016: VW will weltweit 30.000 Jobs abbauen. Allein in Deutschland sollen bis zu 23.000 Jobs wegfallen.

    15. Dezember 2016: Sigmar Gabriel (SPD), Peter Altmaier (CDU) und Barbara Hendricks (SPD) sagen im U-Ausschuss aus, sie hätten erst nach Aufdeckung des Skandals 2015 von verbotenen Praktiken erfahren.

    20. Dezember 2016: Nächste Vergleichszahlung: VW und Audi sollen in Kanada bis zu 1,5 Milliarden Euro an Autokäufer zahlen.

    9. Januar 2017: Amerikanisches FBI nimmt einen VW-Manager wegen des Dieselskandals fest.

    11. Januar 2017: VW und das US-Justizministerium einigen sich zu einem Vergleich. VW muss wegen rund 4,3 Milliarden Dollar zahlen.

    19. Januar 2017: Martin Winterkorn wird im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Diesel-Skandal befragt. Der damalige Vorstandsvorsitzende des VW-Konzerns betont erneut, "nicht frühzeitig und eindeutig über die Messprobleme aufgeklärt" worden zu sein.

    27. Januar 2017: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt jetzt auch gegen den früheren VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn wegen des Verdachts auf Betrug.

    3. Februar 2017: Ferdinand Piëch, der frühere VW-Aufsichtsratschef, belastet Martin Winterkorn. Demnach soll Winterkorn doch schon früher als von ihm eingeräumt vom Abgasbetrug erfahren haben.

    18. Februar 2017: Interne Dokumente belasten Audi-Chef Rupert Stadler. Er soll schon 2007 von der Schummelei zu den Abgaswerten gewusst haben.

    8. März 2017: Kanzlerin Angela Merkel sagt als letzte Zeugin vor dem Untersuchungsausschuss zur Abgasaffäre aus. Sie will von der Affäre erst durch die Medien erfahren haben.

    15. März 2017: Razzia bei Audi: Kurz vor Beginn der Jahrespressekonferenz durchsuchen Fahnder die Konzernzentrale in Ingolstadt.

    Welche Modelle sind betroffen?

    Zu der fraglichen Motorenbaureihe gehören diverse Modelle mit einem Hubraum von 1,2 Litern, 1,6 Litern sowie zwei Litern. Über die sonstigen Spezifikationen ist nichts bekannt.

    Hinsichtlich der Abgasreinigung gibt es bei Dieseln generell zwei Varianten. Möglich ist der Einbau von sogenannten SCR-Katalysatoren, bei denen ein gesondertes System über eine Düse Harnstoff in den Abgasstrang einspritzt. Daneben gibt es die sogenannten Speicherkatalysatoren, an denen sich die Stickoxide chemisch anlagern wie an einer Art Schwamm.

    Was muss VW jetzt tun?

    Nach Angaben von Dobrindt muss VW die fragliche Software zunächst aus den Steuerungscomputern aller fraglichen Modelle entfernen. Aus Gründen der Funktionsfähigkeit wären keine Änderungen nötig. Die Frage ist allerdings, ob die Motoren auch im Routinebetrieb die von ihnen eigentlich versprochenen Stickoxid-Werte einhalten.

    Tun sie das nicht, sind ergänzende Nachbesserungen nötig. Dobrindt zufolge dürften bei den 1,2- und den Zwei-Liter-Motoren Software-Updates ausreichend. Nur bei dem 1,6-Liter-Motoren stehen zudem technische Nachrüstungen im Raum, da die Feinabstimmung über die Motorensteuerungs-Software offenbar nicht ausreicht.

    Welche Maßnahmen könnten konkret die Folge sein?

    Das hat bislang keiner der Beteiligten klar gesagt, womöglich müssen sie dies auch erst einmal selbst genauer analysieren. Die Einstellung des Leistungs- und Abgasprofils eines Motors ist eine hochkomplexe Angelegenheit, die verschiedensten Stellschrauben greifen dabei ineinander. Der neue VW-Chef Matthias Müller nannte kürzlich als weitere Varianten aber auch den Einbau neuer Einspritzdüsen oder Katalysatoren.

    Wann geht es los?

    Dobrindt zufolge wird die Rückrufaktion Anfang 2016 starten - wie von Müller gewünscht. Weitere Details des Zeitplans müssen in den nächsten Wochen noch geklärt werden. Es gilt wegen der Größe der logistischen Herausforderung als wahrscheinlich, dass der

    Sollten bei dem 1,6-Liter-Motor tatsächlich Eingriffe an der Hardware nötig sein, wird dies laut Dobrindt vermutlich erst ab September passieren. Vorher stünden die Teile nicht in erforderlicher Zahl zur Verfügung. afp

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