Im US-Sammelverfahren gegen Volkswagen kommt es am heutigen Dienstag zur möglicherweise letzten Anhörung, bevor sich entscheidet, ob der Konzern wegen des Diesel-Skandals einen Vergleich erzielt oder in einen Mammutprozess rutscht. Am Bezirksgericht Nordkalifornien sind Klagen von Kunden, Autohändlern und US-Behörden gebündelt. Unser Korrespondent fasst die Lage zusammen.
Worum geht es?
Die Kläger werfen VW vor, zusammen mit Audi, Porsche und dem Zulieferer Bosch US-Gesetze zum Emissionsschutz umgangen zu haben. Im September hatte VW weltweite Manipulationen bei Abgastests zugegeben. Der Konzern will eine Gerichtsverhandlung vermeiden und möglichst bald Klarheit über die zu erwartenden Kosten gewinnen. Bezirksrichter Charles Breyer hatte im April erste Strukturen skizziert, auf die sich die US-Umweltbehörde EPA, die Luftreinhaltungskommission des Staates Kalifornien, der kalifornische Generalstaatsanwalt und VW geeinigt haben. Darin waren aber unter anderem noch keine Beträge genannt.
Was können US-Kunden erwarten?
Insgesamt sind in den USA rund 600.000 Autos betroffen. Bis zum 21. April hatten sich die Parteien zunächst in Bezug auf 480.000 Wagen mit Zweilitermotoren geeinigt. Kunden sollen demnach wählen können: Entweder kauft VW die Autos zurück oder der Konzern rüstet sie um. Leasing-Kunden sollen den Vertrag kündigen und ihr Auto zurückgeben können. Die Einigung sehe auch eine „substanzielle Entschädigung“ für die Betroffenen vor, sagte Breyer. Er warnte aber, vor Verhandlungsabschluss durch Indiskretionen Verwirrung zu stiften. Die Welt hatte kurz vorher berichtet, US-Kunden sollten als Schadenersatz je 5000 Dollar erhalten.
Wurde schon über Umweltfragen gesprochen?
Dem Richter zufolge sieht der Deal einen Wiedergutmachungsfonds für den zusätzlichen Stickoxid-Ausstoß vor, den die manipulierten VW-Motoren bewirkt haben. Zusätzlich seien Beiträge in andere Fonds vorgesehen, „um grüne Autotechnologie zu fördern“. Im jüngsten Geschäftsbericht aus Wolfsburg sind für Umweltprojekte in den USA 1,8 Milliarden Euro einkalkuliert.
Welche Aspekte sind noch offen?
Bislang nicht öffentlich thematisiert wurden größere Motoren, Strafen sowie die Frage nach den Verantwortlichen. Theoretisch könnte allein die Luftverschmutzung in den USA mit bis zu 18 Milliarden Dollar geahndet werden. Der Clean Air Act erlaubt außerdem die Eröffnung eines Kriminalverfahrens und das Justizministerium ermittelt ungebrochen. Das Gesetz legt als Maximalgrenze das Doppelte des erschlichenen Gewinns oder des bei Verbrauchern entstandenen Schadens fest. Die Bundesstaaten und die Hauptstadt Washington können bei Verstößen gegen ihre Umweltregeln eigene Bußgelder einfordern.
Welche Rolle spielt die Schuldfrage?
Das Justizministerium legt seit einiger Zeit bei der Bewertung strafmildernder Kooperation größeren Wert auf die Benennung schuldiger Individuen. Die VW-Zentrale in Wolfsburg hat dazu noch keine überzeugenden Erkenntnisse präsentiert.
Was passiert, wenn die Einigung scheitert?
Richter Breyer hat den Parteien bis 21. Juni Zeit gegeben, sich zu einigen. Andernfalls droht noch diesen Sommer der Beginn eines Mammutprozesses. Statt um Vergleiche feilschen zu können, wäre der Konzern dann den Jurys des US-Justizsystems ausgeliefert – ein kaum kalkulierbares Schreckensszenario.