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Video-App: Wieso TikTok zum Opfer im Handelskrieg werden könnte

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Wieso TikTok zum Opfer im Handelskrieg werden könnte

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    TikTok, die derzeit beliebteste Handy-App der Welt, droht zum Opfer des Handelskonflikts zwischen den USA und China zu werden.
    TikTok, die derzeit beliebteste Handy-App der Welt, droht zum Opfer des Handelskonflikts zwischen den USA und China zu werden. Foto: Vitali Komar, dpa

    Kurze Tanzeinlagen, dadaistische Sketche oder putzige Katzen-Clips: Wer sich durch den schrillen Video-Kosmos von TikTok klickt, bekommt zumindest eine Ahnung davon, warum die chinesische App derzeit bei Jugendlichen die beliebteste Plattform überhaupt ist. Heiter geht es zu, schrill und Hauptsache niemals langweilig. Die analoge Welt erscheint dieser Tage dazu im krassen Kontrast: Die Corona-Pandemie stürzt die Weltwirtschaft in eine schwere Rezession, unterschwellige Konflikte zwischen Staaten treten offen zutage. Nun scheint TikTok von der Realität eingeholt zu werden.

    Nach einem Grenzstreit zwischen China und Indien, bei dem dutzende Soldaten gestorben sind, hat der indische Premier Narendra Modi die beliebtesten chinesischen Apps kurzerhand verboten – und TikTok um seinen größten Markt beraubt. Nun könnte mit den Vereinigten Staaten der zweitwichtigste Absatzmarkt folgen. Bei TikTok handelt es sich jedoch nicht nur um eine beliebige Online-Plattform, sondern die beliebteste App der Welt: Laut der Analysefirma App-Annie, die die Download-Zahlen sowohl für den Google Play-Store als auch Apples Appstore misst, wurde im ersten Jahresquartal 2020 keine App öfter heruntergeladen als TikTok. Die Konkurrenten aus dem Silicon Valley Whatsapp und Facebook folgen lediglich auf Platz zwei und drei.

    Pekings Parteizeitung Global Times spricht davon, dass TikTok „die chinesische Soft-Power repräsentiert“. Hinter dem Programm steht das Unternehmen ByteDance mit Sitz in Peking. Das 2012 gegründete Start-up gilt mit rund 100 Milliarden Dollar als wertvollstes seiner Art. Der Umsatz betrug allein letztes Jahr 17 Milliarden Dollar, Tendenz steigend. Überraschen sollte das nicht, schaffen doch die sich schnell hintereinander reihenden Kurzvideos die ideale Umgebung für Werbeschalten. Über den Gründer von ByteDance ist wenig bekannt: Zhang Yiming ist in der südchinesischen Provinz Fujian geboren, hat Informatik studiert und schafft es mit seinen 37 Jahren laut Forbes bereits in die Liste der zehn reichsten Chinesen. Vor seinem kometenhaften Aufstieg hat der schmächtige Unternehmer mit der Nerd-Brille jedoch auch einige Niederlagen einstecken müssen: Für kurze Zeit heuerte Zhang Ende der nuller Jahre bei Microsoft an, doch gab schon bald seinen Posten auf, da er sich durch die strenge Unternehmenskultur eingeengt fühlte.

    Trump führt auch einen persönlichen Rachefeldzug gegen TikTok

    Zhangs erstes Start-up scheiterte noch. Seine geradezu prophetische Meisterleistung bestand jedoch darin, schon früh die Abwanderung der Nutzer auf mobile Endgeräte vorherzusehen. Zudem erkannte er die Schlüsselrolle von Künstlicher Intelligenz bei der Auswahl nutzerrelevanter Inhalte. Warum Donald Trump nun gegen das erste, wirklich globale Unternehmen aus China vorgeht, darüber hat der US-Präsident sich widersprüchlich geäußert. Fakt ist: Im Kongress wurden bereits Gesetzentwürfe gebilligt, die es Regierungsmitarbeitern verbieten, TikTok auf ihren Handys zu nutzen. Der Stabschef des Weißen Hauses sprach zudem davon, dass weitere Maßnahmen in „Wochen, nicht Monaten“ folgen werden.

    Washington befürchtet, dass ByteDance die Nutzerdaten an die chinesische Regierung weiterleiten könne. Zudem steige die Gefahr, dass sich durch die beliebte App chinesische Propaganda und Missinformation ausbreiteten. Tatsächlich scheint Donald Trump wohl auch einen persönlichen Rachefeldzug zu führen: Als der US-Präsident in Oklahoma eine viel beachtete Wahlkampfrede hielt, blieben die Ränge in der Veranstaltungshalle überraschend leer. Tausende TikTok-Nutzer, vorwiegend K-Pop-Fans, haben sich über die App untereinander mobilisiert, massenweise Tickets zu ordern, ohne jedoch tatsächlich kommen zu wollen. Trump hat infolgedessen auf Facebook Werbungen geschaltet, die behaupten: „TikTok wurde auf frischer Hand dabei ertappt, auszuspionieren, was sich auf der Zwischenablage deines Smartphones befindet.“

    TikTok gibt sich einen internationalen Anstrich

    Dass dies bei vielen US-Apps ebenfalls der Fall war, wird verschwiegen. In Interviews hat der US-Präsident keinen Hehl daraus gemacht, ein mögliches Verbot von TikTok als taktische Wirtschaftssanktion zu benutzen: „Es ist ein großes Unternehmen. Schauen Sie, was mit China mit diesem Virus geschehen ist, was sie diesem Land und der ganzen Welt angetan haben, ist eine Schande.“ TikTok bemüht sich als Reaktion darauf, ein internationales Image zu verpassen, das potenzielle Verbindungen zur Kommunistischen Partei Chinas vergessen machen soll: So wurde der ehemalige Disney-Vorstand Kevin Mayer  als neuer CEO rekrutiert und eine ganze Reihe von PR-Lobbyisten angeheuert. Letztendlich kommt TikTok aus dem Dilemma aber nicht heraus: Sollte die chinesische Regierung tatsächlich Informationen von dem erfolgreichen Start-up anfordern, gäbe es praktisch keine rechtliche Grundlage, dagegen vorzugehen. Gleichzeitig ist es irreführend, die App als Trojaner darzustellen: Laut Sicherheitsexperten kann TikTok weder willkürliche E-Mails noch Chats auf dem Smartphone mitlesen.

    Den langen Atem Pekings hat ByteDance-Gründer Zhang Yiming in der Vergangenheit bereits zu spüren bekommen: Seine erste Nachrichten-App wurde 2018 von den chinesischen Behörden verboten. Zhang gab in einer öffentlichen Entschuldigung zu, die App „sei nicht mit den sozialistischen Grundwerten vereinbar“. Ebenfalls gelobte er, die Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei „weiter vertiefen“ zu wollen – eine Aussage, die ihm wohl noch länger nachhängen wird.

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