Wenn man dieser Tage durch die Straßen Londons streift, scheint der Winter noch in weiter Ferne. Ungewöhnlich für die britische Insel liegen die Temperaturen bei spätsommerlichen 25 Grad. Dennoch machen sich die Menschen im Vereinigten Königreich schon jetzt Sorgen um Weihnachten. Nicht nur wegen der Corona-Pandemie, sondern auch wegen der aktuellen Probleme bei der Versorgung mit Lebensmitteln.
Denn insbesondere aufgrund des massiven Mangels an Lkw-Fahrern als Folge der Pandemie und durch neue Visa-Regelungen im Zusammenhang mit dem zum Jahreswechsel vollzogenen Brexit brauchen Waren oft viel länger, um auf die Insel geliefert zu werden – oder aber sie kommen überhaupt nicht an. Statistiken zufolge hat knapp die Hälfte aller Britinnen und Briten bereits begonnen, Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Nach dem Motto: Was man hat, hat man.
Wofür CO2 in Großbritannien gebraucht wird
Nun gibt es allerdings noch ein weiteres Problem: Aufgrund gestiegener Gaspreise im Königreich mussten die zwei größten Hersteller von Düngemitteln auf der Insel ihre Produktion einstellen. Was zunächst nicht allzu dramatisch klingt, hat allerdings weitreichende Folgen für die ganze Gesellschaft. Denn diese beiden Unternehmen sind gleichzeitig die wichtigsten Produzenten einer chemischen Verbindung, die vor allem dafür bekannt ist, dem Klima zu schaden: Die Rede ist von CO2.
Trotz seines schlechten Rufes spielt industriell hergestelltes CO2 in der Lebensmittelproduktion eine wichtige Rolle. So wird es beispielsweise benötigt, um Fleisch haltbar zu machen, aber man braucht es auch zur Produktion von kohlensäurehaltigen Getränken. Darüber hinaus wird es als Kühlmittel eingesetzt und spielt deshalb auch für die Corona-Impfkampagne eine wichtige Rolle. Das Problem ist allerdings: Man kann CO2 nicht lange lagern.
Die Lage auf der Insel spitzte sich in kürzester Zeit zu
Dementsprechend spitzte sich die Lage in Großbritannien innerhalb von kürzester Zeit zu. Nur noch zwei Tage würden die Vorräte an Kohlenstoffdioxid reichen, warnten Vertreter der britischen Lebensmittelindustrie zu Beginn dieser Woche. Die Folge: Die Menschen strömten in die Geschäfte. Die Auswahl in den Supermärkten wurde kleiner und kleiner, manche Regale blieben am Ende sogar leer. Nicht nur bei Mineralwasser, Cola oder Fanta. Sondern auch beim Fleisch. Etliche Verbraucher haben sich den Braten zum Fest schon gesichert – und zu Hause eingefroren.
Die Menschen sind verärgert, die Regierung steht unter Druck – und so verkündete George Eustice, Minister für Umwelt, Ernährung und Landwirtschaft, am Mittwoch, dass man mehrere Millionen Pfund in die Hand nehmen werde, um die beiden düngemittelherstellenden Unternehmen wieder in Betrieb nehmen zu können. Während diese Finanzspritze die Steuerzahler belasten wird, sind die Bauern im Land sichtlich erleichtert: „Ich bin wirklich sehr froh, dass da nun etwas passiert“, sagte Furgos Howie, ein Farmer aus Essex, einer Grafschaft nordöstlich von London. Denn ohne die Unterstützung durch den Staat wäre sein Fleisch wohl schlecht geworden, weil er es nicht mehr hätte kühlen können.
Was bleibt, sind die hohen Gaspreise. Verbraucher müssen damit rechnen, dass ihre Energiekosten pro Haushalt im Schnitt jährlich um umgerechnet mindestens 158 Euro steigen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Der letzte Winter war sehr kalt, deshalb ist die Nachfrage nach Gas weltweit gestiegen. Außerdem wurde zuletzt im „Flautesommer“ in Großbritannien weniger Windkraft produziert. Die Lage wird dadurch verschärft, dass, anders als etwa in Deutschland, die meisten Menschen Gas zum Kochen und zum Heizen nutzen.
Jonathan Brearley, Leiter der Behörde für den Gas- und Elektrizitätsmarkt, räumte ein, dass in den nächsten Monaten wohl weitere energieliefernde Unternehmen schließen werden. Angst, dass in Großbritannien die Lichter ausgehen, müssten Verbraucher aber nicht haben, betonte der britische Energieminister Kwasi Kwarteng: „Es wird keine Drei-Tage-Woche geben und auch keinen Rückfall in die 70er Jahre.“