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Verlags-Insolvenz: Das Ringen um die Weltbild-Rettung

Verlags-Insolvenz

Das Ringen um die Weltbild-Rettung

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    Um die Rettung der insolventen Augsburger Verlagsgruppe Weltbild wird seit Tagen intensiv gekämpft, und das auf allen Ebenen. Seitens des Insolvenzverwalters, der nach Investoren sucht. Seitens der Gewerkschaft Verdi, die sich gestern mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Unternehmens, dem Generalvikar des Erzbistums München und Freising, treffen wollte. Oder seitens der Beschäftigten, die sich gegen den Verlust ihrer Arbeitsplätze stemmen und bald demonstrieren werden. Und nicht zuletzt seitens der katholischen Kirche.

    Ruf der Kirche leidet unter der Weltbild-Pleite

    Aus Sicht der deutschen Bischöfe geht es dabei – neben dem Schicksal der rund 6300 Mitarbeiter – vor allem um den Ruf der Kirche. Der hat enorm unter der Unternehmenspleite gelitten. Das wissen die 27 Ortsbischöfe, die direkt als Gesellschafter oder indirekt über den Verband der Diözesen Deutschlands die Verlagsgruppe besitzen. Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa hat deshalb in einem Brief vom 23. Januar an seine Mitbrüder für ein gemeinsames Engagement zur Weltbild-Rettung geworben.

    Zdarsa will Weltbild retten

    Der Niedergang von Weltbild

    Mit Pornoliteratur fing vor knapp zweieinhalb Jahren der Niedergang des Weltbild-Verlages an.

    Dass ausgerechnet ein von der katholischen Kirche getragenes Medienunternehmen Geld mit Erotikangeboten oder Esoterikbüchern macht, sorgte für Schlagzeilen und stürzte die Augsburger Verlagsgruppe in die Krise.

    Seitdem hat sich Weltbild nicht mehr erholt. Der Insolvenzantrag ist der vorläufige traurige Höhepunkt der Entwicklung bei dem Konzern mit mehr als 6000 Beschäftigten und etwa eineinhalb Milliarden Euro Umsatz.

    Als im Oktober 2011 das Erotikangebot bei Weltbild bekannt wurde, trat zunächst der von der Kirche entsandte Aufsichtsratsvorsitzende zurück. Dann preschte der Kölner Kardinal Joachim Meisner vor und verlangte eine Trennung von Weltbild.

    Seitdem wurde breit darüber diskutiert, wie sich die Diözesen von Weltbild trennen können. Eine Stiftung war im Gespräch, eine Lösung gab es nicht. Die Beschäftigten appellierten dabei immer wieder an die soziale Verantwortung der Bischöfe.

    Doch nicht nur der Wirbel um Buchtitel wie "Zur Sünde verführt" oder "Das neue Kamasutra" setzte dem Unternehmen zu. Im Wettbewerb mit Online-Gigant Amazon hatten es die Augsburger zunehmend schwer mit ihrem eher klassischen Katalog-Versandhandel.

    Seinen stationären Buchhandel hatte Weltbild im Jahr 2007 mit der Familie Hugendubel zusammengelegt. Das damals gegründete Gemeinschaftsunternehmen betreibt seitdem die Filialen unter etlichen Markennamen wie "Hugendubel", "Weltbild plus", "Jokers" sowie die Karstadt-Buchabteilungen.

    Dass die angeschlagene Verlagsgruppe zuletzt ihre zweiköpfige Geschäftsführung extra um den Sanierungsexperten Josef Schultheis erweiterte, konnte Weltbild nicht mehr retten. Er sollte den Umbau des Hauses in Richtung digitalem Handel beschleunigen.

    Möglicherweise kam dieser Schritt zu spät: Obwohl Weltbild im Weihnachtsgeschäft sogar etwas über dem Plan lag, musste das Unternehmen im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres (30. Juni) Einbußen bei Umsatz und Ergebnis verbuchen.

    "Das auch für die nächsten drei Jahre erwartete geringere Umsatzniveau verdoppelt den Finanzierungsbedarf bis zur Sanierung", begründete das Unternehmen den Insolvenzantrag.

    Die Gewerkschaft Verdi warf der Kirche umgehend vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

    Erst im Oktober wurde bekannt, dass Weltbild in Augsburg ihren Kundendienst auslagern will - 140 Mitarbeiter sind davon betroffen. Doch weitere konkrete Zahlen und detaillierte Planungen zur Sanierung waren seit jeher von Weltbild kaum zu erfahren. Denn was Transparenz anging, operierte das Unternehmen ähnlich verschwiegen wie der große Konkurrent Amazon.

    In eindringlichen Worten appellierte Zdarsa, dass die Sache keinen Aufschub dulde. „Es steht zu erwarten, dass der ,Fall Weltbild‘ ohne flexibles und solidarisches Verhalten der Kirche an öffentlicher Brisanz weiter zunimmt.“ Es sei ihm ein Anliegen, „höchstmöglich dazu beizutragen, das entstandene Bild der Kirche in der öffentlichen Wahrnehmung nicht weiter Schaden nehmen zu lassen“. Der Brief liegt der Katholischen Nachrichtenagentur vor. Den Bischöfen wird von der Belegschaft vorgeworfen, Weltbild „bewusst in die Insolvenz getrieben“ zu haben und damit „asozial“ – so Verdi – gehandelt zu haben. Der Weltbild-Aufsichtsratsvorsitzende Peter Beer hatte derartige Vorwürfe im Gespräch mit unserer Zeitung zurückgewiesen.

    Bischöfe sollen in Würzburg beraten

    Das Unternehmen Weltbild

    Zahlen und Fakten zur Augsburger Weltbild-Gruppe:

    Weltbild beschäftigte einst insgesamt rund 6800 Mitarbeiter, davon 2200 am Standort Augsburg.

    Weltbild gehörte den zwölf katholischen Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge Berlin.

    Weltbild startete 1948 als Winfried-Werk in Augsburg. Der Verlag gab katholische Zeitschriften heraus. Als zusätzlichen Service gab es einen Bücherdienst.

    In den 1980er Jahren blühte das Unternehmen auf, es kaufte Verlage und Zeitschriften dazu. 1994 eröffnete man die ersten Filialen.

    Seit 1997 gibt es den Onlinehandel. Während das Buchgeschäft floriert, kränkelte das Zeitschriftengeschäft. 2008 stieß Weltbild den kompletten Bereich ab.

    Unter dem Dach der Holding DBH waren die Buchhandlungen Hugendubel, Weltbild und Jokers gebündelt. Zum Konzern gehörten auch die Vertriebsmarken Weltbild, Jokers, Kidoh und buecher.de.

    2012 verkündete die Verlagsgruppe 1,59 Milliarden Euro Umsatz.

    In den vergangenen Jahren geriet das Unternehmen unter Druck - die Konkurrenz von Amazon und anderen machte Weltbild zu schaffen.

    Im Januar 2014 meldete Weltbild Insolvenz an.

    In den folgenden Monaten bekamen hunderte Beschäftigte die Kündigung ausgesprochen.

    Im Mai kündigte Investor Paragon an, Weltbild zu übernehmen.

    Wenig später stieg Paragon wieder aus. Anfang August übernahm dann die Beratungs- und Investmentgruppe Droege die Mehrheit an Weltbild.

    Der Online-Medienhändler bücher.de gehört ab August 2014 vollständig zur Weltbild-Gruppe.

    September 2014: Nach der Mehrheitsübernahme durch den Düsseldorfer Investor Droege gibt es eine neue Geschäftsführung: Gerd Robertz, Patrick Hofmann und Sikko Böhm.

    Nach nur sieben Wochen tritt Gerd Robertz ab und widmet sich wieder nur dem Onlinegeschäft bücher.de.

    Im November kündigt die Geschäftsführung von Weltbild an, in der Verwaltung rund 200 Arbeitsplätze zu streichen.

    2015: Weltbild verkauft 67 Filialen an die kleine Kette "Lesenswert".

    Juli 2015: Rund ein halbes Jahr nach der Übernahme der 67 Filialen ist der Käufer pleite.

    Juli 2015: Knapp ein Jahr nach der Übernahme des Weltbild-Konzerns durch den Düsseldorfer Investor Droege muss der Logistikbereich von Weltbild erneut Insolvenz anmelden.

    Am Montag nun werden sich nach Informationen unserer Zeitung die Bischöfe mit Weltbild beschäftigen – beim Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz in Würzburg. Es dürften schwierige Gespräche in einem angespannten Umfeld werden. Verdi-Sekretär Thomas Gürlebeck kündigte an, dass etwa 100 Gewerkschafts- und Betriebsratsmitglieder sowie Mitarbeiter nach

    Kirchenintern bestehen seit Jahren höchst unterschiedliche Ansichten über den Umgang mit der Augsburger Verlagsgruppe. Die Uneinigkeit zeigte sich deutlich im Herbst 2013, als es um Finanzhilfen zur Weltbild-Sanierung ging. Die letztlich für eine Restrukturierung zugesagten 65 Millionen Euro kamen nach langwierigen Verhandlungen in den Bistümern zustande. Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke erklärte etwa, die Mitglieder seines Diözesan-Steuerausschusses hätten erst „nach sehr kontroverser Diskussion“ drei Millionen Euro für Weltbild bewilligt.

    Der Diözesanrat der Diözese Rottenburg-Stuttgart lehnte einen Antrag der Kirchenleitung ab, 2,5 Millionen Euro freizugeben. „Bisher wurde kein neues Hilfsersuchen an die Diözese herangetragen“, sagte Pressesprecher Uwe Renz gestern auf Anfrage unserer Zeitung.

    Bayerische Bistümer sind Mehrheitseigner

    Vor diesem Hintergrund werden die Bischöfe am Montag diskutieren, in welchem Maße sich die Bistümer an der Weltbild-Rettung beteiligen sollen – und ob sich die Hilfen im bisher zugesagten Rahmen von 65 Millionen Euro bewegen werden. Einige Diözesen könnten dafür plädieren, besonders die bayerischen Bistümer in die Pflicht zu nehmen. Die kommen auf 51,1 Prozent der Gesellschafteranteile. Andere Diözesen dürften sich für eine solidarische Lösung starkmachen und argumentieren, die Weltbild-Rettung sei eine Aufgabe für die gesamte deutsche Kirche.

    In diese Diskussionen mit hinein spielen auch Eitelkeiten. Dem Vernehmen nach herrscht zum Beispiel Unmut über das Vorgehen des Erzbistums München und Freising und dessen Erzbischof Reinhard Kardinal Marx. Dass das Erzbistum in Sachen Weltbild-Rettung nun vorgeprescht ist, setzt die anderen Bistümer unter Druck und schafft Fakten: Das Erzbistum teilte gestern mit, dass es 20 Millionen Euro aus seinem Vermögen aufwendet für die „Betriebsfortführung der Deutschen Buch Handels GmbH“. Unter dem Dach dieser Holding betreibt Weltbild sein Filialgeschäft zusammen mit der Familie Hugendubel. Schon in der Vergangenheit wurde Marx in Kirchenkreisen kritisiert, weil er sich dafür einsetzte, Weltbild in eine Stiftung zu überführen und – trotz der Debatte um esoterische und erotische Titel im Sortiment – an Weltbild als Instrument der Verkündigung festhielt. Öffentlich zur Weltbild-Insolvenz geäußert haben sich bislang übrigens nur Marx, Zdarsa und Hanke, nicht aber die Deutsche Bischofskonferenz.

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