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VW-Skandal: Kratzer im Lack: Abgasskandal trifft Region Ingolstadt

VW-Skandal

Kratzer im Lack: Abgasskandal trifft Region Ingolstadt

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    Der VW-Abgas-Skandal lastet auf der Region Ingolstadt. Nicht nur die VW-Tochter Audi, sondern auch Zulieferer und Kommunen könnten die Folgen des Diesel-Gate treffen.
    Der VW-Abgas-Skandal lastet auf der Region Ingolstadt. Nicht nur die VW-Tochter Audi, sondern auch Zulieferer und Kommunen könnten die Folgen des Diesel-Gate treffen. Foto: Ulrich Wagner

    Der TT ist 10,2 Meter lang, 4,5 Meter breit, 3,25 Meter hoch und zehn Tonnen schwer. Und manche sagen, dass dieser silberne Audi, dieses Vorsprung-durch-Technik-Trumm, das goldene Kalb von Ingolstadt sei. Man kann das Monument mögen oder nicht. Es hat jedenfalls unbestrittene Vorteile: keinen Motor, keine Abgase, keine Software, unmanipulierbar.

    VW-Skandal: Es geht in Ingolstadt um Zukunftsglauben und Vertrauen

    Es geht in Ingolstadt in diesen Tagen nicht um Götzen aus Gold oder Silber. Es geht aber schon irgendwie um Glauben. Um Zukunftsglauben. Und um Vertrauen. Ingolstadt dreht sich um Audi wie der Verkehr um die stolze TT-Skulptur am sogenannten Audi-Kreisel. Was der sogenannte Abgas-Skandal für den Automobilhersteller bedeuten wird, kann mit Gewissheit noch niemand sagen.

    Bekannt ist, dass 2,1 Millionen Fahrzeuge der VW-Tochter weltweit und 577 000 in Deutschland davon betroffen sind. Bekannt ist die Gewinnwarnung aus Wolfsburg und die Ankündigung von Rückstellungen in Höhe von über 6,5 Milliarden Euro. Dem Unternehmen drohen Klagen und Strafzahlungen. Aber was bedeuten diese möglicherweise nur vorläufigen Zahlen für Audi, Ingolstadt und die Region in den nächsten Jahren? Kosten sie Jobs? Kosten sie viel Vertrauen in die Marke? Nehmen sie der Bavarian Boomtown, die es mit ihrem „job miracle“ von der Donau bis in die New York Times geschafft hat, die Zuversicht?

    Bei der Suche nach Antworten zur Binnen-Befindlichkeit kann man beispielsweise eine Runde ums Stammwerk drehen. Eine größere Tour ist das. Inzwischen arbeiten hier fast 43.000 Audianer. Besser, man nimmt das Fahrrad.

    An einer Bushaltestelle unweit der Audi-Piazza sitzt ein Mann, dessen Schicht gerade vorbei ist. Zwischenstopp 1. Hinter ihm weht vom Werk her der Geruch von Schweißer-Arbeiten herüber. Die vier silbernen Ringe prangen auf der Jacke des Angestellten. Er schaut müde aus. Der Audi-Motor brummt auch im September hochtourig.

    Seinen Namen sagt der Mann nicht. Auf die Frage nach dieser Sache mit den Abgasen sagt er zunächst: „Wir dürfen da eigentlich gar nichts dazu sagen.“ Dann: „Es gibt Schlimmeres auf der Welt.“ Wie? Alles also wie immer? „Ne, das auch nicht gerade.“ Sein Blick wandert zum Handy und bleibt da kleben. Ein anderer, mit einer ziemlich schicksalsergebenen Muss-jetzt-malochen-Mimik sagt im Vorbeigehen: „Mei, was will man machen.“

    Trotz Ungewissheit: Ingolstadts Lokalpolitik hält an den Plänen fest

    Was machen? Die Frage stellt sich auch die Stadtspitze. Ein paar Antworten hat sie auch gegeben. Wie in Wolfsburg wurde auch in Ingolstadt eine Haushaltssperre verhängt – in Höhe von 15 Prozent. Heißt: Die Referate sind angehalten, besonders sparsam zu wirtschaften. Ansonsten äußert man sich sehr zurückhaltend. Die Haushaltssperre sei „eine reine Sicherheitsmaßnahme“, man habe Rücklagen gebildet, sei für eventuelle Rückgänge der Gewerbesteuereinnahmen gewappnet, man warte auf das Frühjahr, wenn die finanziellen Folgen vielleicht schon abschätzbarer seien.

    Ansonsten gelte: Das städtische Investitionsprogramm werde in vollem Umfang abgewickelt. Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) sagte gerade in München auf der Expo Real, Europas größter Fachmesse für Gewerbeimmobilien und Investitionen: „Wir halten an unserem Bau- und Investitionsprogramm wie geplant fest. Wir gewährleisten die Stabilität des Standortes Ingolstadt.“

    Denn es soll ja weitergehen. Trotz des Diesel-Gates. Man hat ehrgeizige Ziele in Ingolstadt. Der IN-Campus soll auf dem 75 Hektar großen Gelände der ehemaligen Bayern-Oil-Raffinerie entstehen. Hier geht es um das Auto der Zukunft. Stadt und mehrheitlich Audi haben zu diesem Zweck die IN Campus GmbH gegründet. 15.000, vielleicht mehr Arbeitsplätze sollen entstehen. Lösel sagt, das Projekt habe „Strahlkraft für Jahrzehnte“.

    Als Beginn für die Bauarbeiten ist 2017 vorgesehen. Auf die Frage, ob die Milliarden-Rückstellungen von VW Auswirkungen auf die Planungen zum IN-Campus hätten, antwortet eine Sprecherin: „Beim Projekt IN-Campus laufen derzeit die Voruntersuchungen und vorbereitenden Maßnahmen, wie zum Beispiel die Durchführung des nötigen Bebauungsplans, wie das bei einem auf Jahrzehnten angelegten Großprojekt üblich ist. Bei konkreten Projektumfängen stehen wir am Anfang, deshalb können wir zum aktuellen Zeitpunkt keine konkreten Aussagen dazu treffen.“

    Sein eigener Schutzengel sein. Runter vom Gas. Das rät der Konzern seinen Angestellten immer wieder. Mahnende Plakate hängen an den Werkszäunen. Für die Motorradfahrer. Zumindest die Fabrik gibt weiter Gas. Die Audi-Zahlen für September waren gut. Weltweit 170.900 Fahrzeuge ausgeliefert – das sind 6,8 Prozent mehr als vor einem Jahr. Selbst in China legte Audi nach vier Monaten Rückgang um 2,9 Prozent zu. Zu den Manipulationen bei Dieselmotoren sagt eine Audi-Sprecherin mit Blick auf den Absatz: „Aktuell spüren wir keine Auswirkungen bei den Auslieferungen. Auch nicht bei den Bestellungen.“

    Unter dem Skandal leiden auch Kommunen und Zulieferer

    Weiter ums Werk. „Pulsschlag Audi“ steht an einer der Riesenhallen. Darunter ein Display, das anzeigt, welcher Wagen gerade in der Mache ist: „Jetzt Q5 für Great Britain“. Es riecht nach verbranntem Gummi. Zwischenstopp 2: der nächste Audianer. Auch er gedenkt, namenlos zu bleiben. Ob er sich Sorgen mache? Hat er Angst um den Arbeitsplatz? Mit einem Fahrradhelm auf dem Kopf sagt er: „Ich vertraue auf Gott.“ Außerdem: „Uns in Deutschland, bei Audi, geht es zu gut.“ Dann: „Ich bleibe bescheiden und mache meine Arbeit.“ Dann: „VW hat Fehler gemacht.“ Wer welche Fehler gemacht hat, wird sich herausstellen. Audi verweist über einen Sprecher darauf, dass – zusätzlich zu den Ermittlungen der internen Revision – die konzernweiten Ermittlungen durch die von Volkswagen beauftragten externen Unternehmen liefen. Finale Ergebnisse lägen aber nicht vor.

    Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat zunächst ein Prüfverfahren gegen Audi eingeleitet, dann aber die Akten an die ohnehin in dieser Angelegenheit ermittelnde Staatsanwaltschaft Braunschweig übergeben. Ob die übernimmt, ist offen. Audi hat nach Bekanntwerden des Prüfverfahrens zudem selbst Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft Ingolstadt gestellt. Die Begründung: „Wir dulden keine Geschäftspraktiken, die gegen geltendes Recht oder grundlegende Werte verstoßen. Die Strafanzeige stellen wir wegen sämtlicher nach deutschem Strafrecht in Betracht kommender Delikte.“

    Wie die Staatsanwaltschaft Ingolstadt gestern mitteilt, habe es inzwischen drei weitere Anzeigen gegen Audi gegeben. Es handle sich um Autobesitzer, die sich vom Unternehmen geprellt fühlten. Auch diese Anzeigen habe man an die Braunschweiger Justiz weitergeleitet.

    Chronologie der Abgasaffäre bei VW und Audi

    VW steckt tief in der Krise. Der Abgas-Skandal hat Konzernchef Martin Winterkorn den Job gekostet - nun müssen sein Nachfolger Matthias Müller und der neue Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch die Affäre aufklären.

    3. September 2015: Volkswagen räumt gegenüber der US-Umweltbehörde EPA Manipulationen bei Abgastests ein.

    18. September 2015: Die EPA teilt mit, VW habe eine Software eingesetzt, um Test-Messungen des Schadstoffausstoßes künstlich zu drücken.

    22. September 2015: Der Konzern gibt eine Gewinnwarnung heraus und kündigt Milliarden-Rückstellungen an. VW-Chef Martin Winterkorn bittet um Entschuldigung.

    23. September 2015: Rücktritt Winterkorns. «Vor allem bin ich fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen-Konzern möglich waren», erklärt er seinen Schritt.

    25. September 2015: Der VW-Aufsichtsrat tagt. Nach langer Sitzung beruft das Gremium Porsche-Chef Matthias Müller zum neuen Konzernchef und trifft einige weitere Personal- und Strukturentscheidungen.

    28. September 2015: Nach mehreren Strafanzeigen startet die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugsvorwürfen.

    29. September 2015: Volkswagen legt einen Aktionsplan zur Nachbesserung von Dieselwagen mit manipulierter Software vor und will fünf Millionen Fahrzeuge der Kernmarke VW in die Werkstätten holen.

    1. Oktober 2015: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig rudert zurück: Entgegen früheren Angaben führt sie kein formelles Verfahren gegen Winterkorn. Neuer VW-Finanzchef wird nach dem Wechsel von Hans Dieter Pötsch in den Aufsichtsrat der Leiter der Finanzsparte, Frank Witter.

    2. Oktober 2015: Auf speziellen Internetseiten können Kunden von VW und Audi prüfen, ob ihr Wagen die Manipulations-Software verwendet.

    4. Oktober 2015: Laut «Bild am Sonntag» sollen VW-Ingenieure der internen Revision gesagt haben, sie hätten 2008 die Software installiert.

    6. Oktober 2015: Betriebsratschef Bernd Osterloh und Müller sprechen bei einer Betriebsversammlung in Wolfsburg zur Belegschaft. Osterloh betont, bisher gebe es noch keine Konsequenzen für Jobs - laut Müller stellt die Abgas-Affäre aber bereits geplante Investitionen infrage.

    7. Oktober 2015: Erneutes Krisentreffen der VW-Aufseher, Pötsch wird an die Spitze des Kontrollgremiums gewählt. Nach Aussage Müllers in einem «FAZ»-Interview kann der Auto-Rückruf im Januar 2016 beginnen.

    8. Oktober 2015: Razzia bei Volkswagen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ordnet Durchsuchungen in Wolfsburg und an anderen Orten an. VW-US-Chef Michael Horn muss dem US-Kongress Rede und Antwort stehen.

    9. Oktober 2015: US-Bundesstaat Texas verklagt Volkswagen. VW habe seine Kunden über Jahre hinweg vorsätzlich getäuscht, sagt ein texanischer Staatsanwalt.

    15. Oktober 2015: Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) lehnt die von Volkswagen angebotene freiwillige Reparatur ab. Rund 2,4 Millionen betroffene Fahrzeuge von VW werden zurückgerufen.

    2. November 2015: Auch Porsche und Audi geraten unter Verdacht. Die US-Umweltbehörde prüft die von Audi gebauten und von Porsche verwendeten Dreiliter-Dieselaggregate.

    4. November 2015: VW, Porsche und Audi stoppen in den USA den Verkauf von Fahrzeugen, die mit der umstrittenen Dreiliter-Dieselmaschine ausgerüstet sind.

    12. November 2015: Martin Winterkorn gibt Vorsitz bei Audi auf. Nach dem Rückzug von VW und Porsche legt Winterkorn auch sein Amt bei Audi nieder.

    5. Januar 2016: Die US-Regierung reicht im Abgas-Skandal Klage gegen Volkswagen ein. Das Justizministerium wirft dem Konzern vor, Betrugssoftware eingesetzt und gegen das Luftreinhaltegesetz "Clean Air Act" verstoßen zu haben.

    27. Januar 2016: VW beginnt mit dem Rückruf der betroffenen Fahrzeuge. Zunächst ist der Pick-up Amarok dran. Danach folgen die Passat-Modelle.

    15. März 2016: Knapp 300 Großaktionäre verklagen VW auf Schadensersatz in Höhe von rund drei Milliarden Euro.

    22. April 2016: VW muss den höchsten Verlust in der Geschichte des Unternehmens bekannt geben.

    28. Juni 2016: Entschädigungen in Rekordhöhe: 15 Milliarden Dollar kostet der Abgasskandal VW in den USA allein an Strafen an die Umweltbehörden und Entschädigungen an Autofahrer.

    7. September 2016: Auch der Autozieferer Bosch gerät immer mehr in Kritik. Ohne das Stuttgarter Unternehmen habe Volkswagen die Software nicht anpassen können, berichten Medien.

    23. September 2016: Neue Vorwürfe aus den USA belasten VW-Tochter Audi schwer. Bisher bestritt Audi stets manipuliert zu haben.

    22. November 2016: VW will weltweit 30.000 Jobs abbauen. Allein in Deutschland sollen bis zu 23.000 Jobs wegfallen.

    15. Dezember 2016: Sigmar Gabriel (SPD), Peter Altmaier (CDU) und Barbara Hendricks (SPD) sagen im U-Ausschuss aus, sie hätten erst nach Aufdeckung des Skandals 2015 von verbotenen Praktiken erfahren.

    20. Dezember 2016: Nächste Vergleichszahlung: VW und Audi sollen in Kanada bis zu 1,5 Milliarden Euro an Autokäufer zahlen.

    9. Januar 2017: Amerikanisches FBI nimmt einen VW-Manager wegen des Dieselskandals fest.

    11. Januar 2017: VW und das US-Justizministerium einigen sich zu einem Vergleich. VW muss wegen rund 4,3 Milliarden Dollar zahlen.

    19. Januar 2017: Martin Winterkorn wird im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Diesel-Skandal befragt. Der damalige Vorstandsvorsitzende des VW-Konzerns betont erneut, "nicht frühzeitig und eindeutig über die Messprobleme aufgeklärt" worden zu sein.

    27. Januar 2017: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt jetzt auch gegen den früheren VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn wegen des Verdachts auf Betrug.

    3. Februar 2017: Ferdinand Piëch, der frühere VW-Aufsichtsratschef, belastet Martin Winterkorn. Demnach soll Winterkorn doch schon früher als von ihm eingeräumt vom Abgasbetrug erfahren haben.

    18. Februar 2017: Interne Dokumente belasten Audi-Chef Rupert Stadler. Er soll schon 2007 von der Schummelei zu den Abgaswerten gewusst haben.

    8. März 2017: Kanzlerin Angela Merkel sagt als letzte Zeugin vor dem Untersuchungsausschuss zur Abgasaffäre aus. Sie will von der Affäre erst durch die Medien erfahren haben.

    15. März 2017: Razzia bei Audi: Kurz vor Beginn der Jahrespressekonferenz durchsuchen Fahnder die Konzernzentrale in Ingolstadt.

    VW hat auch personelle Konsequenzen gezogen. Prominentes Beispiel – nach dem Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn – ist Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg. Er gilt als Erfinder des VW-Baukastensystems und wurde beurlaubt. Ob er für Manipulationen an Dieselmotoren mit Verantwortung trägt, ist vollkommen offen. Ein Audi-Sprecher verweist auch hier auf die noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen.

    Hackenberg wohnt in Wettstetten. Das liegt auf der Runde ums Werk hinter einem der aufgetürmten Rübenhügel auf einem der Stadtrandäcker. Kösching und Gaimersheim liegen auch nicht weit entfernt. Alle drei Gemeinden gehören zum Landkreis Eichstätt. Landrat ist hier Anton Knapp (CSU). Der 60-Jährige ist seit Jahrzehnten in der Lokalpolitik und war lange Jahre Bürgermeister von Gaimersheim, wo viele Zulieferer von Audi ihren Sitz haben.

    Knapp sagt, dass er im Laufe seiner Zeit als Bürgermeister zwei oder drei konjunkturbedingte Abschwünge erlebt habe. Man müsse auch jetzt wohl damit rechnen, dass die Gewerbesteuereinnahmen in einem gewissen Rahmen weniger würden. 2001 sei es aber „viel extremer“ gewesen. Manche Firmen hätten ihre Gewerbegrundstücke an die Gemeinde zurückgeben wollen.

    Und wie findet er Audis Umgang mit dem Skandal? Knapp: „Man hat schon das gute Gefühl, dass der Konzern das Thema zielgerichtet aufarbeitet.“ Aber: „Das Vertrauen muss man wieder gewinnen.“ Er könne sich nicht vorstellen, dass Audi das nicht hinbekomme.

    Audi-Mitarbeiter: "Jeder schummelt, einer fliegt auf"

    So ähnlich sieht das Andreas Meyer auch. Er ist Bürgermeister von Münchsmünster und hat quasi ein amtliches Interesse daran, dass der Skandal seiner Gemeinde nicht die Zukunft verpestet. Im Industriepark Münchsmünster (Kreis Pfaffenhofen) hat Audi 2013 eine neue Fertigung in Betrieb genommen. 700 Mitarbeiter produzieren hier Karosserie- und Fahrwerkkomponenten im Drei-Schicht-Betrieb. Meyer sagt: „Dass das alles nicht positiv ist, da sind wir uns einig. Ich bin aber zuversichtlich, dass das jetzt aufgeklärt wird und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.“

    In Sachen Gewerbesteuer werde man auch in Münchsmünster wohl kürzertreten müssen. Er sei aber zuversichtlich, dass der geplante Ausbau des Standortes fortgesetzt werde. Meyer sagt zudem: „Es wäre natürlich fatal, wenn der Käufer sagt, ich nehme Abstand von der Marke Audi. Das ist meine größte Sorge. Denn darunter würde die Produktion leiden.“

    Also die Mitarbeiter. Anfrage beim Gesamtbetriebsratschef und Aufsichtsratsmitglied Peter Mosch: Fürchten Sie, dass die finanziellen Folgen des Skandals Audi mittelfristig Arbeitsplätze kosten könnten? Und bleibt es bei den geplanten bis zu 4000 Neueinstellungen in diesem Jahr? Mosch antwortet über seinen Sprecher via Mail: „Aus heutiger Sicht sehe ich keine Auswirkungen auf die Beschäftigung. Es darf und kann auch nicht sein, dass die Beschäftigten für diesen Vorfall büßen müssen.“

    In einem Brief des Vorstandsvorsitzenden Rupert Stadler an alle Beschäftigten heißt es: „Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn die Reaktionen der Öffentlichkeit auf den Skandal aktuell sehr pauschal und schonungslos ausfallen.“ Dies sei „verständlich“. Und weiter: „Machen wir immer und immer wieder in unserem Auftreten und Handeln deutlich, wofür wir alle persönlich, als Audianer und als Unternehmen insgesamt stehen.“

    Weitere Frage an Mosch: Was muss sich bei Audi ändern, damit sich dergleichen nicht wiederholen kann? Antwort: „Offenheit, Vertrauen und Transparenz müssen in der Unternehmenskultur noch mehr und noch besser gelebt werden. Zusammen mit dem Unternehmen treiben wir vom Betriebsrat dieses Thema schon länger voran. Das geht zwar nicht von heute auf morgen – trotzdem werden wir es weiter konsequent verfolgen.“

    Die Runde ums Werk ist fast geschafft. Man hat Baustellen hinter sich gelassen, ist durch Betonstaub gefahren, macht einen letzten Stopp in der Nähe von einem Gebäude, das N 60 heißt. Letzte Frage an einen Audianer auf dem Weg zur Arbeit. Was er so sage zur Gesamtsituation? „Jeder schummelt. Einer fliegt auf, der andere nicht.“ Kurz danach, bei Tor 6, wird man von einem kleinen feuerroten Auto überholt. Hinten auf dem Heck ein Aufkleber mit der Aufschrift „Kleiner Teufel“. Es ist ein VW. (mit dpa)

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