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VDMA-Präsident: Karl Haeusgen: Mit ihm stellen sich Deutschlands Maschinenbauer neu auf

VDMA-Präsident

Karl Haeusgen: Mit ihm stellen sich Deutschlands Maschinenbauer neu auf

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    Karl Haeusgen ist zum neuen Chef des einflussreichen Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau gewählt worden.
    Karl Haeusgen ist zum neuen Chef des einflussreichen Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau gewählt worden. Foto: Mathias Wild

    Seinen Start als Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hätte sich Karl Haeusgen geschmeidiger vorstellen können. Die Branche ächzt unter den Folgen der Corona-Pandemie. Viele Betriebe, gerade Zulieferer in der Autoindustrie, haben Auftragsrückgänge. „Läuft’s gut, gibt es wenig zu bewegen“, sagt Haeusgen. Jetzt gibt es viel zu bewegen aus Sicht eines Großteils der 3300 Betriebe in dem mächtigen Industrieverband, für die der Unternehmer nach seiner Wahl am Freitag in Wiesbaden künftig spricht.

    Haeusgen, 54 Jahre alt, drahtige Erscheinung, selbstbewusster Auftritt, ist Hauptaktionär der Münchner Hawe Hydraulik SE und engagiert in der familieneigenen Stiftung „Lyrik Kabinett München“. Mag nach eigener Aussage Black Music, wie er im kleinen Kreis verrät. Ein Schöngeist? „Man sollte sich nicht täuschen lassen. Der ist ein Treiber, im besten Sinn. Der brennt für sein Unternehmen und die Branche“, sagt ein Mitarbeiter im Hawe-Werk in Kaufbeuren, einem der sieben Konzern-Standorte.

    Dort werden hydraulische Komponenten für mobile Arbeitsmaschinen und Kommunalfahrzeuge gebaut. Ventile und Pumpen beispielsweise. In 70 Branchen des Maschinenbaus aktiv, federt Hawe Hydraulik die Folgen der Pandemie bislang relativ gut ab. Mit einem Umsatz von 411 Millionen Euro war 2019 das beste Jahr der Firmengeschichte. Die Prognose für das Corona-Jahr 2020: aktuell um zehn Prozent nach unten korrigiert.

    Das hochmoderne Hawe-Werk an der B12 hat Karl Haeusgen mitentworfen

    2019 hatte sich Haeusgen als Vorstandssprecher des Familienunternehmens mit 2500 Mitarbeitern verabschiedet und den Aufsichtsratsvorsitz übernommen. „Ich bin aus dem operativen Geschäft raus, vom ersten Tag an“, sagt der Enkel von Karl Heilmeier, einem der beiden Firmengründer. Vielleicht der markanteste Unterschied zum bisherigen VDMA-Präsidenten Carl Martin Welcker, der turnusgemäß aufgehört hat. „Er ist sicher mehr der klassische Familienunternehmer“, sagt Haeusgen, der Betriebswirtschaft studiert, in seinem Berufsleben Ressorts wie Vertrieb, Marketing, Unternehmensentwicklung verantwortet hat. Dennoch kennt Haeusgen jeden Winkel in dem hochmodernen, architektonisch vorzeigbaren Allgäuer Werk an der B12, wo heute 650 Menschen beschäftigt sind. Er hat es vor der Eröffnung 2014 mitkonzipiert.

    Karl Haeusgen ist zum neuen Chef des einflussreichen Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau gewählt worden.
    Karl Haeusgen ist zum neuen Chef des einflussreichen Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau gewählt worden. Foto: Mathias Wild

    Hydraulik kommt dort zum Einsatz, wo viel Kraft auf kleinem Raum für große Lasten benötigt wird. Haeusgen, verheiratet und Vater von drei Kindern, gilt als einer, der Emotionen entfacht in dieser oft nüchternen, techniklastigen Welt. Bei einer Werksführung vor zwei Wochen setzt ein Vorstandsmitglied vor Journalisten an, um ein Proportionalventil aus Hawe-Produktion zu erklären. In solchen Fällen wird Haeusgen schnell unruhig, übernimmt freundlich das Wort. „So wie der Strom eingeleitet wird, steuert das Ventil aus“, erklärt er die Funktion mit ausladender Geste. Also nicht wie ein Ein-Aus-Schalter, sondern wie ein Dimmer. Technik ohne Ruckeln, wie sie in Feuerwehrleitern, Windrädern und sechsachsigen Patientenliegen gebraucht wird.

    Die Journalisten nicken, schreiben eifrig mit, und Haeusgen erzählt immer weiter von Hydraulik in der Roboter-Chirurgie und in mechanischen Exoskeletten, die Arbeiter beim Heben schwerer Lasten und Menschen mit Behinderungen beim Aufstehen helfen. Bis er jäh endet: „Jetzt bin ich schon wieder viel zu sehr ins Detail gegangen.“

    Karl Haeusgen: Er lobt Merkel für ihr Krisenmanagement

    In Kaufbeuren gab der seit 2013 amtierende VDMA-Vize Haeusgen auch Einblick in seine Tätigkeit als Lobbyist – „eine Aufgabe, die zu Unrecht und wegen weniger schwarzer Schafe so ein schlechtes Image hat“, wie er meint. Haeusgen tritt eigenen Worten nach für eine „soziale Globalisierung mit nachhaltigen Arbeitsbedingungen“ ein. Kritik verpackt er oft ironisch, aber nicht weniger deutlich. In einem Interview hat er einmal gesagt, dass Wirtschaftspolitik sicher nicht die Leidenschaft der Kanzlerin sei. Heute lobt er Merkel und die deutsche Politik für ihr Krisenmanagement in der Pandemie. Sagt aber auch: „Es gilt, die Mitarbeiter zu schützen und die Wertschöpfung zu erhalten.“ Abzuwägen sei immer zwischen Gesundheit, Wirtschaft und Freiheiten einer Gesellschaft.

    Seine Agenda macht er bei der Gelegenheit auch deutlich. „Energie- und Klimapolitik müssen europäisch gesehen werden“, so Haeusgen. „Das lässt sich nicht national lösen.“ Verbände wie der VDMA müssten in Mitgliederstruktur und Angebot mitziehen. Der Unternehmer wendet sich gegen zunehmende staatliche Eingriffe ebenso wie gegen überbordende Bürokratie bei Projekten der Digital- und Verkehrsinfrastruktur. „Der schleppende Ausbau ist ja oft nicht das Ergebnis des fehlenden Geldes, sondern der Genehmigungsprozesse.“

    Und dann gibt Hawe-Vorstandssprecher Robert Schullan dem VDMA-Präsidenten in spe vor Journalisten noch einen Wunsch mit auf den Weg: Keine Industrie 4.0 ohne den neuesten Mobilfunkstandard 5G. Die Politik möge das endlich voranbringen. Ein Thema, das Haeusgen schon lange umtreibt. Der nickt und antwortet kaum hörbar mit beißender Ironie. „Im Notfall haben wir ja noch immer Festnetz.“

    Lesen Sie dazu auch: Branche unter Druck: Drei Wege zur Rettung der Autozulieferer

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