Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Unternehmen der Region: Seeberger aus Ulm: Genuss aus der Tüte seit 175 Jahren

Unternehmen der Region

Seeberger aus Ulm: Genuss aus der Tüte seit 175 Jahren

    • |
    Eines der bekanntesten Produkte aus dem Hause Seeberger in der Jubiläumstüte: die Nuss-Rosinen-Mischung namens Studentenfutter.
    Eines der bekanntesten Produkte aus dem Hause Seeberger in der Jubiläumstüte: die Nuss-Rosinen-Mischung namens Studentenfutter. Foto: Oliver Helmstädter

    Vor 175 Jahren wurde die Firma Seeberger gegründet. Als ein Kolonialwarenhandelsgeschäft am 6. Oktober 1844 von Christoph Seeberger. Doch verantwortlich dafür, dass Trockenfrüchte, Nüsse und Kaffee aus dem Ulmer Donautal bundesweit bekannt sind, ist eine andere Familie: die Rohms. Am 1. Januar 1949 übernimmt Julius Rohm das Geschäft von der Familie Seeberger, das heute rund 600 Menschen beschäftigt (davon 500 in Ulm) und für 20 Millionen Euro derzeit eine „Genusswelt“ am Firmensitz baut.

    Nicht mehr als ein paar Fässer Hirschhornsalz und verdorbene Linsen waren die Mitgift, als Julius Rohm das Geschäft von der Familie Seeberger übernimmt. Doch es in „Rohm“ umzutaufen sei keine Option gewesen. „Seeberger hört sich einfach gut an. Darin steckt ,See‘ und ,Berge‘. Da kann Rohm nicht mithalten“, sagt sein Sohn, der ebenso Julius mit Vornamen heißt. Nachdem Julius Rohm junior kinderlos blieb, führt nun sein Neffe, also der Sohn einer Schwester von Julius Rohm junior, die Geschäfte – Clemens Keller. Der 48-Jährige gibt an, selbst „Hardcore-Konsument“ der kalorienreichen Snacks wie Trockenfrüchte und Nüsse aus dem Hause zu sein. Doch dem passionierten Läufer ist das nicht anzusehen.

    Clemens Keller, der Neffe von Julius Rohm junior, ist heute Chef.
    Clemens Keller, der Neffe von Julius Rohm junior, ist heute Chef. Foto: Horst Hörger

    Seeberger aus Ulm. Seit zehn Jahren auf Wachstumskurs

    Wie Keller betont, hätten die Rohms das Thema Qualität „zu 100 Prozent“ im Unternehmen verankert. Rohm senior hatte einen Lebensmittelgroßhandel in Ulm. Das „wirklich Mutige“, so Keller, sei es gewesen, in den noch jungen 1950er Jahren sich auf Exotisches zu spezialisieren. Rohm habe 1952 seinen Fuß in die Tür der qualitätsorientierten Produzenten gesteckt, der bis heute in Form von jahrzehntelangen Beziehungen zu Produzenten seine Auswirkungen habe. „Wir sind teurer als unsere Mitbewerber“, sagt Keller. Deswegen müsse es einen wahrnehmbaren Unterschied zur Konkurrenz geben.

    Seit etwa zehn Jahren sei Seeberger auf rasantem Wachstumskurs, seit 2010 habe sich die Zahl der Mitarbeiter von 300 auf 600 verdoppelt. Der Umsatz hielt mit und erreichte im jüngsten veröffentlichten Geschäftsjahr über 242 Millionen Euro. Zuletzt waren es sogar 300 Millionen, wie Keller sagt. Er begründet die Entwicklung mit einer höheren Wertschätzung von Lebensmitteln. „Die Ernährung wurde zum Lifestyle-Thema.“ Und zur gesunden Ernährung und zur Diskussion um gute und schlechte Fette – von Low-Carb bis Paleo-Diät – passte plötzlich das gute alte „Studentenfutter“.

    Warum sich Haselnusskerne, Mandeln, Cashewkerne, Walnusskerne und Rosinen unter diesem Namen vereinen, wissen die Rohms und Kellers auch nicht genau. Es gebe verschiedene Varianten. Eine davon lautet so: Mandeln waren früher ein teures Produkt, das sich nur Reiche leisten konnten. Hierzu zählten damals auch Studenten, da ein Hochschulbesuch überwiegend der Oberschicht vorbehalten war. Auch wenn Seeberger zum 175. Geburtstag das Studentenfutter in einer Retro-Tüte verkauft und die 1949 debütierende Mischung als Bestseller gilt, ruhe sich die Firma darauf nicht aus. Ständig werde an neuen Kreationen gearbeitet. Derzeit stehe ein neuer Nuss-Oliven-Mix kurz vor der Markteinführung. Die meisten kennen Seeberger eben als Trockenfrüchte-Hersteller. Dabei betreibt das Ulmer Unternehmen auch eine der ältesten Kaffeeröstereien des Landes. Mit 60 Ballen Rohkaffee zu je 60 Kilogramm belebte Julius Rohm 1949 als Erstes die Seeberger-Kaffeerösterei.

    Julius Rohm. Sein Vater übernahm 1949 die Firma Seeberger. 
    Julius Rohm. Sein Vater übernahm 1949 die Firma Seeberger.  Foto: Horst Hörger

    Doch in den Regalen der Supermärkte ist Seeberger bis heute nicht zu finden, dafür in den Kaffeemaschinen von über 6000 gastronomischen Betrieben. „Im Handel läuft der Wettbewerb fast nur über den Preis“, sagt Keller. In der Gastronomie gehe es mehr um Qualität und Service. Seeberger habe etwa „Single-Origin-Sorten“, also Bohnen, die nur von einer einzigen, speziellen Lage stammen, im Programm. Bis zu 50 Euro koste das Kilo.

    Grob ein Fünftel des Umsatzes erwirtschaftet die Firma durch den Verkauf von Kaffee. Immer mehr der etwa 1000 Tonnen, die in Ulm pro Jahr geröstet werden, fließt aus Automaten in Betrieben. Und weil Seeberger damit ohnehin in vielen Großbetrieben präsent ist, übernimmt die Firma oft gleich die komplette Getränkeversorgung und stellt auch Snackautomaten mit Nüssen, Müsli und Trockenfrüchten auf.

    Winfried Kretschmann kam zum 175. Geburtstag

    Zum 175. Geburtstag ließ sich Seeberger so richtig feiern. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann kam ins Werk im Donautal und lobte: Seeberger habe ein Verständnis des Wirtschaftens, auf das das ganze Land stolz sein könne. Die Firma habe in vielerlei Hinsicht Vorbildwirkung. Bei einem Rundgang durch die Produktionshallen, in der autonom fahrende Gabelstapler den Weg der Besuchergruppen kreuzen, zeigte sich Kretschmann besonders interessiert an einem Versuch mit nachhaltiger Folienverpackung. Sonnenblumenkerne in einer umweltfreundlichen Verpackung lagern hier über das Haltbarkeitsdatum hinaus, um zu sehen, ob die Tüte den Seeberger-Ansprüchen genügt.

    Das erklärte Ziel: Ab 2020 sollen 90 Prozent der Nüsse und Trockenfrüchte in zu 100 Prozent recycelbaren Monoverbundfolien verpackt werden. Eine Unverpackt-Lösung in großen Spendern wurde ebenso umgesetzt – aufgrund geringer Nachfrage allerdings auch wieder eingestellt. Keller sieht sich selbst als Hüter von Werten, die seine Verwandtschaft im Unternehmen etabliert hatte. 1984 war Seeberger eine der ersten Firmen in Deutschland, die ihre Mitarbeiter direkt in Form von Genussrechten am Unternehmensgewinn beteiligt hat. Und seit Jahren veröffentliche Seeberger einen Nachhaltigkeitsbericht. Trotz Importen aus Übersee habe die Firma in den vergangenen vier Jahren den CO2-Ausstoß um 20 Prozent gesenkt. Und der Transport der Waren aus fernen Ländern würden unter dem Strich nur einen kleinen Teil der klimaschädlichen Emissionen in der Produktionskette verursachen.

    Obwohl der 77-jährige Julius Rohm eigentlich vor 15 Jahren die Geschäfte an seinen Neffen abgab, kommt er noch jeden Tag „so gegen neun“ ins Unternehmen. Doch eines habe sich seitdem geändert: Früher habe er alle 250 Mitarbeiter noch persönlich gekannt. Heute gehe das nicht mehr. Rohm ist überzeugt, dass sein Vater begeistert von der im Bau befindlichen „Genusswelt“ wäre. „Er war immer sehr aufgeschlossen für Neues.“ Entstehen soll ein repräsentatives Kundenzentrum mit Erlebniswert. „Wir brauchen das“, sagt Keller über das 20-Millionen-Euro-Projekt. So ein „Touch Point“, also Berührungspunkt, solle das Seeberger-Qualitätsversprechen untermauern: mit Ausstellung, Shop, Kochkursen und Gastronomie. 2020 soll die Eröffnung sein.

    Lesen Sie dazu auch: Roboterbauer Kuka baut bis zu 255 weitere Stellen ab

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden