Die Dicken müssen in Frankreich künftig wohl draufzahlen. Was sich nach unschöner Diskriminierung anhört, ist tatsächlich allerdings eine in unserem Nachbarland viel diskutierte, die Autoindustrie betreffende Maßnahme zur Verbesserung des Umweltschutzes. Es geht um eine Sondersteuer für SUVs, Sport Utility Vehicles, wuchtige Stadtgeländewagen. Die übergewichtigen Exemplare.
Auch die französische Regierung versucht Anreize für den Kauf schadstoffärmerer Autos zu schaffen und die Bürger davon abzubringen, umweltschädliche Fahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß zu nutzen. Sie tut das mit einem Bonus-Malus-System: Während es bereits großzügige Prämien vor allem für den Kauf von Elektrofahrzeugen und Plug-In-Hybriden gibt, kommt demnächst eben jene umstrittene Sondersteuer für besonders schwere Autos.
Sondersteuer für SUVs: Ab 1800 Kilo soll jedes weitere Kilo 10 Euro kosten
Die Anregung dafür stammt vom „Bürgerrat für das Klima“, der der Regierung im Sommer insgesamt 149 Maßnahmen für eine umweltschonendere Politik vorgelegt hatte. Obwohl Wirtschaftsminister Bruno Le Maire zunächst gesagt hatte, „im aktuellen wirtschaftlichen Kontext“ wünsche er keinerlei Steuererhöhungen, „um Industriejobs, die Fabriken und die Kaufkraft der Franzosen zu schützen“, setzten sich nun doch die Gegner schwerer SUVs durch: Autos mit einem Gewicht über 1800 Kilogramm – und nicht, wie vom Klimarat vorgeschlagen, bereits ab 1400 Kilogramm – sollen entsprechend einer Gesetzesvorlage mit je 10 Euro pro Kilogramm über diesem Limit besteuert werden, Ausnahmen bilden Autos mit Elektro- und Wasserstoffantrieb, Hybridautos und die Fahrzeuge großer Familien.
Frankreichs Umweltministerin Pompili: „starkes und notwendiges Signal“
Umweltministerin Barbara Pompili nannte den Malus ein „starkes und notwendiges Signal“ für die Berücksichtigung des ökologischen Fußabdrucks schwerer Fahrzeuge, denn diese brächten „mehr Materialien und Energieverbrauch, mehr Verschmutzung und weniger Platz im öffentlichen Raum“ mit sich.
Tatsächlich stieg das Durchschnittsgewicht von Dieselautos in Frankreich seit 2010 um sieben Prozent und das von Benzinern um 14 Prozent und damit um rund 100 Kilo pro Gefährt. Aus Pompilis Umfeld heißt es, zwischen 2009 und 2016 seien die CO2-Ausstöße dank der technischen Fortschritte der Autobauer zwar unablässig zurückgegangen. Seitdem allerdings sinken diese Zahlen aufgrund des zunehmenden Gewichts der Autos nicht weiter, sondern blieben stabil.
Der Regierung war es, wichtig zu betonen, dass kein französischer Autobauer von der Maßnahme betroffen sei, denn deren SUVs bleiben unter der Marke von 1800 Kilogramm. Stattdessen träfe es unter anderem auch Autos aus deutscher Fabrikation.
Die Umweltorganisation WWF France zeigte sich erfreut über diesen „ersten Schritt“ der Regierung, der darin bestehe, das Gewicht eines Fahrzeugs beim Bonus-Malus-System mit einzubeziehen. Die Auswirkungen von SUVs auf das Klima seien „absolut vernichtend und halten uns davon ab, die Klima-Versprechen einzuhalten, zu denen sich Frankreich verpflichtet hat“, sagte die Präsidentin von WWF France, Isabelle Autissier. Einer Studie der Nichtregierungsorganisation zufolge handelt es sich bei 38 Prozent der Verkäufe von Autos in Frankreich um SUVs.
Audi und Daimler äußern sich zurückhaltend zur geplanten Sondersteuer
Darunter ist auch das ein oder andere Modell aus Deutschland. Fragt man bei hiesigen Herstellern nach, heißt es von Daimler eher zurückhaltend, dass man den französischen Markt und die zukünftige Marktsituation kontinuierlich beobachte. „Es bleibt abzuwarten, wie sich eine mögliche Steueranpassung auf den Absatz von Mercedes-Benz in Frankreich auswirken würde“, teilt ein Sprecher mit. Bei Audi gibt man sich ähnlich defensiv: Für eine Aussage zur Sondersteuer für schwere Autos in Frankreich sei es zu früh. „Wir beobachten aufmerksam den Gesetzgebungsprozess zu der Sondersteuer und sind gespannt auf die kommenden Entscheidungen.“
Auto-Experte Dudenhöffer: „Die Branche muss umdenken“
Aufmerksamkeit hilft ganz sicher, denn vielleicht wird die Sondersteuer à la Française auch in Deutschland Thema. Der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer formuliert jedenfalls deutlich offensiver. Er sagt: „Die Steuer in Frankreich ist ein klares Signal, dass die Branche umdenken muss.“ Die Autobauer spielten mit ihren übergroßen SUVs mit dem Feuer. „Auch in Deutschland und anderen Ländern ist großer Sprengstoff in der Debatte.“ Die üblichen Argumente der Hersteller lauteten, man brauche die BMW X7, Audi Q8, Mercedes GLS, Volvo XC90, Land Rover, Range Rover, Ford Explorer für USA und China. Dass man „bedenkenlos“ die „Dickschiffe“ auch in Deutschland verkaufe, berge aber die große Gefahr, das Auto und den SUV in eine schlechte Ecke zu stellen. „Die Autobauer“, sagt Dudenhöffer“, „sollten aus Eigeninteresse mehr auf soziale Akzeptanz achten und sich nicht bedenkenlos mit übergroßen Fahrzeugen in Bedrängnis bringen.“
Wenn sie einfach so weitermachten, würden sie das gleiche erleben wie bei der CO2-Debatte. „Sie werden Regulierungen erhalten, die ihnen das Leben schwer machen werden. Hoffentlich bringt die geplante Steuer in Frankreich Einsicht in den Chefetagen bei Audi, BMW, Mercedes und VW.“ Dudenhöffer hält eine vergleichbare Sondersteuer auch in Deutschland für denkbar, sollten die Grünen in der nächsten Bundesregierung eine starke Rolle spielen. Er meint: „Es liegt an den Autobauern selbst, das Thema vom Tisch zu räumen. Ihre bisherige Uneinsichtigkeit wird das Thema in Deutschland nach oben spülen.“
Grüne können Schritt zur Sondersteuer nachvollziehen
Und wie stehen nun die Grünen dazu? Der grüne Bundestagsabgeordnete Stefan Schmidt, Mitglied im Finanzausschuss, sagt: „Als klimapolitisches Instrument kann ich die geplante gewichtsbezogene Sondersteuer nachvollziehen. Trotz Klimakrise, überfüllten Städten und vollen Straßen hält der Trend zu immer größeren und schwereren Autos, insbesondere SUVs und Geländewagen, an. Eine Sondersteuer für besonders schwere Spritschlucker kann eine Lenkungswirkung entfalten hin zu leichteren und emissionsarmen Autos.“ Und wäre das französische Modell aus grüner Sicht in Deutschland denkbar? Schmidt sagt: „Eine Steuer kann steuern und das sollte sie im Verkehrsbereich auch tun. Priorität hätte für mich eine Weiterentwicklung der Kfz-Steuer zu einem Bonus-Malus-System, damit verbrauchsstarke Autos stärker an ihren ökologischen Kosten beteiligt werden.“ Das bedeutet: Klimaschädliche Spritschlucker wie die SUVs zahlen nach Schmidts Vorstellung eine höhere Kfz-Steuer und finanzieren damit Gutschriften für emissionsfreie Elektrofahrzeuge. „Damit“, so erklärt Schmidt weiter, „sollen die Menschen Anreize bekommen, auf emissionsfreie Autos umzusteigen.“
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