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Umwelt: Täglich werden 25 Fußballfelder bebaut

Umwelt

Täglich werden 25 Fußballfelder bebaut

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    Hier geht’s zum Gewerbegebiet: Für den Naturschützer ist die Ausweisung von Bau- und Gewerbegebieten zu attraktiv.
    Hier geht’s zum Gewerbegebiet: Für den Naturschützer ist die Ausweisung von Bau- und Gewerbegebieten zu attraktiv. Foto: Jens Wolf/dpa

    Für Stephan Kreppold ist es nach wie vor ein Unding: 26 Hektar, beste Fläche, sandiger Lehmboden, wie er nach den Worten des Biobauern nicht besser sein könnte. „Ein landwirtschaftliches Filetstück“, sagt der stellvertretende Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz in Aichach-Friedberg über die Fläche zwischen Dasing und Aichach. Ein Filetstück, das bald komplett bebaut sein dürfte. Die Kommunen haben dort, an der A8 und B300, gemeinsam ein Gewerbegebiet ausgewiesen. Auf ungefähr 36 Fußballfeldern sollen sich dort Unternehmen ansiedeln. So wie der Discounter Norma, der hier ein Logistikzentrum errichtet hat.

    Was Kreppold stört, ist die „rabiate Veränderung der Kulturlandschaft in eine Gewerbelandschaft“, der massive Flächenverlust in Zeiten, in denen Landwirte mit allen Mitteln um freie Flächen kämpfen. Und, dass sich die Bürger nicht gegen den Flächenverbrauch wehren – wohl aber gegen sechs Windräder, die in der Nähe entstehen sollen. Darum hat der Naturschützer an der B300 eine Skulptur aufgestellt. Ein Gebilde, das anprangern soll, dass Beton und Asphalt die Natur immer weiter zurückdrängen.

    "Flächenfraß größtes ungelöstes Umweltproblem in Bayern"

    Bundesweit werden jeden Tag rund 74 Hektar verbaut. Und: Nirgends ist der Flächenverbrauch so groß wie in Bayern. Im Freistaat gehen täglich 18 Hektar oder 25 Fußballfelder verloren, wie aus den Zahlen des Statistischen Landesamts hervorgeht. Waldfläche, die gerodet wird, Acker- oder Grünland, das umgewidmet wird – für Baumärkte, Möbelhäuser oder Supermärkte auf der grünen Wiese, für neue Straßen oder Baugebiete. Für den Bund Naturschutz (BN) ist der Flächenfraß „das größte ungelöste Umweltproblem in

    Nicht überall ist das Problem gleich groß, wie aus einer Analyse der Jahre 2000 bis 2013 hervorgeht. Im Großraum Augsburg wurde demnach jeden Tag ein Fußballfeld bebaut, im Allgäu waren es fast zwei – so viel wie nirgends sonst im Freistaat. Der BN-Landesbeauftragte Richard Mergner sagt: Durch Einkaufsmärkte auf der grünen Wiese, Gewerbegebiete an den Autobahnausfahrten und Bundesstraßen inmitten zuvor unberührter Natur „verliert das

    Das kritisiert auch der Bayerische Bauernverband. Allein im Freistaat sind seit 1970 über eine halbe Million Hektar der Landwirtschaft entzogen worden. „Wir gehen mit der endlichen Ressource Boden viel zu verschwenderisch um“, sagt Sprecher Markus Peters. Fläche, auf der sich Getreide, Kartoffeln oder Gemüse anbauen lassen – oder Futter für Milchkühe. Bauernpräsident Walter Heidl fordert daher Maßnahmen, um die Fläche zu schützen, etwa eine Anpassung des bayerischen Grundstücksverkehrsgesetzes. „Der Boden ist schließlich unser größter Schatz. Hier wächst unsere Lebensgrundlage“, sagt Heidl.

    Flächenschwund sollte bis 2020 drastisch reduziert werden - Chancen stehen schlecht

    Dabei hat sich die Politik große Ziele gesetzt. Von derzeit 74 auf 30 Hektar wollte die Bundesregierung den Flächenschwund bis zum Jahr 2020 reduzieren. Doch nach einer aktuellen Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt und Raumforschung stehen die Chancen dafür schlecht. Sie geht davon aus, dass der tägliche Flächenverbrauch auch 2030 bei 45 Hektar liegen dürfte.

    Doch wofür gehen die Flächen eigentlich drauf? Für den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern? Für Gewerbegebiete wie das „Acht300“ im Landkreis Aichach-Friedberg? Nabu-Experte Ulrich Kriese betont, die Ausweisung von Bau- und Gewerbegebieten sei weiterhin zu attraktiv. Die Gemeinden erhofften sich damit neue Einnahmen über die Gewerbe- und Einkommensteuer und mehr Attraktivität ihres Standorts. Dass die Bevölkerung schrumpft, werde dabei zu wenig bedacht. „Viele Kommunen versuchen sogar, mit der verstärkten Ausweisung von Flächen dem drohenden Bevölkerungsschwund entgegenzuwirken“, sagt Lutke Blecken vom Institut für Raum und Energie.

    Auch der Handel spielt hier eine wichtige Rolle. Beispiel Baumärkte: Ihre Zahl ist in den vergangenen 20 Jahren um 20 Prozent gestiegen – die Verkaufsfläche aber hat sich fast verdoppelt. Auch Möbelhäuser zieht es auf die grüne Wiese, weil in Innenstädten oft nicht genug Platz zur Verfügung steht. Doch in der Branche erfolgt allmählich ein Umdenken. „Das Bauen auf der grünen Wiese findet immer weniger statt“, sagt Peter Wüst, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bau- und Heimwerkermärkte. Und Handelsforscher Marco Atzberger sagt: „Der Handel geht dahin, wo es die Menschen hinzieht.“ (mit dpa)

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