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Überbrückungshilfe III: Unternehmer aus der Region ärgern sich über Corona-Hilfen

Überbrückungshilfe III

Unternehmer aus der Region ärgern sich über Corona-Hilfen

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    Hotelbesitzer Andreas Schön ist enttäuscht, weil die Förderbedingungen für die Coronahilfen sich mehrmals geändert haben.
    Hotelbesitzer Andreas Schön ist enttäuscht, weil die Förderbedingungen für die Coronahilfen sich mehrmals geändert haben. Foto: Silvio Wyszengrad

    Dass diese Herkulesaufgabe reibungslos laufen wird, damit hat niemand gerechnet. Aber es tut halt trotzdem weh, wenn man einer der Fälle ist, in denen es nicht so gut läuft. Es geht um die staatlichen Coronahilfen. Und Andreas Schön, Hotelbesitzer aus Augsburg, fühlt sich dabei vom Staat im Regen stehen gelassen. Ausnahmsweise ist das auch wörtlich zu verstehen. Schöns Hotel „Alpenhof“ hat 120 Zimmer und ist stark auf beruflich Reisende ausgerichtet. Mit Tagungen, Events und Hausmessen haben Schön und sein Team viel Erfahrung. Doch wie den meisten Betrieben im Gastgewerbe, lag das Geschäft in den vergangenen Monaten viel zu oft völlig darnieder. Ein großes Haus muss dennoch gepflegt werden – und da liegt das Problem.

    Mitte Juni hat Schön über seinen Steuerberater einen Antrag auf Überbrückungshilfe III gestellt. Mit in den Antrag schrieb er die Kosten für eine Reparatur, die nicht mehr aufzuschieben war: „Wir haben ein großes Blechdach, circa 350 Quadratmeter. Bei dem vielen Regen seit dem Frühjahr ist uns irgendwann aufgefallen, dass Wasser durch das Dach kommt“, erklärt Schön. „Ein Unternehmer muss seine Investitionen aus den normalen Umsätzen stemmen können, vielleicht noch mit einem Kredit von der Bank. Aber wir hatten ja keine Umsätze“, sagt Schön. Nach seiner Aussage, hat ein Dachdecker den Schaden begutachtet und festgestellt, dass eine Reparatur nicht mehr ausreicht. Ein neues Dach ist fällig. Kostenpunkt: rund 120.000 Euro.

    Keine Hilfen für kaputtes Dach: Der Steuerberater überbringt die schlechte Nachricht

    Doch kaum ist der Auftrag vergeben, kommt für den Hotelier der Hammer: Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 30. Juni die Förderbedingungen einmal mehr geändert. Notwendige Reparaturen können nur noch angerechnet werden, wenn sie coronabedingt sind. Sein Dach ist damit raus, erfährt Schön von seinem Steuerberater. Als prüfende Dritte müssen diese alle Anträge von Unternehmen bearbeiten und zur Genehmigung an die IHK für München und Oberbayern weiterleiten, die in Bayern die Abwicklung der staatlichen Hilfen übertragen bekommen hat.

    Schöns Frust ist nun groß – und er ist damit nicht allein. Steuerberater Sebastian Hoinle aus Wemding sagt, dass unter seinen Mandanten wohl keiner mehr eine Reparatur zur Berechnung der Coronahilfe III ansetzen könne. „Bei vielen wäre das zuvor kein Thema gewesen.“ Geld bekomme nun beispielsweise noch ein Saunaclub, dem die Fliesen wegen der abgesunkenen Luftfeuchtigkeit in den Räumen durch die lange Schließung von den Wänden fallen, so sei es ihm bei einer Schulung zu den neuen Regeln gesagt worden. Ein Dach sei aber nicht durch coronabedingte Schließungen undicht geworden. Hoinle ärgert aber noch etwas anderes: „Wir haben 20 Mitarbeiter und bearbeiten von früh bis spät solche Anträge. Aber die Rahmenbedingungen werden immer wieder geändert und es gibt wenig Kommunikation dazu mit den Steuerberatern. Dafür wird immer wieder darauf hingewiesen, dass man sich der Beihilfe zum Subventionsbetrug schuldig macht, wenn man einen falschen Antrag einreicht.“

    Ausgezahlte Soforthilfen können wieder zurückgefordert werden

    Hotelchef Schön hat immerhin gleich eine Abschlagszahlung auf seinen Antrag bekommen. Wie viel Geld ihm insgesamt genehmigt wird ist weiter offen. Das ist ein weiteres Problem, das Steuerberater Hoinle anspricht: „Wenn ein Mandant Geld für seine Antrag ausbezahlt bekommt, ist nicht garantiert, dass er davon am Ende nicht wieder etwas zurückzahlen muss. Alle Zahlungen stehen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.“ Konkret heißt das, dass bis spätestens Ende Juni 2022 jeder, der einen Antrag auf Überbrückungshilfe gestellt hat, den Antrag erneut einreichen muss. Dann mit den tatsächlich bei ihm angefallenen Kosten und erzielten Umsätzen, nicht mit den erwarteten Zahlen, die den ursprünglichen Anträgen zugrundeliegen. Alles läuft also eine zweite Schleife, von den Steuerberatern wieder zur IHK für München und Oberbayern, wo es dann endgültig genehmigt wird – und gegebenenfalls Rückforderungen angemeldet werden.

    Unternehmer oder Unternehmerinnen, die nun argumentierten, sie hätten lieber gleich Insolvenz angemeldet, statt eine Reparatur in Auftrag zu geben, wenn sie gewusst hätten, dass sie dafür kein Geld bekommen, hätten schlechte Karten, so Hoinle: „Die Hilfen sind Billigkeitsleistungen des Staates. Es gibt keinen Anspruch.“ Das bestätigt im Grundsatz auch Katharina Toparkus, Sprecherin der IHK München und Oberbayern. Sie sagt: „Gegen die Ablehnung oder Teilablehnung von Anträgen auf Wirtschaftshilfen gibt es in Bayern ausschließlich das Rechtsmittel der Klage zum Verwaltungsgericht.“

    Bis jetzt gibt es rund 160 Klagen gegen die Coronahilfen in Bayern

    Stand Montag gab es demnach insgesamt rund 160 Klagen in Bayern – inklusive bereits beendeter Verfahren –, die sich recht gleichmäßig auf alle Wirtschaftshilfen verteilten. Urteile gibt es noch keine, viele Verfahren laufen noch. Allerdings seien zahlreiche Verfahren bereits beendet, weil die Kläger selbst die Klagen zurückgenommen oder für erledigt erklärt haben. „Vielen ging es um die Korrektur eigener Angaben im Antrag. Diese Fälle konnten durch die inzwischen möglichen Änderungsanträge gelöst werden. Dies war in der vom Bund zur Verfügung gestellten Plattform zunächst nicht möglich“, erklärt Toparkus.

    Dass die Förderbedingungen recht oft geändert wurden, kann sie ebenfalls bestätigen. Doch zum Teil liege das auch in der Natur der Sache: „Es gab keine Blaupause für die Situation. Das Geld sollte schnell fließen, daher waren die Förderbedingungen am Anfang recht allgemein formuliert.“ Toparkus sagt aber auch: „Fehler passieren überall. Es gibt auch immer wieder Anträge, die an Punkten falsch ausgefüllt sind, an denen sich nie etwas geändert hat.“ Dennoch: Viel Ärger ist entstanden, weil der Bund schnelle Hilfe versprach, die Umsetzung dann aber länger brauchte – weil etwa Software nicht rechtzeitig programmiert war.

    Schon wieder gibt es eine Software-Panne

    Das ist nun schon wieder passiert. Seit vergangenen Freitag nimmt die bundesweite Plattform Anträge für die Überbrückungshilfe III plus entgegen – im Wesentlichen ist das die Fortschreibung des Programms für drei weitere Monate bis Ende September. Allein: Die Prüfer können keine Anträge bewilligen, weil die Datenbank dafür wieder nicht rechtzeitig fertig ist. Verantwortlich dafür: das Bundeswirtschaftsministerium. Den Ärger spürt aber die IHK, die für die Bearbeitung der Anträge auch auf bis zu 380 zusätzliche externe Mitarbeiter, zumeist aus Landesbehörden, zählen kann.

    Bayernweit hat die IHK in allen Programmen zusammen bis Anfang Juli 2021 rund 6,2 Milliarden Euro an Wirtschaftshilfen ausgezahlt. Dazu kommen 2,2 Milliarden Euro Soforthilfen, die von den Regierungsbezirken ganz zu Beginn der Coronakrise geleistet wurden. In Schwaben wurden seit Juli 2020 fast 34.000 Anträge auf Coronahilfen gestellt. Mehr als 763 Millionen Euro sind in die Region geflossen. Allein im Rahmen der Überbrückungshilfe III sind es bislang fast 347 Millionen Euro, berichtet die IHK

    Insgesamt hat der Bund 150 Milliarden Euro bereitgestellt

    Rechnet man alle Hilfen der Politik für die Wirtschaft in ganz Deutschland zusammen – Soforthilfe, Überbrückungshilfe, November- und Dezemberhilfe, Oktoberhilfe des Freistaats, Neustarthilfe, Kurzarbeitergeld, Stundung von Steuern und Sozialbeiträgen, Förderkredite der KfW und LfA –, kommt die IHK Schwaben auf die schwindelerregende Summe von 150 Milliarden Euro. Und trotzdem muss Andreas Schön nun für die Reparatur seines Daches anderes Geld auftreiben. „Wir haben zehn Jahre immer wieder Geld für eine Fassadenerneuerung beiseitegelegt. Das fließt nun in die Dachsanierung“, sagt Schön. Das tut ihm weh. Denn die Konkurrenz wächst. Mehr als 3000 Betten sind seit Februar 2020 in Augsburg dazugekommen oder werden das in absehbarer Zukunft tun. Veranstalter und Firmen dagegen seien mit Blick auf steigende Coronazahlen und die unsichere Lage für den Herbst extrem zurückhaltend, was Reservierungen angeht. „Wir haben einen Saal für 200 Leute. Mit Abstandsregeln darf ich dort derzeit nur 55 Personen reinlassen. Damit ist der Umsatz auch nur ein Viertel so hoch“, rechnet Schön vor.

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