Paul Ryan klopfte nach der Abstimmung im Repräsentantenhaus enthusiastisch mit dem Holzhammer auf das Pult. „Heute geben wir dem Volk sein Geld zurück“, sagte der Führer der Republikaner im Kongress mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Und Ryan hat allen Grund sich zu freuen. Dass die zerrissenen US-Konservativen das Steuerpaket nach der peinlichen Schlappe bei Obama-Care nun im Rekordtempo durch Repräsentantenhaus und Senat paukten, überraschte die kühnsten Analysten.
Getrübt wird die Freude durch den Verdacht, die Zustimmung des republikanischen Senators Bob Corker sei in letzter Minute erkauft worden. Unerklärlicherweise fand eine Bestimmung Einzug in das vom Vermittlungsausschuss ausgehandelte Paket, die Corker einen warmen Geldregen bescherte. Corker bestreitet die Korruptionsvorwürfe, kann aber nicht recht darlegen, warum er am Ende mit „Ja“ stimmte.
Die Unternehmenssteuer in den USA sinkt auf 21 Prozent
Letztlich wird das schnell vergessen sein. Denn in Kraft tritt ein Paket, das Unternehmen, Erben und Spitzenverdienern zum Weihnachtsfest viel Freude bereiten dürfte. US-Präsident Donald Trump und die Republikaner feierten ihren Erfolg. Bei einem gemeinsamen Auftritt vor dem Weißen Haus präsentierten sich der Präsident und die Partei einig und geschlossen. „Wir haben jeden Rekord gebrochen“, erklärte Trump. Es handele sich um die größte Steuersenkung in der Geschichte des Landes.
Das Paket hat einen Umfang von knapp 1,5 Billionen Dollar. Dafür nehmen die Republikaner im Widerspruch zu ihrem Wahlprogramm 2016 eine Aufblähung des Haushaltsdefizits in Kauf: Der Steuerausschuss des Kongresses geht von einem Anstieg des Defizits von einer Billion Dollar im Zeitraum von zehn Jahren aus.
Der größte Schritt ist die Verringerung der Unternehmenssteuern von 35 auf künftig 21 Prozent. Das Gesetz schafft darüber hinaus Anreize, die rund drei Billionen Dollar, die US-Unternehmen im Ausland geparkt haben, in die USA zurückzubringen. Leuchtende Augen dürften auch Selbstständige bekommen, die ihre Einkünfte aus der Geschäftstätigkeit als persönliches Einkommen versteuern. Diese können bis zu 20 Prozent ihrer Einkünfte von der Steuer ausnehmen.
Experten weisen darauf hin, dass Trump von der Reform persönlich profitiert. Der Präsident besitzt 25 betroffene Unternehmen, die 2016 zwischen 41 und 68 Million Dollar an Steuern bezahlt haben. Trump kommt auch die Senkung des Spitzensteuersatzes der Einkommenssteuer zugute. Der Vermittlungsausschuss senkte diesen von 39,6 auf 37 Prozent.
Millionärs-Erben kommen zudem bald in den Genuss steuerfreier Einkünfte aus Erbschaft bis zu 11 Millionen US-Dollar. Bisher lagen die Freibeträge bei der Hälfte.
Steuerreform: So profitieren Normalverdiener
Die größte Veränderung für Normalverdiener besteht in der Anhebung der Pauschale, die Steuerzahler von ihrem steuerpflichtigen Einkommen abziehen dürfen. Statt einzeln abzugsfähige Ausgaben aufzulisten, können amerikanische Paare alternativ pauschal bis zu 24000 US-Dollar absetzen.
Im Gegenzug begrenzte der Gesetzgeber die Abzugsfähigkeit von Baukrediten, Einkommenssteuern der Bundesstaaten und Grundsteuern der Kommunen. Davon betroffen sind vor allem Einwohner von Staaten mit hohen Steuersätzen wie New York oder Kalifornien. Hier müssen die Steuerzahler eher mit einer höheren Abgabenlast rechnen.
Abgeschafft wird die allgemeine Versicherungspflicht unter Obama-Care. Wer auf seiner Steuererklärung keine Krankenversicherung nachweisen konnte, musste bisher Strafe bezahlen. Das Entfallen dieser Sanktion lässt Experten befürchten, dass die Prämien der Versicherten in die Höhe schnellen werden.
Für Bezieher geringer Einkommen steckt in dem Gesetz außer der Anhebung der Kinderfreibeträge von 1000 auf 2000 Dollar nicht viel drin. Entsprechend unbeliebt ist das Reformgesetz in der Öffentlichkeit. Nur ein Drittel der Amerikaner äußert sich in Umfragen positiv zu dem Paket, das ohne eine einzige Stimme der Demokraten durch den Kongress ging.
Die Minderheitsführerin der Demokraten, Nancy Pelosi fand drastische Worte. „Der Steuerbetrug der Republikaner ist schlichter Diebstahl“, ereiferte sich die Opposition-Politikerin. „Diese Entscheidung verankert eine permanente Plutokratie in unserer Nation“.
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Umfrageinstitut Civey zusammen. Was es mit den Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier .