Am US-Ölmarkt zeichnet sich nach dem historischen Verfall eines Terminkontrakts und allgemein hohen Verlusten zum Wochenauftakt eine Beruhigung ab. So zog der Preis für amerikanisches Leichtöl (WTI) zur Auslieferung im Juni in den frühen Handelsstunden am Dienstag um 75 Cent oder knapp vier Prozent auf 21,18 Dollar an, nachdem er am Vortag noch um fast ein Fünftel gefallen war.
Auch der Mai-Terminkontrakt, der am Dienstag ausläuft und am Montag bis auf minus 40,32 Dollar gefallen war, drehte zumindest wieder ins Plus und kostete zuletzt etwas mehr als einen Dollar. Erstmals seit Aufnahme des Future-Handels im Jahr 1983 hatten am Montag Käufer bei der Abnahme von Öl Geld erhalten. Zudem war der Preisunterschied zwischen zwei aufeinanderfolgenden Terminkontrakten noch nie so hoch.
Auch der Juni-Kontrakt verliert neun Prozent
Den Turbulenzen am US-Ölmarkt konnte sich auch der Handel mit der Nordseesorte Brent nicht entziehen - hier hatte der Wechsel von den Mai- auf den Juni-Kontrakt schon vor einiger Zeit stattgefunden. Dieser verlor am Montag 2,51 Dollar oder knapp neun Prozent auf 25,57 Dollar und gab am Dienstag in den ersten Handelsstunden leicht nach.
Der Ausnahmezustand am Ölmarkt zeigt einerseits, wie stark Angebot und Nachfrage derzeit auseinanderklaffen. Die Corona-Pandemie legt die ohnehin schon in billigem Öl schwimmende US-Wirtschaft lahm - der Bedarf an dem Rohstoff sinkt dadurch kräftig. Andererseits handelt es sich auch um ein spezielles Phänomen, bedingt durch den am Dienstag verfallenden Terminkontrakt auf US-Öl. Bei solchen Verträgen verpflichtet sich der Verkäufer, eine Menge Öl zu einem festen Preis und Termin zu liefern. Doch Verwendung für den Rohstoff haben viele am Finanzmarkt gar nicht, sie spekulieren nur auf Preisschwankungen - und mussten zum Kontraktende diesmal teuer dafür bezahlen.
Die Öl-Lager laufen wegen der gesunkenen Nachfrage fast über
Selbst abgebrühte Finanzprofis zeigten sich angesichts der extremen Marktsituation am Montag perplex. "Ich hätte nie gedacht, dass ich den Tag erlebe, an dem Öl so niedrig handelt", erklärte Neil Wilson vom Finanzdienstleister Markets.com. Das Hauptproblem ist, dass die Öllager in den USA überzulaufen drohen. Investoren wollen unbedingt vermeiden, auf fehlenden Lagerplatz zu stoßen.
Die Situation ist bereits prekär: Seit Ende Februar sind die Lagerbestände im wichtigen Auslieferungsort Cushing um fast 50 Prozent gestiegen. Laut Experte Moya reflektiert der Preiskollaps, dass Händler sich nun weiter in die Zukunft orientieren müssen. Das zeigt sich auch am nachfolgenden WTI-Kontrakt, der eine Lieferung im Juni vorsieht. Dieser rutschte am Montag zwar auch stark ab, schloss aber mit 20,43 Dollar wesentlich höher als der Mai-Kontrakt.
Die Ölbranche ist schon seit längerem angeschlagen
Der Ölmarkt hält Anleger nicht erst seit Wochenbeginn in Atem. Die Preise sind schon länger auf Talfahrt, obwohl sich große Erdölproduzenten wie Russland und Saudi-Arabien unlängst auf deutliche Förderkürzungen geeinigt hatten. Dass die Länder ihren Preiskrieg beendeten und ein Abkommen erreicht wurde, hatte sich vor allem US-Präsident Trump auf die Fahne geschrieben. Vor gut einer Woche twitterte er noch vom "großen Öl-Deal", der "Hunderttausende Energie-Jobs in den Vereinigten Staaten retten" werde. Doch den Preisverfall konnte das von Trump gefeierte Abkommen nicht aufhalten.
Aus der Not will Trump jetzt eine Tugend machen, indem die US-Regierung die Situation nutzt, um ihre strategischen Reserven aufzufüllen. Es sei geplant, bis zu 75 Millionen Fässer Rohöl zu kaufen, sagte der US-Präsident am Montagabend (Ortszeit) im Weißen Haus. Er werde den Kongress um die nötigen Mittel bitten, damit sich die Regierung den "Niedrigpreis-Rekord" am Ölmarkt zunutze machen könne. "Es ist eine tolle Zeit, Öl zu kaufen", sagte Trump. Er zeigte sich zuversichtlich, dass der Ölpreis schon bald wieder bei etwa 25 bis 28 Dollar pro Barrel stehen werde. (dpa)
Lesen Sie dazu auch: Öl-Kartell Opec: Öl-Förderung wird im Mai und Juni gedrosselt
Über alle Entwicklungen rund um das Coronavirus informieren wir Sie in unserem Live-Blog.
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.