Vielleicht ist es für Janet Yellen auch eine kleine Genugtuung gegenüber Donald Trump, dass sie künftig einen der mächtigsten Jobs innerhalb der US-Regierung bekommt. Aber auch eine Genugtuung gegenüber all den anderen vielen Männern in Medien und Politik, die Frauen nach Äußerlichkeiten beurteilen, was sie bei deren männlichen Kollegen so gut wie nie tun. Trump soll mehrfach gegenüber seinem Wirtschaftsberaterstab getönt haben, er werde die Top-Ökonomin als Chefin der US-Zentralbank feuern, weil Yellen mit unter ein Meter sechzig zu klein für den mächtigen Job sei.
Das war natürlich nur eine von Trumps üblichen puren Gehässigkeiten. Dennoch stürzten sich die US-Medien auf das Thema, obwohl sie es besser wussten. Denn Trump machte kein Geheimnis daraus, dass er Yellens Vertrag an der Spitze der Federal Reserve, kurz Fed genannten Zentralbank, 2018 nicht verlängerte, weil die Top-Ökonomin keine Freundin der amerikanischen Niedrigzinspolitik war und schrittweise den US-Leitzins in ihrer Amtszeit in langsamen Trippelschritten von 0,25 auf zwei Prozent erhöhte.
74-jährige Janet Yellen erbt 21 Billionen Dollar Schulden
Doch das machte Trumps allerwichtigstes Projekt, seine gigantischen auf Pump finanzierten Steuersenkungen, noch teurer, weil die US-Regierung immer mehr für ihre Kredite zahlen musste. Inzwischen ist der Leitzins angesichts der Corona-Krise wieder zurück auf die 0,25 Prozent abgestürzt.
Als designierter Finanzministerin der neuen US-Regierung dürfte das der 74-Jährigen nicht ungelegen kommen: Denn sie erbt von der Trump-Regierung einen Rekordschuldenberg von über 21 Billionen Dollar und soll zusätzlich für den neuen Präsidenten Joe Biden ein gewaltiges 1800 Milliarden teures Konjunkturprogramm finanzieren. Denn es wird vor allem Yellens Job sein, die unter gewaltiger Arbeitslosigkeit leidende US-Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Das Amt des Finanzministers gilt in Friedenszeiten direkt hinter dem US-Präsidenten als mächtigster Posten in der Regierung.
Yellens künftige Befugnisse reichen sogar weit in die Außenpolitik hinein: Ihr Ministerium ist beispielsweise zuständig für die amerikanische Sanktionspolitik, sei es gegen den Iran, gegen das machthungrige China und selbst gegen die Bundesrepublik mit dem auch unter US-Demokraten verhassten deutsch-russischen Gas-Pipeline-Projekt Nord Stream II. Allerdings gilt die erste Frau seit 231 Jahren an der Spitze des US-Finanzministeriums als ausgesprochene Verfechterin des freien Welthandels.
Auch Joe Biden könnte US-Wirtschaft abschotten
Wird die deutsche Wirtschaft von der neuen starken Frau an der Seite des US-Präsidenten Joe Biden profitieren? „Was sich ändern wird, ist sicherlich der Stil, wie Handelskonflikte angegangen werden“, sagt der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr. „Doch Biden erbt das ungelöste Problem einer unausgeglichenen Handelsbilanz und wird von Anfang an unter Druck stehen, die heimische Wirtschaft tendenziell abzuschotten. ,America first‘ ist eine auch ihm vertraute Parole, wenn es um die Interessen der US-Wirtschaft geht.“
Das sei alles andere als ein rein amerikanisches Phänomen, warnt Felbermayr: „China setzt schon länger auf mehr wirtschaftliche Eigenständigkeit, in Europa wird das von Frankreich vorangetriebene Konzept der ,strategischen Autonomie‘ zunehmend populär.“ Die Formel laute: „Staatliche Industriepolitik statt offener Märkte.“ Der Konflikt mit China um Macht und Einfluss werde die kommenden Jahrzehnte prägen: „Denn China wird gemessen an der Wirtschaftsleistung die USA überholen“, sagt Felbermayr.
Kurzfristig könnten Deutschlands Exporte in die USA leiden
Trotz allen politischen Säbelrasselns legten die deutschen Exporte in die USA in der Amtszeit von Donald Trump bis zum Ausbruch der Pandemie insgesamt um elf Prozent zu. Das lag auch an Trumps Steuerreform und der gestiegenen Inlandsnachfrage. Unter der neuen US-Regierung soll sich aber nicht mehr alles um Wirtschaftswachstum drehen.
Nun spielten Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und Infrastruktur wieder eine größere Rolle, sagt Felbermayr: „Das könnte dazu führen, dass der Importsog aus den USA etwas schwächer wird.“ Gelänge es der neuen Regierung aber tatsächlich, wirtschaftliche Ungleichheit und politische Spaltung einzudämmen, „dürfte das langfristig die Wachstumsdynamik stärken und damit zu mehr Konsum und mehr Nachfrage nach europäischen Premiumprodukten führen“.
Der neue Präsident Joe Biden setzt dabei vor allem auf Yellen als ökonomische Wunderwaffe. Als Fed-Chefin schaffte sie es, die Zinserhöhungen so zu dosieren, dass dennoch die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordtief sank. Die Ökonomin, deren Ehemann George Akerlof während ihrer Ehe den Wirtschaftsnobelpreis verliehen bekam, liebäugelte eigentlich mit der Mathematik. „Aber die Wirtschaft bot mehr“, sagte sie in einem Interview. „Ich entdeckte, dass Wirtschaft von enormer Relevanz für unser Leben ist und das Potenzial hat, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“
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