Es hätte das Geschäft seines Lebens sein können. Anfang der 90er Jahre stand die Aktie der A. Moksel AG bei 690 D-Mark. „Ich hätte meine Anteile damals abstoßen müssen, aber ich war zu gierig, wollte mehr, das Unternehmen florierte prächtig“, ärgert sich Günther Oberweiler noch heute. Zum Kurs von gut 100 D-Mark hatte er bereits 1988 „reichlich“ Anteilsscheine des Fleischkonzerns aus Buchloe im Ostallgäu gekauft – wie viele, will er nicht verraten. „Nur so viel: Die Moksel-Aktie war für mich eine große Pleite“, sagt er.
Bis heute hat sich der selbstständige Steuerberater aus Irsee im Ostallgäu dennoch nicht von den Wertpapieren trennen wollen. „Man hängt irgendwie daran, es geht um ein einheimisches Unternehmen, das man über Jahrzehnte in Höhen und leider vielen Tiefen begleitet hat“, erzählt der 65-Jährige. Nun hat er allerdings keine Wahl mehr. Mit dem aktiengesetzlichen Verfahren des „Squeeze-out“ drängt der Mutterkonzern Vion die verbliebenen Minderheitsaktionäre gegen eine Abfindung aus dem Unternehmen. Das ist rechtens, weil der Fleisch-Riese mit Sitz in den Niederlanden bereits gut 95 Prozent der Moksel-Anteile besitzt. Damit endet eine wechselvolle Zeit. Das 1948 von Alexander Moksel gegründete Traditionsunternehmen – seit 1987 an der Börse notiert – wird vom Aktienmarkt verschwinden.
Enteignung hat sich schon lange angekündigt
„Diese Enteignung hat sich lange angekündigt, schon als Vion 2002 eingestiegen ist, daher hält sich der Ärger darüber in Grenzen“, meint Oberweiler. Für den Hauptanteilseigner aus den Niederlanden lohnt sich der Squeeze-out vor allem aus finanzieller Sicht: Aktionäre müssen nicht mehr zur Hauptversammlung geladen werden. Die Kosten sinken. „Vion ist außerdem mit ihrem starken finanziellen Fundament durch die komplette Übernahme eine zusätzliche Gewähr für den langfristigen Bestand der Moksel-Unternehmensgruppe – auch in schwierigen Zeiten“, sagt Vion-Sprecher Gunnar Rohwäder.
Turbulent ging es bei Moksel immer wieder zu. Kleinaktionäre nutzten Hauptversammlungen regelmäßig, um ihrem Zorn Luft zu machen. „Vor allem die Landwirte aus der Region, die Moksel beliefern und Aktien besitzen, hingen immer mit dem Herzen an diesem Unternehmen, sie waren schließlich ein Teil davon“, erklärt Oberweiler.
In Buchloe und Umgebung war Moksel einst eine regelrechte Volksaktie. In Zukunft sei das Unternehmen für die „enteigneten Bauern jedoch nur noch „Aufkäufer von Fleisch“, sagt Oberweiler. Damit geht aus Sicht des Steuerberaters ein großes Stück regionale Identifikation für die Firma verloren, die sich stets bodenständig und heimatverbunden präsentiert hat.
Für die Kunden, Lieferanten und Beschäftigten soll das Verfahren nach Darstellung von Vion-Sprecher Rohwäder jedoch keine „unmittelbaren Auswirkungen“ haben. Er verspricht: „Wir werden am Standort Buchloe auch weiter vertrauensvoll, partnerschaftlich und zuverlässig mit allen Beteiligten zusammenarbeiten.“
7,34 Euro pro Aktie als Abfindung für die Kleinaktionäre
Auf 7,34 Euro pro Aktie hat Vion die Barabfindung für die Kleinaktionäre festgelegt. Diese richtet sich nach dem aktuellen Wert des Unternehmens, den Wirtschaftsprüfer mit einem Blick in die Bilanzen und auf Ertragsprognosen der kommenden drei Jahre ermittelt haben. „Da wurden natürlich die geringst machbaren Zahlen herangezogen“, klagt Oberweiler. Die Frist, um Einspruch gegen den Beschluss einzulegen und damit ein Spruchstellenverfahren anzustrengen, ist für die verdrängten Anteilseigner jedoch Anfang August abgelaufen. Bei einem solchen Vorgehen wäre die Angemessenheit der Abfindung auf Antrag der Aktionäre nochmals gerichtlich überprüft worden.
„Uns hat kein Einspruch erreicht und daher wird die Auszahlung der Abfindung bereits in Kürze erfolgen“, kündigt Unternehmenssprecher Rohwäder an und betont weiter: „Wirtschaftliche Brüche sind für die Moksel-Gruppe durch den Squeeze-out nicht zu erwarten. Es geht weiter – und zwar besser als vorher.“
Dieser günstigen Prognose schließt sich auch Noch-Aktionär Günther Oberweiler an. Die Moksel AG ist in seinen Augen inzwischen ein gesundes Unternehmen mit Substanz. „Wenn wir in Zukunft Gutes über Moksel hören, können wir zumindest sagen: Wir waren auch mal dabei.“ Dennoch bleibt ein tiefer Schmerz zurück: „Ich werde mich wieder ärgern, dass ich meine Aktien damals nicht für 690 D-Mark verkauft habe.“ Willi Dressler
Kurz informiert
1948 gründet Alexander Moksel das Unternehmen in Buchloe als Schlachthof. Schnell expandiert sein Fleischhandel vom süddeutschen Raum nach Süd- und später Osteuropa. 1987 geht Moksel an die Börse. Anfang der 90er Jahre schreibt der Konzern rote Zahlen. Zudem erschüttert die Moksel-Affäre nach dem Fall der Mauer Bayern. Wegen Steuerhinterziehung muss Firmengründer Alexander Moksel 1995 einen Strafbefehl über 2,448 Millionen D-Mark hinnehmen und seine Firma schließlich schweren Herzens verlassen.
Die Moksel AG wird aufgrund ihrer finanziellen Schwierigkeiten in der Folge umstrukturiert, wodurch sich die Ertragslage zunächst verbessert, vor der Jahrtausendwende jedoch wieder abfällt. 2002 erwirbt die niederländische Firma Vion (damals Bestmeat) zunächst gut die Hälfte der Moksel-Aktien und dehnt die Übernahme aus.
2008 schüttet der Konzern erstmals seit 1992 wieder eine Dividende von elf Cent pro Stückaktie aus. 2011 übernimmt Vion per „Squeeze-out-Verfahren“ die restlichen fünf Prozent der Anteile von Kleinaktionären und kündigt an, die Moksel AG von der Börse zu nehmen. Bei der AG mit Sitz in Buchloe sind rund 180 Mitarbeiter beschäftigt, in der gesamten Gruppe 1880. Die Gesellschaft gehört zum Vion-Konzern. Im Jahr 2010 ging der Umsatz der A. Moksel AG um 2,8 Prozent auf 170,7 Millionen Euro zurück. Der Jahresüberschuss der AG betrug 4,3 Millionen Euro (2009: 2,6 Millionen).