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Aldi-Gründer: Theo Albrecht, das deutsche Wirtschaftsphantom

Aldi-Gründer

Theo Albrecht, das deutsche Wirtschaftsphantom

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    Theo Albrecht auf einem undatierten Foto. Der Aldi-Gründer zeigte sich fast nie in der Öffentlichkeit.
    Theo Albrecht auf einem undatierten Foto. Der Aldi-Gründer zeigte sich fast nie in der Öffentlichkeit. Foto: Roland Scheidemann dpa/lnw

    Über Theo Albrecht zu schreiben, erinnert daran, ein uraltes Puzzle in einem Ferienhaus zusammenzulegen, das schon durch die Hände vieler Generationen ging. Einzelne Teile sind verblasst, viele verloren gegangen. Am Ende wird zwar ein Bild stehen, das einen konsequenten, mit Worten kargen, konservativen und katholischen Mann erahnen lässt, aber eben kein üppiges Gemälde, pflegte der Patriarch doch keinen Umgang mit Journalisten. Ja, er legte selbst größte Gelassenheit an den Tag, wenn Reporter des Manager Magazins in regelmäßigen Abständen kritische Dossiers über ihn und seinen Bruder zusammentrugen, in denen über nachlassende Erfolge im Inland und die Abberufung familienfremder Manager die Rede ist.

    Theo Albrecht predigte den Verzicht auf Unnötiges

    Die beiden Firmen-Lenker nehmen solche Annäherungsversuche mit Gleichmut hin, zumal sie im Gegensatz zu anderen Größen des Handels wie Lidl oder Schlecker eine gute Presse vorweisen können - und das mit reduzierter Medienarbeit. Es gibt Aldi-Fanklubs und eine inzwischen stattliche Literaturliste, deren Titel von Sympathie für den Discounter zeugen. Titel wie "Grillen mit Aldi", "

    Dessen Philosophie muss nicht mühsam wie ein Puzzle zusammengelegt werden. Sie ist ganz klar. Wenn "Askese die höchste aller Künste ist", wie es Mahatma Gandhi sagte, haben die Albrecht-Brüder in dieser einiges erreicht, beim Aufbau ihrer Ladenkette. Denn von Anfang an verzichten sie auf Schnickschnack, bieten ihren Kunden in der heutigen Unübersichtlichkeit der Warenwelt ein überschaubares Sortiment an - und vor allem zu günstigen Preisen.

    Karl und Theo Albrecht erfanden das Discount-Prinzip

    Das Kölner Institut für Handelsforschung hat herausgefunden, Aldi würden mehr Menschen als jedem anderen Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel vertrauen. Dabei billigen Wirtschaftshistoriker Theo und Karl Albrecht zu, das Discount-Prinzip in Deutschland erfunden und in die Welt exportiert zu haben. Made in Germany kann auch billig sein und besteht nicht nur aus Porsche, Daimler, Audi und BMW. Wer eine der zurückhaltend möblierten Aldi-Filiale betritt, findet sich schnell zurecht, hat rasch seine Siebensachen für das tägliche Überleben beisammen, ohne etwa unter 30 verschiedenen Zahnpasta-Marken eine qualvolle Entscheidung treffen zu müssen. So kommt der Kunde rasch durch, zumal auch das Kassenpersonal den Ruf genießt, den Einkauf alles andere als in die Länge zu ziehen. Verzögerungen entstehen nur, wenn man sich in den schlichten Hallenbauten durch das immer wieder neue Nonfood-Segment aus allen Lebenslagen (so werden neudeutsch Dinge umschrieben, die man nicht essen kann) ablenken lässt.

    Der ehemalige Oetker-Direktor Dieter Baader formulierte es einmal so: "Aldi ist der größte handelspolitische Markenerfolg in der westlichen Welt." Das Geschäftsprinzip wurde über Europa hinaus bis nach Australien und in die USA getragen. Dieses Puzzle lässt sich immerhin mit wenigen Handgriffen zusammenfügen.

    Theo Albrecht: Entführung wie im Fernseh-Krimi

    Um Theo Albrecht und damit auch seinen Bruder zu verstehen, hilft ein Griff in die Archive, genauer gesagt die Lektüre von Artikeln eines Entführungsfalls, der im November 1971 Schlagzeilen machte. Ein Rechtsanwalt mit hohen Spielschulden und ein mehrfach vorbestrafter Tresorknacker kidnappten Theo Albrecht mit vorgehaltener Pistole und verschleppten ihn in die Düsseldorfer Kanzlei des Juristen. Darauf lief die bis dahin größte Fahndungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik an.

    Der einst führende Aldi-Manager Dieter Brandes erinnert sich: "Im Betrieb hieß es die ersten Tage, Theo bleibe mit einem Schnupfen zu Hause. An sich eine einleuchtende Erklärung, aber nicht bei Theo Albrecht." Niemand habe daran zurückdenken können, dass der Unternehmer jemals wegen Krankheit dem Betrieb ferngeblieben sei.

    Albrecht musste eine knapp dreiwöchige Leidenszeit überstehen, ehe er gegen ein Lösegeld von damals enorm hohen sieben Millionen D-Mark freikam. Der Ruhrbischof Franz Hengsbach half bei der Aktion. Im späteren Prozess wurde deutlich, welch seelische Qualen der Unternehmer zu durchleiden hatte: Als ein Entführer ihm ein Weihnachtsgeschenk in Aussicht stellte, deutete Albrecht dies als Sprengstoffpaket. Tatsächlich aber hatte der Verbrecher ihm zwei Bücher eingepackt, und zwar "Al Capone" und "Der dressierte Mann".

    Nach den Tagen der Peinigung muss Albrecht den Entschluss gefasst haben, fortan ein gepanzertes Leben zu führen. Er hat sich dazu nie geäußert, aber die Vermutung liegt nahe, dass der Aldi-Gründer wie andere Entführungsopfer in eine geschützte Zone abzutauchen versucht, weil ihm die Welt als Hort stetiger Unsicherheit erscheint.

    Die Albrecht-Brüder wurden endgültig zu Phantomen. Die wenigen Bilder der Firmen-Chefs - die letzten aus den 80er- und 90er-Jahren - zeigen schlanke, eher größere, bescheiden auftretende Männer mit grauen Haaren, altmodischen Brillen, die Kassenmodellen gleichen. Sie tragen graue, schlichte Anzüge.

    In der Mitteilung des Unternehmens zum Tod von Theo Albrecht heißt es denn auch, die Firma trauere um einen Menschen, der gegenüber seinen Geschäftspartnern und Mitarbeitern bescheiden aufgetreten sei und sie immer mit großem Respekt behandelt habe.

    Bis zu seinem Tod war nicht einmal der genaue Geburtsort des Konzernherrn bekannt. Mittlerweile ist bekannt, dass Theo Albrecht in Essen geboren ist. Nach wie vor nebulös bleibt jedoch sein Geburtstag. Wahrscheinlich war es der 13. März, es könnte aber auch der 28. März gewesen sein. Als Theos älterer Bruder Karl Anfang dieses Jahres 90 Jahre alt wurde, gab es ein ähnliches Rätselraten unter den Porträt-Schreibern. Die Welt hat damals treffend getitelt: "Geburtstagswünsche unter Vorbehalt. Karl Albrecht wird 90 Jahre alt - vermutlich."

    Trotz all dem lässt sich das wage Bild des Unternehmers doch um einige Bestandteile ergänzen, die von offizieller Aldi-Seite nicht bestritten werden.

    So bauten Karl und Theo Albrecht das Aldi-Reich auf

    Die beiden Brüder übernahmen 1946, nachdem sie am Krieg teilgenommen hatten, das elterliche Lebensmittelgeschäft. Die Mutter hatte es in einem Essener Vorort aufgebaut, nachdem der Vater wegen einer Staublunge aus dem Bergbau ausscheiden musste und eine schlecht bezahlte Arbeit in einer Brotfabrik annahm.

    Theo und Karl Albrecht machten sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs daran, ihre Ruhrpott-Version des amerikanischen Traums zu schreiben. Schon 1950 hatten sie aus der Keimzelle des mütterlichen Ladens eine Kette mit 13 Geschäften geformt. Acht Jahre später waren es 170 und 1960 ganze 300 Läden. Aber erst 1962 erblickte der erste "Aldi-Markt" (der Name kommt von Albrecht-Discount) in Dortmund das Licht der Welt und mit ihm eine Revolution der Schlichtheit im deutschen Lebensmittelhandel. Auf solche Phasen raschen Wachstums kann schnell Ernüchterung folgen, zumal wenn in einem Familienunternehmen plötzlich unterschiedliche Meinungen über die weitere Expansion auftauchen.

    Die Brüder vermieden aber jeglichen Zank, in dem sie 1961 das Aldi-Reich aufteilten. Theo Albrecht fiel der nördliche Teil Deutschlands zu. Er sollte sein Areal des regional aufgestellten Unternehmens künftig noch eine Spur knausriger als sein Bruder Karl führen, der den Süden der Republik für sich reklamierte und von dort aus den Discount-Gedanken in die Welt trug. In Österreich kann man die vertraute Aldi-Welt zum Beispiel unter der Marke Hofer betreten. Farblich sind die beiden Teile des Unternehmensgebietes leicht zu unterscheiden. Die

    So vertraut, so allseits bekannt diese Tüten sind, so lückenhaft bleibt am Ende das Bild eines der größten deutschen Unternehmer. Über dessen Privatleben wissen wir wenig wissen und wollen nicht spekulieren. Theo Albrecht hatte als gläubiger Mensch zuversichtlich, aber auch vehement sein Ziel verfolgt. Mit seinem Bruder gehörte er zu den reichsten Menschen Deutschlands. Ob aber Milliarden ein gepanzertes Leben aufwiegen? Dieses Porträt bleibt ein Puzzle, ein unvollständiges. AZ

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