Ole Nymoen hat als Co-Autor ein kritisches Buch über Influencer geschrieben und findet manches an ihnen absurd. Trotzdem versinkt er manchmal in den sozialen Medien, schaut sich minutenlang Videos von Influencern an. „Die Mechanismen sind so subtil, dass man ihnen selbst nicht entkommt, wenn man ein kritisches Buch darüber schreibt“, sagt er.
Er meint die sozialen Netzwerke, auf denen Influencerinnen und Influencer, auf Deutsch „Beeinflusser“, Abonnenten, ihren Alltag zeigen, mit Ihnen in Kontakt treten und für Produkte werben. 15 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 64 Jahren haben schon einmal etwas gekauft, weil Influencer dafür geworben haben. Das ergab eine Umfrage der Statistikplattform Statista im September 2021. Followerinnen und Follower klicken entweder auf die Werbung für Produkte, oder behalten sie durch Werbung im Hinterkopf und greifen später zu. Das Augsburger Start-Up Hye vermarktet seine Wellnessgetränke beispielsweise mit Influencerin Cathy Hummels, eine bekannte deutsche Influencerin mit 600.000 Followern. Es gibt aber noch bekanntere wie das Fitnessmodell Pamela Reif. Sie postet Urlaubsbilder, macht Workoutvideos und schreibt Kochbücher. Acht Millionen Menschen folgen ihr jeweils auf Instagram und der Videoplattform Youtube. Wie groß ist der Einfluss von Influencern?
„Follower lassen sich durchaus beeinflussen. Nicht nur im Kaufverhalten, auch in anderen Bereichen wie Sport, wo Influencer durch Fitnessübungen motivieren oder inspirieren können“, sagt Silke Bartsch, Gastprofessorin in strategischer Kommunikationsplanung an der Universität der Künste in Berlin. Sie befasst sich wissenschaftlich mit Influencern.
Follower sehen Influencerinnen als Freunde
Dafür, dass Menschen ihnen in den sozialen Medien folgen, gebe es verschiedene Motive, sagt Bartsch. „Die einen wollen Informationen, Tipps oder Erzählungen, andere wollen unterhalten werden.“ Manche folgten auch einfach um im Trend zu sein und um auch bei weniger Interesse im sozialen Umfeld mitreden zu können.
Warum sind Influencer so faszinierend? Das liege an der Beziehung zu den Followern, sagt Bartsch. „Die Beziehung können sie gestalten, indem sie durch Liveschalten interagieren oder die Follower in die Erstellung ihrer Inhalte miteinbeziehen.“
Sie haben verschiedene Rollen. „Sie werden in den Bereichen Sport, Mode oder Make-Up als Experten gesehen, manche sind auch Vorbilder für Jüngere.“ Und Follower sehen Influencer sogar als Freunde: „Folgt man jemandem täglich, kann man eine enge Beziehung zu einem Influencer entwickeln. Vielleicht telefoniere ich nicht jeden Tag mit Freunden, aber den Influencer, der täglich etwas postet, treffe ich jeden Tag online.“ Dass Influencer auch Privates aus dem alltäglichen Leben teilen, schaffe Nähe und Vertrautheit.
Ein Machtungleichgewicht ist vorprogrammiert
Diese Nähe sieht Ole Nymoen kritisch, er spricht mit Filmkritiker Wolfgang Schmitt im Podcast Wohlstand für Alle über Geld und hat mit ihm das Buch Influencer: Die Ideologie der Werbekörper geschrieben. Er sagt, manche Influencer seien nachdem sie ein neues Bild hochladen für eine Stunde in den Kommentaren aktiv und beantworten diese. „Die Fans schreiben so etwas wie ‚wow, super Bild!’ und die Influencer schreiben Danke und einen Herzchen-Emoji. Dann freuen sich die Fans, dass mit ihnen ’kommuniziert’ wurde.“ Nymoen findet das absurd: „Jemand nimmt sich 30 Minuten Zeit um ein paar Likes zu vergeben und Danke-Kommentare zu schreiben, das hat mit richtiger Kommunikation nichts zu tun.“
„Sie nutzen psychologische Schwächen der Menschen aus.“
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Haben Influencer Macht über Ihre Follower? Nymoen wird deutlich: „Sie wollen, wie der Name schon sagt, kein mündiges Publikum. Influencer beeinflussen und manipulieren, ihr Publikum wird als Follower bezeichnet und soll folgsam sein.“ Das suggeriere ein Machtungleichgewicht, das in dem System programmiert und gewünscht sei.
Dass Influencer eine Art Gefolgschaft haben, sieht Silke Bartsch weniger kritisch. „Jeder folgt ja freiwillig, keiner wird dazu gezwungen und die Entscheidung hat jeder selbst.“ Dass man immer auf dem neuesten Stand bleiben wolle sei zwar ein Effekt, den Influencer erzeugen, aber grundsätzlich könnten Abonnenten entfolgen.
Influencer lenken die Aufmerksamkeit auf Themen
Bartsch findet, Macht sei nicht das richtige Wort, sagt aber: „Ich glaube, dass Influencer ihren Einfluss nutzen können, um auf gesellschaftlich relevante Dinge aufmerksam zu machen.“ Sie könnten auch Position beziehen, aber: „Eine Debatten- oder Diskussionskultur zu schaffen, ist nicht der Sinn und Zweck bei den meisten Influencern.“
Doch gesellschaftspolitische Themen finden in sozialen Medien und bei Influencern statt. Ein extremes Beispiel ist Louisa Dellert. Sie wurde als Fitnessbloggerin bekannt und stzt sich inzwischen hauptsächlich mit politischen Themen auseinander und wirbt für Nachhaltigkeit. Viele andere Influencer sind oberflächlicher. „Sie wollen bei Themen auf der guten Seite stehen, zu denen sie sich vor ein paar Jahren noch nicht äußern wollten, weil sie die zu heikel fanden und keine Leute verstoßen wollten“, sagt Ole Nymoen.
Das findet er unglaubwürdig. „Dass Influencer politische Themen, die lange Zeit von Randgruppen vorgetragen wurden, vereinnahmen und kommerzialisieren, sehe ich kritisch. Ich bin nicht davon überzeugt, dass es da wirklich um die gute Sache geht.“
Influencer werden mächtiger
Der Einfluss von Influencern wird weiter wachsen, glaubt Nymoen. Das liege auch daran, dass die Social-Media-Plattformen perfekt auf das Nutzerverhalten abgestimmt seien. „Sie nutzen bestimmte psychologische Schwächen der Menschen aus, damit sie auf diesen Plattformen bleiben.“ An eine aufklärerische Gegenbewegung glaubt er nicht. „Ich sehe nicht, dass junge Leute auf einmal sagen, dass diese ganze Welt unreal, oberflächlich und dämlich sei und das sein lassen.“
Am ehesten gegensteuern könne das Bildungssystem. Ein Problem könnten aber Social-Media unerfahrene Lehrer sein: „Viele wissen gar nicht, was auf Instagram passiert, wie sollen die junge Menschen zu einem kritischen Verständnis bringen?“