Bei jeder Krise ist es ja eigentlich so: Für viele läuft es nicht wirklich gut - aber einige gehören zu den Gewinnern. Bei der Corona-Pandemie ist einer dieser Gewinner eindeutig der Online-Handel und alle, die damit verbunden sind. Prominentestes Beispiel: Jeff Bezos. Der Amazon-Chef verdiente vor kurzen an einem einzigen Tag 13 Milliarden Dollar. Natürlich gibt es weitere Fälle - die zwar ähnlich erfolgreich sind, aber weniger im Rampenlicht stehen. Shopify etwa.
Das Unternehmen mit Sitz in Kanada verkauft Software, mit der Händler Online-Shops betreiben können. Die Plattform ermöglicht ihnen aber auch, ihr Kassensystem im Laden zu betreiben, oder Waren direkt über soziale Medien wie Instagram oder Facebook zu verkaufen. Gegründet hat die Firma Tobias Lütke. De 40-Jährige stammt ursprünglich aus Koblenz und ist 2002 der Liebe wegen nach Kanada ausgewandert. Zwei Jahre später startete er einen Online-Geschäft für Snowboards. Doch er merkte schnell: Die Handelssoftware, die er gerne dafür gehabt hätte, gab es noch gar nicht. Also programmierte er sie selbst und stellt kurz darauf fest: Die Software ist begehrter als die Snowboards. So war Shopify geboren. Das Unternehmen ist an sich schon eine Erfolgsgeschichte, weil es seit seiner Gründung immer weiter wuchs. Das US-Magazin Forbes schätzt das Vermögen von Lütke inzwischen auf 9,1 Milliarden Dollar - auf der Liste der reichsten Menschen der Welt belegt er damit Platz 680. Doch die Corona-Pandemie hat das Wachstum der Firma noch einmal befeuert.
Wert der Shopify-Aktie hat sich durch Corona verdreifacht
Das lässt sich zum einen am Aktienkurs ablesen. Innerhalb weniger Monate verdreifachte die Aktie ihren Wert: Mitte März war sie noch etwa 320 Euro wert. Inzwischen sind es rund 920 Euro. Doch auch die Anzahl der Händler, die mit der Software der Firma arbeiten, ist rasant gestiegen, sagt Roman Rochel. Der Berliner arbeitet seit etwa zehn Jahren in der Start-up- und Technologie-Branche und ist Europa-Chef von Shopify. Er sagt: "Vergleicht man den März 2019 mit dem März 2020, ist die Zahl der Händler um 49 Prozent gesteigen. Im Februar waren es 31 Prozent mehr." Über eine Million Händler weltweit verwenden die Software der Kanadier inzwischen. Jeder zehnte deutsche Online-Kunde habe schon bei einem Internet-Laden eingekauft, der über Shopify laufe, sagt Rochel. Und noch etwas konnten die Kanadier seit Ausbruch der Corona-Pandemie beobachten: "Viele der neuen Händler verzeichnen schon in der ersten Woche Online-Umsätze", sagt er. "Dadurch können wir darauf schließen, dass das viele alteingesessene, lokale Händler sind, die zu Beginn der Corona-Krise einen Online-Shop eröffnet haben", sagt Rochel.
Der Firma kamen zu Beginn der Corona-Krise zwei Dinge zu Gute: Viele Händler durften nicht mehr öffnen, wollten oder mussten aber weiterhin Umsatz machen, auch um ihre Fixkosten zu decken. Wie? Übers Internet. Also eröffneten etablierte lokale Händler Internetableger - und griffen dabei zum Teil auf das Shopify-Angebot zurück. Zum anderen war die Nachfrage nach Dingen ja nicht einfach weg, nur weil keine Geschäfte mehr offen hatten. Die Menschen kauften dennoch ein. Nur eben im Netz. Das zeigen Zahlen des E-Commerce-Verbandes - einem Zusammenschluss von Online- und Versandhändlern. Im ersten Halbjahr 2020 sei der Online-Handel um 16,5 Prozent gewachsen, heißt es von dort. Vor allem die Nachfrage nach Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs habe stark zugenommen. Auch Shopify hat Daten dazu, was die Menschen zu Beginn der Pandemie im Internet eingekauft haben. So habe in den ersten Wochen der Pandemie etwa der Absatz von Handarbeitsmustern um 1764 Prozent zugenommen, der von Puzzeln sei um 1211 Prozent und von Trainingsbändern um 784 Prozent gestiegen. Wer nicht mehr bummeln kann, muss sich ja irgendwie anders beschäftigen.
Wegen Corona: Shopify will keine Prognose für das gesamte Jahr 2020 abgeben
Und wie blickt das Unternehmen nach diesem Rekordfrühjahr in die Zukunft? "Die Entwicklung, die wir jetzt durch Corona hatten, damit haben wir eigentlich für die kommenden Jahre gerechnet", sagt Rochel. Um den Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden, habe man einige Entwicklungen vorgezogen - zum Beispiel können Händler jetzt Gutscheine erstellen, die sie dann wiederum an ihre Kunden verkaufen können. Eine Möglichkeit, die gerade zu Beginn der Pandemie begehrt war. Es gibt nun auch die Möglichkeit für Händler, Waren, die im Internet zu bestellt wurden, vor Ort abholen zu lassen.
Und sonst? Rochel selbst kann sich dazu nicht äußern - weil Shopify an der Börse notiert ist. Aber im Quartalsbericht, den Shopify Ende Juli veröffentlichte, ist zu lesen: "Die Covid-19-Pandemie hat das Wachstum des Online-Handels beschleunigt und dazu geführt, dass ein größerer Teil der Ausgaben im Einzelhandel ins Internet gewandert ist. Wir glauben, dass dieser Trend anhalten wird." Allerdings betont das Unternehmen auch, dass niemand voraussagen könne, wie die Pandemie weiter verlaufe. "Deshalb erstellt Shopify keinen Ausblick für das dritte Quartal 2020 oder für das gesamte Jahr."
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