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Steuerhinterziehung: Cum-Ex-Strippenzieher Hanno Berger in der Schweiz festgenommen

Steuerhinterziehung

Cum-Ex-Strippenzieher Hanno Berger in der Schweiz festgenommen

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    Hanno Berger in Zuoz (Schweiz), wo er seit Jahren lebt.
    Hanno Berger in Zuoz (Schweiz), wo er seit Jahren lebt. Foto: Holger Sabinsky-Wolf

    Als die Ermittler in seiner Frankfurter Kanzlei anrücken, ist Hanno Berger schon auf dem Weg in sein Schweizer Ferienhaus. Fast neun Jahre ist das jetzt her und der Mann, der als Strippenzieher im sogenannten Cum-Ex-Steuerskandal gilt, hat seitdem keinen Fuß mehr über die deutsche Grenze gesetzt. In den Bergen von Graubünden führte er eine regelrechte Verteidigungsschlacht.

    Während die deutsche Justiz ihn per Haftbefehl suchte und dafür zur Rechenschaft ziehen will, dass Staaten möglicherweise mehr als 50 Milliarden Euro an Steuereinnahmen entgingen, ist er selbst davon überzeugt, nur cleverer als andere eine Gesetzeslücke genutzt zu haben. Am Mittwoch ist Hanno Berger nach Informationen unserer Redaktion in Zuoz festgenommen worden.

    Im Schweizer Bergdorf Zuoz haben wir Hanno Berger im vergangenen Winter besucht.
    Im Schweizer Bergdorf Zuoz haben wir Hanno Berger im vergangenen Winter besucht. Foto: Michael Stifter

    Wie das Schweizer Bundesamt für Justiz bestätigte, sitzt er nun in Auslieferungshaft. Muss er sich nach all den Jahren in seinem Exil doch noch vor einem deutschen Gericht verantworten? Nicht, wenn es nach ihm geht. Eine Sprecherin der Behörde sagte, der 70-Jährige habe in einer ersten Vernehmung erklärt, er wolle sich der Auslieferung widersetzen.

    Cum-Ex-Geschäfte brachten den Staat um Milliardensummen

    Bevor Hanno Berger zu „Mister Cum-Ex“ wurde, war er oberster Bank-Steuerprüfer in Hessen. Er schaute den ganz großen Konzernen auf die Finger. Doch Mitte der 90er wechselte er die Seiten, tüftelte nun selbst Steuersparmodelle für wohlhabende Mandanten aus. Er stieß auf sogenannte Cum-Ex-Geschäfte. Dabei geht es darum, rund um den Tag der Hauptversammlung, an dem börsennotierte Unternehmen einen Teil ihrer Gewinne ausschütten, mit deren Aktien zu handeln. Auf diese Gewinnausschüttung, auch Dividenden genannt, werden Abgaben fällig, die sich der Käufer später via Steuererklärung wieder zurückerstatten lassen kann.

    Das Problem dabei: Weil im voll digitalen Wertpapierhandel die Aktien rasend schnell den Besitzer wechseln, lässt sich nicht zweifelsfrei nachvollziehen, in wessen Depot sie in dem Moment der steuerpflichtigen Gewinnausschüttung lagen. Manche Marktteilnehmer handelten sogar mit Aktien, die sie noch gar nicht selbst hatten. Solche Leerverkäufe sind legal – führten allerdings in diesem Fall dazu, dass mehrere Anleger gleichzeitig für eine Aktie die bezahlten Steuern geltend gemacht haben. Vereinfacht gesagt: Der Staat erstattete Steuern zurück, die er gar nicht erhalten hatte.

    Hanno Berger hat bis heute keine Schuldgefühle

    Berger hat diese Lücke erkannt und seinen reichen Auftraggebern damit zu noch mehr Geld verholfen. Als wir ihn im vergangenen Dezember in der Schweiz zum Gespräch trafen, zeigte er keinerlei Schuldgefühle. „Es ist nicht meine Aufgabe, eine unzureichende Gesetzgebung zu reparieren und immer daran zu denken, was der Staat sich vielleicht dabei gedacht haben könnte“, sagte der Jurist damals.

    Berger bestritt gar nicht, dass der Staat auf diese Weise um zig Milliarden Euro gebracht wurde. Dass ihn gleich mehrere deutsche Staatsanwaltschaften deshalb wegen schwerer Steuerhinterziehung belangen wollen, hält er dennoch für einen Skandal. „Für mich gibt es kein Gesetz mehr in Deutschland, ich bin vogelfrei“, beklagte er. Der Anwalt ist felsenfest überzeugt davon, dass die „Steuergestaltung“, wie er den Cum-Ex-Trick nennt, im Einklang mit den damals gültigen Gesetzen erfolgte. Das Steuerschlupfloch wurde erst im Jahr 2012 geschlossen. Deutsche Staatsanwaltschaften ermitteln inzwischen gegen mehr als 1000 Beschuldigte in der Affäre.

    Seit März läuft ein Prozess vor dem Landgericht Wiesbaden, in dem es auch um Bergers Rolle geht. Verhandelt wird dort über die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt gegen zwei ehemalige Mitarbeiter der Hypovereinsbank. Ihnen wird Steuerhinterziehung mithilfe eines komplexen Systems vorgeworfen. Berger, der die Anschuldigungen abstreitet, sei die „treibende“ Kraft gewesen. Der 70-Jährige erschien nicht zum Gerichtstermin, sein Verfahren wurde deshalb abgetrennt. Eine Verhandlung gegen ihn schien in weite Ferne gerückt, da Berger sich weigerte, nach Deutschland zurückzukehren.

    Dem 70-jährigen Hanno Berger drohen bis zu 15 Jahre Haft

    Nach der überraschenden Festnahme könnte der Prozess nun doch noch in absehbarer Zeit stattfinden. Hanno Berger drohen bis zu 15 Jahre Haft. „Mister Cum-Ex“ wird sich aber wohl mit aller Macht wehren. Er hat die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen seine Auslieferung einzulegen. Das Verfahren liegt beim Schweizer Bundesamt für Justiz. Gegen einen Bescheid des Amtes kann Berger Beschwerde einlegen. Letztlich dürfte der Fall bis vor das Schweizer Bundesgericht gehen. Das Verfahren kann sich über Wochen oder Monate hinziehen.

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