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Standort Burtenbach: Kögel: Der schwäbische Anhänger-Streit

Standort Burtenbach

Kögel: Der schwäbische Anhänger-Streit

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    Archivbild
    Archivbild Foto: Bernhard Weizenegger

    Inzwischen glauben nicht wenige der 440 Mitarbeiter der Kögel Trailer GmbH in Burtenbach (Kreis Günzburg), dass sie mitten in einem Wirtschaftskrimi stecken. Sie sprechen von "Nervenkrieg". "Wir wollen kein Spielball undurchsichtiger Machenschaften sein", stellte Betriebsratsvorsitzender Leo Berger öffentlich fest.

    Seit Wochen erfahren die Beschäftigten fast täglich aus der Zeitung erfahren, wie der neue Investor Ulrich Humbaur aus Gersthofen (Kreis Augsburg) und die Altgesellschafter um Hieronymus Graf Wolff Metternich sich die Argumente um die Ohren schlagen - oder positiv formuliert: um den Standort ringen.

    Humbaur hatte nach der Insolvenz von Kögel im vergangenen Jahr zwar Marke und Patente des großen Herstellers von Sattelaufliegern erworben, nicht aber das Gelände samt Produktionshallen in Burtenbach. Elf Millionen Euro soll der neue Investor dem früheren Kögel-Eigentümer SMB (Schöller-Metternich-Beteiligungen) geboten haben, doch der Grundstückseigentümer hat bisher nicht eingeschlagen. Stattdessen werfen die Vertreter der

    Beschäftigte und Betriebsrat verfolgen den Streit mit großer Aufmerksamkeit. Sie schwanken zwischen Wut und Sarkasmus, Trauer und Verzweiflung. Vor zwei Wochen zogen sie gemeinsam mit Angehörigen, Freunden und Politikern vor das Schloss im benachbarten Jettingen, das Graf Metternich bewohnt, um für ihren Betrieb zu demonstrieren. 600 Menschen buhten und pfiffen, als ein Gewerkschaftsvertreter einem Abgesandten von Metternich am verschlossenen Tor eine Resolution übergab.

    Der Kögel-Betriebsrat wirft den Altgesellschaftern vor, mehr als 50 Millionen Euro aus der Substanz des Unternehmens herausgezogen zu haben. Unter der Miteigentümerschaft von Graf Metternich sei Kögel zum drittgrößten Trailerhersteller Europas aufgestiegen und habe 2008 ein "sensationelles Ergebnis" eingefahren, sagt der Betriebsratsvorsitzende Berger. Zwölf Monate später ging das Unternehmen pleite. "Warum?", fragt er.

    Metternich widerspricht der Darstellung heftig, er habe das Unternehmen in die Insolvenz getrieben. Nicht einmal die im Wirtschaftsprüfungsbericht ausgewiesenen Gewinne nach Steuern seien entnommen worden. Kögel sei nicht belastet worden. Bewusst, so Metternich, werde die Holding mit Kögel in Burtenbach vermischt, "um die Altgesellschafter zu verunglimpfen".

    Gewerkschaftssekretär Günter Frey spricht von einem "versauten Gesprächsklima". Der IG-Metall-Vertreter sowie Geschäftsführer Jürgen Steinbacher wandten sich Hilfe suchend an das Bayerische Wirtschaftsministerium. Das Ministerium sicherte bei einem Gespräch am Mittwoch in München zu, eine "politische Persönlichkeit" als Schlichter vorzuschlagen.

    Parallel dazu laufen die Mahnwachen weiter. Seit Montag stehen Beschäftigte rund um die Uhr vor dem Werkstor, um das öffentliche Interesse am Fall Kögel aufrecht zu halten. "Am Freitagabend um 20 Uhr wird die Mahnwache unterbrochen, am Montag um 6 Uhr geht sie weiter - die ganze Woche lang", kündigt Gewerkschaftssekretär Frey an.

    In dieser Woche ist erstmals seit mehr als einem Jahr in Burtenbach wieder durchgehend produziert worden. Wenn es am Wochenende keine Einigung gibt, droht Anfang nächster Woche der Abbau von Produktionsanlagen. "Wenn Schweißerei und Lackieranlagen erst mal weg sind, wird es schwierig werden, das Rad zurückzudrehen", befürchtet Elmar Heim von der IG Metall.

    Indes bahnt sich neues Ungemach an. Laut Gewerkschaft und Betriebsrat haben mehr als 20 Beschäftigte aus der Entwicklungsabteilung gekündigt. Auch der IT-Bereich sei ausgedünnt. "Es hat den Anschein, dass es Strohmänner gibt, die die für den Betrieb überlebenswichtigen Mitarbeiter rauspicken und sie bei sich sammeln", sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Johann Wisura. Es wird kolportiert, dass asiatische Investoren dahinterstecken, die den Standort übernehmen wollen. Die Altgesellschafter haben vor wenigen Tagen eine Duldungserklärung unterzeichnet, wonach Kögel bis Mitte März bleiben kann. Der Wirtschaftskrimi geht in seine entscheidende Phase. "Wir hoffen auf einen amerikanischen Ausgang - mit einem Happy End", meint Gewerkschaftssekretär Frey. Georg Schalk

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