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Spedition Dachser: Wie ein Allgäuer Käse-Chauffeur zum Global Player wurde

Spedition Dachser

Wie ein Allgäuer Käse-Chauffeur zum Global Player wurde

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    Für das Familienunternehmen, das 2017 über sechs Milliarden Euro Umsatz machte, sind weltweit 8600 Fahrzeuge im Einsatz. 
    Für das Familienunternehmen, das 2017 über sechs Milliarden Euro Umsatz machte, sind weltweit 8600 Fahrzeuge im Einsatz.  Foto: Dachser

    Bodenständigkeit. Sie ist viel wert in einer Welt des rasanten Wandels. Aber kommt diese urtypische Allgäuer Eigenschaft nicht unter die Räder in einer Firmengruppe, die 396 Standorte auf allen Kontinenten betreibt? Die rund um den Globus über 30000 Menschen beschäftigt?

    Bernhard Simon schüttelt bei dieser Frage den Kopf. „Ein Unternehmen lebt immer auch von seiner Herkunft“, sagt der Vorstandschef des Logistik-Riesen Dachser. Nicht zuletzt aus diesem Grund sei die Spedition all die Jahre ein Familienunternehmen geblieben – eines, das die Mitarbeiter als Familienmitglieder betrachtet. Für diese Erdung steht auch der leuchtend-blaue Firmenschriftzug am Hauptsitz Kempten. Andere hätten ihn weithin sichtbar auf dem Dach platziert. Bei

    Bernhard Simon: „Wir sind auf Kurs“

    Dabei hätte der 58-jährige Enkel des Firmengründers Thomas Dachser, seit 2005 Sprecher der Geschäftsführung, durchaus Grund zum Abheben. Dachser ist in den vergangenen Jahren dank strategischer Expansion und eines immer engmaschigeren Distributionsnetzes von Rekord zu Rekord geprescht. 2017 übersprang das Unternehmen beim Brutto-Umsatz erstmals die Grenze von sechs Milliarden Euro, beförderte an Land, auf See und in der Luft fast 40 Millionen Tonnen Fracht. Nur wenige Konkurrenten in Europa bringen mehr Gewicht auf die Waage. Bernhard Simon gebraucht dafür keine großen Worte. Er sagt mit einem markanten Lächeln nur: „Wir sind auf Kurs.“

    Zur DNA von Dachser gehören laut Simon aber nicht nur Glaubwürdigkeit und die Besinnung auf die Wurzeln – der Mut zur Innovation und die Weltoffenheit sind ebenfalls entscheidende Erfolgsfaktoren. Das bewies schon Großvater Thomas Dachser – ein Allgäuer „Mächler“ , der 1930 damit begann, Käse ins Rheinland zu chauffieren.

    „Das war am Anfang nur eine Sofa-Spedition“, erzählt Betriebswirt Simon schmunzelnd. Doch der clevere Kemptener hat den richtigen Riecher. Er schart die ersten Mitarbeiter um sich und organisiert auch für die Rückfahrt seiner Lastwagen Fracht, was die Auslastung optimiert. „Und er traute sich zu investieren, wo andere zurückhaltend waren“, erzählt der Enkel.

    In wenigen Jahren wird Dachser zum Primus in der Region, eröffnet Filialen in Memmingen und Neuss (Rheinland). Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem sämtliche Fahrzeuge beschlagnahmt und die Mitarbeiter eingezogen wurden, muss er wie viele andere Unternehmer wieder bei null anfangen. Doch der selbstbewusste Kaufmann erholt sich rasch von den Rückschlägen – und setzt mit seiner Idee der Netz-Spedition mit zahlreichen Standorten immer wieder Maßstäbe. 1951 eröffnet Dachser als Erster ein Luftfrachtbüro am Münchner Flughafen und läutet damit die professionelle Verzahnung von Land- und Luftfracht ein. Ende des Jahrzehnts beschäftigt die Firma 1000 Mitarbeiter und verbucht einen Umsatz von 70 Millionen Mark. „Mein Großvater hat führenden Persönlichkeiten immer viel Verantwortung übertragen“, betont Simon. Diese Philosophie des 1979 gestorbenen Firmengründers sei noch immer das Fundament der Unternehmenskultur.

    Ein Grund für ein Erfolg: Die eigene Logistik-Software

    Mit der Umstellung des Fuhrparks auf sogenannte Wechselbrücken revolutioniert das Unternehmen Anfang der 70er Jahre die Branche. Denn diese erlauben es, Fracht schnell und unabhängig von der Zugmaschine zu verlagern. Der Sprung zum weltumspannenden Konzern jedoch folgt erst später. „Da waren schon noch mehr Ideen nötig“, erläutert Simon. Etwa die von Dachser angestoßene Barcode-Einführung auf Basis der weltweit bekannten EAN-Normierung. Ohne sie wäre eine straffe Lieferkette, wie sie in Einzelhandel und Industrie Standard sind, undenkbar.

    Maßgeblichen Anteil hat zudem die eigene Logistik-Software. Etwa 700 IT-Mitarbeiter kümmern sich inzwischen unter anderem darum, dass die selbst entwickelten Computeranwendungen rund um den Globus funktionieren und in Echtzeit sämtliche Daten über Frachteingang, Transport, Zwischenlagerung im Warehouse und die Auslieferung abrufbar sind. „Auch beim Cyber-Schutz sind wir Vorreiter“, sagt Simon stolz. Aus gutem Grund: „Ich sehe die IT als Kernkompetenz, wenn wir Logistik als Passion ernst nehmen wollen.“ Von lückenlosen Datensätzen konnte der heutige Vorstandschef nur träumen, als er 1980 im eigenen Haus seine Ausbildung zum Speditionskaufmann begann. „Damals wurden Ladepapiere in achtfacher Ausfertigung ausgefüllt.“ Von Kaufbeuren aus wurden die Produkte der Neugablonzer Schmuckindustrie in alle Welt versandt – „da durfte man als Lehrling auch mal Zuchtperlen verzollen“.

    Die Zahl der Standorte, davon ist Simon überzeugt, wird auch künftig weiter wachsen. „Dabei geht es aber nicht um die Frage, wo man punktuell etwas verdienen kann. Wir werden weiße Flecken dort tilgen, wo es fürs gesamte Netz wichtig ist.“ In den vergangenen Jahren hat Dachser intensiv in Nord- und Mitteleuropa investiert und sieht sich auf dem gesamten Kontinent gut aufgestellt. Für Deutschland gelte dies ohnehin. Dort beschäftigt der Logistiker etwa die Hälfte seiner 30.000 Mitarbeiter. Das Augenmerk gelte nun dem Raum Asien/Pazifik und Nordamerika. Insgesamt will das Unternehmen in diesem Jahr 188 Millionen Euro investieren.

    Doch wie geht ein Global Player mit den nationalistischen Tendenzen in Ländern wie den USA um? „Es ist bedauerlich, was wir als künstliche Begrenzungen des Denkens und Entfaltens für ein weltweites Miteinander erleben“, bekennt Simon. „Aber ich bin ein rational denkender Mensch und glaube, dass es in diesen Ländern genug Selbstheilungskräfte gibt.“ Als Unternehmen werde man diese Schwierigkeiten meistern, ist Simon überzeugt.

    Als Beleg für diese Zuversicht braucht der 58-Jährige nur auf die Umsatzentwicklung der vergangenen Jahre zu schauen, in denen Dachser zeitweise zweistellige Zuwächse verzeichnete. Künftig rechnet Simon mit einem jährlichen Wachstum in einer Größenordnung von vier oder fünf Prozent – auch dank der Digitalisierung, die neue Entfaltungsmöglichkeiten biete und Dachser noch näher an die Märkte bringe: „Wir brauchen diese Entwicklung. Sie wird die Menschen in der Logistik noch wertvoller machen, sie wird sie keinesfalls ersetzen.“ Beispiel seien Berufskraftfahrer und Fachkräfte für Lagerwirtschaft, die händeringend gesucht werden und in deren Gewinnung Dachser viel Energie investiert.

    Dachser nutzt Pedelecs, um Fußgängerzonen zu bedienen

    Und wie sieht die Zukunft der Branche aus? „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und können uns auf die Märkte von morgen konzentrieren. Wir begleiten unsere Kunden, damit sie von der Digitalisierung und Industrie 4.0 profitieren“, sagt Simon. Kunden in Ballungsräumen zu bedienen, dürfte schwieriger werden, denkt man etwa an Dieselfahrverbote und autofreie Innenstädte. Dachser lotet daher konsequent aus, wie man dennoch schnell zum Ziel kommt – bis hin zu sogenannten Pedelecs, die einzelne Paletten bis zur Ladentüre in der Fußgängerzone ziehen. Diese „Beiboote“ liefern bereits in Stuttgart und Kopenhagen Waren aus. Bei Groß-Tonnagen aber bleiben Dieselfahrzeuge laut Simon aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit noch lange Nummer eins. Zumal die Industrie gar nicht mit der Lieferung brauchbarer E-Trucks nachkomme.

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