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Interview: Schwäbischer Unternehmer: „Ich bin für eine Maschinensteuer“

Interview

Schwäbischer Unternehmer: „Ich bin für eine Maschinensteuer“

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    Christian Meier hat mit einem Freund die unternehmerische Karriere in einem Keller begonnen. Heute arbeiten 200 Menschen für die Firma 4Sellers.
    Christian Meier hat mit einem Freund die unternehmerische Karriere in einem Keller begonnen. Heute arbeiten 200 Menschen für die Firma 4Sellers. Foto: Peter Fastl

    Herr Meier, warum gründet man im nordschwäbischen Rain am Lech eine Software-Firma?

    Christian Meier: Weil wir dort aufgewachsen sind. Alles fing noch im Gymnasium an. Dort haben mein Freund aus Kindeszeiten, Peter Voigt und ich beschlossen, uns selbstständig zu machen. Peter ist bis heute Entwicklungs-Chef unseres Unternehmens.

    Von der Schule hatten Sie irgendwann genug.

    Meier: In der 11. Klasse war Schluss für uns. Wir waren einfach von der Computer-Technik zu fasziniert und wollten mitmischen. Peters Vater hatte ein Modegeschäft. So sind wir schon mit elf, zwölf Jahren mit Warenwirtschaftssystemen in Berührung gekommen. Mit Software lässt sich hier für den Anwender vieles einfacher machen. Mit 17 haben wir uns dann selbstständig gemacht.

    Wie entsetzt waren Ihre Eltern?

    Meier: Das habe ich weitgehend verdrängt. Wenn ich von etwas begeistert bin, kämpfe ich dafür. Ich weiß nur noch, dass ich meine Eltern damals überzeugt habe, für mich zu unterschreiben. Mit 17 Jahren kann man ja noch kein Gewerbe anmelden. Meine Eltern haben letztlich eingesehen, dass ich nicht davon abzubringen bin.

    Was stand am Anfang des mühsamen Unternehmerdaseins?

    Meier: Am Anfang im Jahr 1996 haben wir PCs zusammengeschraubt und für Firmen zu Netzwerken verbunden. Das wurde durch den technischen Fortschritt aber immer einfacher. So haben Peter und ich beschlossen, in das Software-Business einzusteigen. Wir haben uns perfekt ergänzt. Ich habe mir Geschäftsmodelle ausgedacht und die kaufmännische Seite übernommen. Er programmierte dann. Ich trete nach Außen auf. Er ist das Genie. Wir sind bis heute gute Freunde.

    Ihre Geschichte erinnert ein wenig an das Silicon Valley, wo aus Garagen heraus die Welt revolutioniert wurde.

    Meier: Unsere kleine schwäbische Revolution begann im Keller. Er lag unter dem Modehaus von Peters Eltern. Von dort haben wir uns ins Erdgeschoss vorgearbeitet. Es ging weiter bergauf bis zur neu gebauten Firmenzentrale. Heute beschäftigen wir 200 Mitarbeiter. Mit dem Aufstieg des Onlinehandels sind auch wir stark gewachsen. Wir entwickeln Software für mittelständische Unternehmen, die in den digitalen Handel einsteigen oder weiter wachsen wollen. Egal ob sie in der Mode-, Schmuck-, Sport-, Fahrzeugteile- oder Elektronikbranche tätig sind. 2003 machten wir den ersten Vertrag mit Ebay. Seitdem wuchs unser Geschäft rasant. Unser Produkt automatisiert für Onlinehändler alle Prozesse. Das erste Mal, wo Menschen eingreifen müssen, ist im Lager. Unsere Kunden erwirtschaften auch dadurch im Jahr über drei Milliarden Euro Außenumsatz.

    Wie schaffen Sie es, junge IT-Profis zu überzeugen, nicht nach München oder Berlin, sondern nach Rain am Lech zu gehen?

    Meier: Wir müssen uns anstrengen. Um in der Region bekannter zu werden und junge Menschen anzusprechen, haben wir 2011 die österreichische Pop-Sängerin Christina Stürmer für ein Konzert in Rain engagiert. Das sorgte für Furore.

    Aber Pop-Konzerte allein reichen sicher bei weitem nicht, um IT-Nerds auf das Land zu locken.

    Meier: Ja, es wird immer schwieriger, Fachkräfte zu finden, auch wenn wir uns intensiv engagieren. Aus der misslichen Situation heraus haben wir ein zweites Software-Produkt entwickelt, das so selbsterklärend wie ein iPhone ist. Alle Informationen stehen jederzeit in Echtzeit zur Verfügung und Nutzer müssen sich nicht umgewöhnen. Wo früher unsere Mitarbeiter Beschäftigte eines neuen Kunden etwa 40 Stunden trainieren mussten, kann der Anwender nun in ein bis zwei Stunden mit der neuen Software für Online-Shops selbst klarkommen. So können wir weiter stark wachsen und frei werdende Kapazitäten besser nutzen.

    Wie viele Mitarbeiter würden Sie denn zusätzlich einstellen, wenn Sie welche fänden?

    Meier: Wir würden die Zahl der Stellen gerne von 200 auf 300 erhöhen. Bei uns haben auch Quereinsteiger eine Chance, also auch Menschen, die noch nie etwas mit Software zu tun hatten. Mitarbeiter sollen sich bei uns wohlfühlen. In unserem Barbereich gibt es tagsüber Kaffee und am Abend auch Drinks, Wein und Bier. Manchmal stehe ich selbst am Zapfhahn, wenn sich die Kollegen zum Feierabendbier treffen. Mir ist es wichtig, dass sich bei uns alle wohlfühlen. Dafür musste ich bei der IHK eine Gastronomie-Schulung absolvieren. Scherzhaft sage ich manchmal: Das Einzige, was ich gelernt habe, ist Wirt.

    Von Rationalisierung verstehen Sie aber auch viel. Wie gefährlich ist diese Entwicklung für die Gesellschaft?

    Meier: Gerade der Einsatz von künstlicher Intelligenz wird massiv Arbeitsplätze kosten. Nicht mal mehr alle Ingenieure können sich sicher sein, ihren Job zu behalten. Wir stecken mitten in einer Revolution, die sich in den nächsten fünf, sechs Jahren richtig bemerkbar machen wird. Bisher haben wir Dinge automatisiert, die immer gleich waren. Nun automatisieren wir Dinge, die nicht gleich sind. Doch dank künstlicher Intelligenz können Maschinen individuelle Entscheidungen treffen.

    Brauchen wir also eine Maschinensteuer, wie sie Microsoft-Gründer Bill Gates gefordert hat?

    Meier: Dazu gibt es keine Alternative. Ich bin für eine Maschinensteuer. Wenn Maschinen, also auch Roboter die Arbeit von Menschen übernehmen, muss auch der Staat mit weniger Einnahmen auskommen. Das geht auf Dauer nicht gut und gefährdet den sozialen Frieden. Eine Maschinensteuer reicht aber nicht aus. Wir brauchen zusätzlich eine Art bedingungsloses Grundeinkommen, das jedem – unabhängig wie er arbeitet – ein Existenzminium garantiert. Durch Aus- und Fortbildungen muss der Staat zudem neue Perspektiven schaffen.

    Sind Sie ein Sozialist?

    Meier: Ich verrate nicht, was ich wähle. Aber nehmen wir nur das autonome Fahren. Da wird es Dienstleister geben, die eine Fahrzeugflotte rund um die Uhr betreiben, so- dass man überall auf diese Dienste zurückgreifen kann, auch einmal in Rain. Da braucht man kein eigenes Auto mehr. Das Roboterauto fährt einen überall hin. Wir stehen vor einer Revolution. Wir in Deutschland unterschätzen massiv die Dynamik dieser Entwicklung. Wir glauben immer noch, es handelt sich um eine Evolution. Die

    Warum treibt Sie das alles so um? Andere Unternehmer verdrängen das und verdienen einfach Geld.

    Meier: Mir geht es gut. Wenn ich aber irgendwann in einem Staat lebe, in dem sich die soziale Spaltung durch die technologische Revolution vertieft, wirkt sich das auf uns alle negativ aus. Und diese Entwicklung ist ja schon in vollem Gange. Maschinen nehmen Mitarbeitern zunehmend Entscheidungen ab. Die negativen Effekte werden derzeit nur durch die gute wirtschaftliche Lage überdeckt. Doch wehe, wenn die Digitalisierung in einer Phase wirtschaftlicher Rezession voranschreitet. Schon jetzt ist die AfD stark, obwohl es uns wirtschaftlich ausgezeichnet geht. Was ist erst, wenn wir in einer Rezession feststecken? Solche Gedanken machen mir Angst. Die Politik muss hier durch eine Maschinensteuer und ein Grundeinkommen vorbeugen. Wir dürfen Menschen, die durch die Automatisierung ihre Arbeit verlieren, nicht alleine lassen.

    Zur Person Christian Meier, 40, gehört das Unternehmen 4Sellers zu über 60 Prozent. Er hat die Firma mit seinem Freund Peter Voigt, 41, gegründet, der mehr als 15 Prozent am Betrieb hält. Der Rest ist im Besitz von Industrie-Fachmann Bernd Minning.

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