Trotz Krisen, Brexit und Unsicherheit über die neue US-Politik: Unternehmen und Wirtschaftsforscher melden überraschend gute Aussichten für das laufende und kommende Jahr. Laut der neuen Prognose des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, IfW, kommen viele Unternehmen vor allem im Export der Nachfrage kaum hinterher: „Die deutsche Wirtschaft driftet nach und nach in die Hochkonjunktur“, sagt der Volkswirt Stefan Kooths. Allein die Exporte werden „mit 3,7 Prozent im laufenden und knapp 5 Prozent im kommenden Jahr deutlich zulegen“, kündigen die Kieler Forscher Spitzenwerte an, die auch in unserer Region einen stabilen Aufschwung garantieren.
„Die regionale Wirtschaft befindet sich längst in einer Phase der Hochkonjunktur“, sagt Peter Lintner von der Industrie- und Handelskammer Schwaben. „Uns geht’s regional besser als Deutschland insgesamt.“ Auch für die Region sei der Export immer wichtiger: „Vor zehn Jahren lag der Exportanteil der schwäbischen Unternehmen noch bei 30 Prozent, heute sind es bereits 40“, sagt Lintner. Rechne man die Zulieferprodukte der regionalen Hersteller für andere deutsche Exportunternehmen beispielsweise in der Automobilindustrie hinzu, „dann haben wir insgesamt einen Anteil von 60 Prozent, der vom Export abhängig ist“.
Fast drei Viertel der exportierenden Unternehmen in der Region erwarten, dass die Ausfuhren dieses und auch kommendes Jahr steigen. „Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass es genug Anlässe für Unsicherheit gibt“, sagt Lintner. So habe seit der Brexit-Entscheidung die Nachfrage aus Großbritannien etwas nachgelassen, viele Unternehmen blickten besorgt auf die Handelspolitik der neuen US-Regierung. „Aber unsere Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren gut darauf verstanden, zur Not Absatzmärkte zu wechseln.“
Wirtschaft in Europa scheint sich zu erholen
Dafür steigen die Aufträge aus dem europäischen Raum, vor allem im Bereich des Maschinenbaus: Ein Zeichen, dass sich Europas Wirtschaft erholt. Ratspräsident Donald Tusk erklärte auf dem EU-Gipfel, dass es erstmals seit fast zehn Jahren in allen 28 EU-Staaten Wachstum gebe. Dies könnte den Druck auf die Europäische Zentralbank erhöhen, ihre umstrittene Zinspolitik zu überdenken. Gestern sagte EZB-Chef Mario Draghi jedoch, er wolle mindestens bis Ende 2017 den Leitzins auf dem historischen Tief von null Prozent belassen.
Die Zinspolitik heizt in Deutschland vor allem die Immobilienbranche an. Dies führe zwar beim Handwerk zu vollen Auftragsbüchern, aber auch zu einem hohen Termin- und Leistungsdruck, sagt Hauptgeschäftsführer Ulrich Wagner von der Handwerkskammer für Schwaben. „Zudem droht eine Überhitzung der Konjunktur, mit zu schnell steigenden Preisen.“
Insgesamt erwartet auch Wagner einen stabilen Aufschwung: „Die konjunkturelle Hochphase im schwäbischen Handwerk hält nun schon seit fünf Jahren an.“ Für die nächsten beiden Jahre rechnet er mit je drei Prozent Wachstum. „Im politischen Umfeld sehe ich die größte Gefahr darin, dass sich die Politik auf den wirtschaftlichen Erfolgen ausruht“, sagt Wagner. Es brauche jedoch mehr Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und im Bereich der Digitalisierung. Zudem müssten die inhabergeführten Betriebe, „die in der Region Arbeitsplätze schaffen und hier ihre Steuern zahlen, endlich spürbar entlastet werden“, fordert Wagner. Mehr über die Zinspolitik lesen Sie im Wirtschaftsteil und im Kommentar.