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Schlecker-Insolvenz: Schleckerland ist noch nicht abgebrannt

Schlecker-Insolvenz

Schleckerland ist noch nicht abgebrannt

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    Der Drogeriekonzern Schlecker geht in die Planinsolvenz. Foto: Patrick Seeger dpa
    Der Drogeriekonzern Schlecker geht in die Planinsolvenz. Foto: Patrick Seeger dpa

    Augsburg In den Dörfern und den kleinen Städten unserer Region konnte man seit Langem beobachten, dass etwas nicht in Ordnung sein muss. Ein um die andere Schlecker-Filiale machte zu. In Bäumenheim im Kreis Donau-Ries, in Harburg und Möttingen, in Wertingen und Buttenwiesen im Kreis Dillingen, in Merching im Kreis Aichach-Friedberg, in Mühlhausen und Kühbach und demnächst in Dasing und Kissing... Rund 600 Filialen schließe man bundesweit, kündigte Schlecker Mitte Januar an – und zog sich genau von dort zurück, wo das Unternehmen früher führend und stark war: aus der Fläche.

    Auf dem Land lag einmal die Basis des Erfolgs: Das Drogerie-Imperium Anton Schleckers ist in den 80er und 90er Jahren gewachsen, wo andere Einzelhändler bereits keine Zukunft mehr sahen. Bald gab es in vielen Dörfern eine Filiale des Drogerieriesen mit dem blau-weißen Schriftzug, den mit Reklame beklebten Scheiben und den derart dicht stehenden Regalen, dass zwei Kunden auf der Suche nach Klopapier und Zahnpasta beinahe den Bauch einziehen mussten, um aneinander vorbeizukommen. Eine Angestellte kassierte, räumte die Regale ein und wischte nicht selten vor Feierabend noch den Boden. Schlecker wuchs und wuchs mit diesem Konzept und zählte 2006 rund 10800 Filialen bundesweit.

    Genau diese Strategie habe Schlecker aber in die Insolvenz geführt, heißt es unter Fachleuten. „Die kleinen Filialen auf dem Lande waren es, die Schlecker in die Problemlage gebracht haben“, sagt Marktforscher Matthias Queck, zuständig für den deutschen Handel bei der Frankfurter Beratungsfirma Planet Retail und von 2000 bis 2005 Fachmann für Discounter und Drogerie bei der Lebensmittel Zeitung. Viele Filialen auf dem Dorf hätten in Hinblick auf Umsatz und Gewinn am Limit operiert. „Es hat meist gerade so gereicht“, sagt Queck.

    Schlecker konnte kaum mehr sparen

    Doch irgendwann gingen die Zahlen vielerorts zurück. Ein Grund für diese Entwicklung sieht der Experte in der Landflucht und der Überalterung der Gesellschaft: Jüngere Leute ziehen in die Stadt. Hinzu kam die zunehmende Konkurrenz durch dm und Rossmann, die in den Städten und Industriegebieten in guter Lage geräumige Drogeriemärkte eröffnet haben. Als der Umsatz sank, konnte Schlecker kaum sparen: „Wer mehrere Angestellte im Laden hat, kann um eine Person reduzieren; wenn aber – wie bei Schlecker – zeitweise nur eine Angestellte im Laden ist, kann diese nicht auch noch eingespart werden“, erklärt Queck. „Schlecker war lange Zeit dort erfolgreich, wo es keine Wettbewerber gab“, sagt er. „Die Wettbewerber hatten aber gute Gründe, nicht dorthin zu gehen, wo Schlecker ist.“ Die Rendite der abgelegenen Läden sei oft gering. Prompt hat Schlecker-Konkurrent Rossmann angekündigt, lediglich Interesse an 50 bis 80 Filialen der noch rund 7000 Schlecker-Märkte zu haben. Wo früher Schlecker war, herrscht heute oft Leerstand. Das könnte zum Problem werden, befürchtet Queck.

    Schlecker habe über die Jahre Probleme ignoriert, sagt auch Professor Claudius A. Schmitz von der Hochschule Gelsenkirchen: „Man hat sich nicht um das Geschäft gekümmert.“ Und: „Die Läden sahen schlecht aus, die Mitarbeiter wurden nicht gut behandelt und kaum qualifiziert, die Beziehung zu den Lieferanten wurde nicht gepflegt.“ Für Handelsforscher Schmitz ist Schlecker im Vergleich zu den Wettbewerbern stehen geblieben. Dazu kam der Eklat um den neuen Werbespruch „For You. Vor Ort“: Als sich der Verein für Sprachpflege über die Mischung aus Deutsch und Englisch mokierte, antwortete die Firma, man orientiere sich am „niedrigen Bildungsniveau“ der Schlecker-Kunden. Eine Kommunikationskatastrophe, wenn nicht gar eine Beleidigung.

    Schulterschluss mit den Gemeinden suchen

    Drogeriekette: Das ist Schlecker

    Mit 21 Jahren, 1965, steigt der gelernte Metzgermeister Anton Schlecker in die väterliche Fleischwarenfabrik in Ehingen bei Ulm ein.

    Das Unternehmen erwirtschaftet damals mit 17 Metzgerei-Filialen nach eigenen Angaben einen Jahresumsatz von 7,2 Millionen Euro.

    Im gleichen Jahr gründet der Junior-Chef das erste Selbstbedienungs-Warenhaus am Rande der schwäbischen Stadt.

    Damit legt er die Basis für eine europaweit aufgestellte Drogeriemarktkette, zu der seit 2007 auch die Kette "Ihr Platz" gehört.

    Schlecker war mit etwa 10.000 Filialen, einem Umsatz von 7,42 Milliarden Euro und über 50.000 Beschäftigten Europas führender Drogeriemarkt-Unternehmer.

    Auch die deutschen Drogerieketten führte er an, gefolgt von dm und Rossmann.

    Im Januar 2012 geht Schlecker in die Insolvenz.

    Mai 2012: Schlecker wird zerschlagen. Für die insolvente Drogeriemarktkette sieht der Gläubigerausschuss "keine Perspektive" mehr.

    Im November 2017 wird Anton Schlecker wegen Bankrotts zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Seine Kinder erhalten Gefängnisstrafen.

    Dabei sei die Idee, auf dem Land vertreten zu sein, attraktiv, sagt Branchenfachmann Queck. „Es gibt Bemühungen, die Nahversorgung sicherzustellen.“ In Hessen zum Beispiel habe „tegut“ zusammen mit den Gemeinden „Lädchen für alles“ eröffnet und die Idee des Tante-Emma-Ladens erfolgreich wiederbelebt.

    Queck sieht die Möglichkeit, dass Schlecker zu einem dezentralen, lokal verwalteten Nahversorger wird, der vor allem für ältere Leute und junge Familien auf den Dörfern attraktiv ist. „Dazu müsste vor Ort mit der Gemeinde abgeklärt werden, ob es öffentliche Unterstützung gibt.“ Und Schlecker müsste noch stärker auf Lebensmittel setzen.

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