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Schlecker: For You. Vor Ort. Vorbei.

Schlecker

For You. Vor Ort. Vorbei.

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    Schlecker ist Geschichte. Das haben die größten Gläubiger der insolventen Drogeriekette beschlossen.
    Schlecker ist Geschichte. Das haben die größten Gläubiger der insolventen Drogeriekette beschlossen. Foto: afp

    Ingrid Williams steht an ihrer Kasse und blickt in den Laden in der Augsburger Innenstadt. Seit 17 Jahren arbeitet sie bei Schlecker. Zum Ende des Monats ist es damit vorbei. Die 56-Jährige wird ihren Job verlieren; sie ist eine von mehr als 13 200 Beschäftigten, für die das Aus der Drogeriemarktkette auch das eigene berufliche Aus ist.

    Im März, als die erste große Kündigungswelle kam, hat sie noch gezittert und sich gesorgt. Eine ihrer Kolleginnen musste damals gehen. Es kam eine neue. Jetzt, zwei Monate später, macht es keinen Unterschied mehr, wer wie lange da war.

    Per Fax kam die Nachricht vom Aus in die Schlecker-Filiale

    Erfahren vom endgültigen Aus des Unternehmens hat Williams per Fax. Die Zentrale hat es gestern Mittag in ihre Filiale geschickt. Mit vier Seiten hatte es zwar eine beachtliche Länge. Doch viel Neues hat das Schreiben für sie nicht gebracht. „Ich habe damit gerechnet, deswegen hält sich meine Enttäuschung in Grenzen.“

    Ganz anders geht es Barbara Aigner, der Schlecker-Betriebsrätin für die Region Augsburg. Sie ist wütend, enttäuscht und erleichtert zugleich. Ihre Stimme klingt rau und abgekämpft. Dass nun endgültig Schluss ist, hat sie von Kolleginnen erfahren. „Sie haben angerufen und nur gesagt ,Es ist aus!‘“. Es gab keine Tränen, keine großen Worte. Denn geweint, sagt Aigner, wurde schon genug. Schon lange, erzählt sie, seien sie und ihre Kolleginnen mit den Nerven am Ende. Nie wussten sie, ob es den eigenen Arbeitsplatz weiter geben werde. „Das ewige Hin und Her macht einen kaputt“, sagt sie. Auch deshalb wirkt es, als sei die Nachricht von der Schließung für

    Drogeriekette: Das ist Schlecker

    Mit 21 Jahren, 1965, steigt der gelernte Metzgermeister Anton Schlecker in die väterliche Fleischwarenfabrik in Ehingen bei Ulm ein.

    Das Unternehmen erwirtschaftet damals mit 17 Metzgerei-Filialen nach eigenen Angaben einen Jahresumsatz von 7,2 Millionen Euro.

    Im gleichen Jahr gründet der Junior-Chef das erste Selbstbedienungs-Warenhaus am Rande der schwäbischen Stadt.

    Damit legt er die Basis für eine europaweit aufgestellte Drogeriemarktkette, zu der seit 2007 auch die Kette "Ihr Platz" gehört.

    Schlecker war mit etwa 10.000 Filialen, einem Umsatz von 7,42 Milliarden Euro und über 50.000 Beschäftigten Europas führender Drogeriemarkt-Unternehmer.

    Auch die deutschen Drogerieketten führte er an, gefolgt von dm und Rossmann.

    Im Januar 2012 geht Schlecker in die Insolvenz.

    Mai 2012: Schlecker wird zerschlagen. Für die insolvente Drogeriemarktkette sieht der Gläubigerausschuss "keine Perspektive" mehr.

    Im November 2017 wird Anton Schlecker wegen Bankrotts zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Seine Kinder erhalten Gefängnisstrafen.

    Wut und Enttäuschung bleiben dennoch. Enttäuschung über das Schlecker-Management, Wut auf die Regierung und auf die FDP. „Ich habe diese Insolvenz irgendwie schon vor sieben Jahren gespürt“, sagt sie zwar. Aber dennoch glaubt sie, dass ein gutes Management das vielleicht verhindern hätte können. „Man hätte mal an der Spitze aufräumen müssen, die haben das alles verbockt.“ Schlimmer sei aber noch die Regierung, die nicht gebürgt hat. Sie versteht nicht, dass die Regierung für die „Opel-Männer“ eingesprungen sei und für die „Schlecker-Frauen“ nicht.

    Das Wort Schlecker-Frauen kann Aigner aber eigentlich nicht mehr hören, sie empfindet es als Diskriminierung. Wie man die Mitarbeiterinnen auch immer nennt, Aigner sorgt sich um sie, glaubt nicht daran, dass es genug Stellen gibt. Ingrid Williams, die Schlecker-Mitarbeiterin in der Augsburger Innenstadt, glaubt dennoch, dass sie über kurz oder lang einen neuen Job finden wird. „In meinem Alter wird es zwar nicht leicht“, sagt die 56-Jährige. Aber bereits im Voraus aufgeben will sie nicht. „Vielleicht ist das eine Chance, noch einmal etwas anderes zu machen.“ Hilfe von Schlecker erwartet sie nicht. „Ich habe in dieser ganzen Phase der Unsicherheit lange nichts mehr von denen gehört“, sagt sie – und lächelt. Freundlichkeit gehört eben zu ihrem Beruf.

    Williams wird in ihrer Filiale bleiben, bis zum letzten Mal die Türe zugeschlossen wird. Jetzt nicht mehr zur Arbeit zu gehen oder sich in den Urlaub zu verabschieden, kommt für sie nicht infrage. „Wir bekommen doch diesen Monat noch Geld.“ Einfach gehen, das kann sie nach 17 Jahren nicht. Bis zum Schluss soll alles für sie so bleiben, wie es immer war.

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