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Schärfere Kontrollen für Wasserversorger

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Schärfere Kontrollen für Wasserversorger

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    Schärfere Kontrollen für Wasserversorger
    Schärfere Kontrollen für Wasserversorger Foto: DPA

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Dienstag in einem Grundsatzurteil entschieden, dass Kartellbehörden niedrigere Wasserpreise durchsetzen dürfen. Rückwirkend können sie - die aus ihrer Sicht - überhöhten Preise aber nicht angreifen. (Az.: KVR 66/08 - Beschluss vom 2. Februar 2010)

    Die Karlsruher Richter erklärten damit das Einschreiten des Hessischen Wirtschaftsministeriums gegen die Preise der Energie- und Wassergesellschaft Enwag, die mehrheitlich der Stadt Wetzlar gehört, für rechtens. Die Behörde hatte das Unternehmen im Mai 2007 gezwungen, die Wasserpreise um 29 Prozent zu senken. Das Unternehmen hatte seit Januar 2003 bei dem typischen Jahresverbrauch eines Einfamilienhauses 2,35 Euro pro Kubikmeter und bei dem typischen Jahresverbrauch eines Mehrfamilienhauses 2,10 Euro pro Kubikmeter berechnet.

    Aus Sicht des BGH-Kartellsenats hat die hessische Behörde völlig korrekt die Preise der verschiedenen Wasserversorger miteinander verglichen. Die Enwag hatte dagegen argumentiert, die Verteilung des Wassers sei wegen der Lage Wetzlars am Rande der Mittelgebirge besonders schwierig. Mehrkosten, die möglicherweise aufgrund dieser topografischen Besonderheiten entstehen, seien von dem Unternehmen jedoch nicht nachvollziehbar berechnet und vorgelegt worden, sagte der Senatsvorsitzende Klaus Tolksdorf.

    "Das Verfahren hat gezeigt, dass die Wasserpreiskontrolle funktioniert", sagte der hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP). Die Wasserversorger hätten in ihrer Region ein Monopol, der Bürger könne nicht wie bei Strom den Anbieter wählen. Mit dem Urteil stellten die Karlsruher Richter klar, dass die Kartellbehörden die Wasserpreise kontrollieren dürfen - dies unterscheidet sich von der Überprüfung der Preise für Strom und Gas.

    Aus Sicht der Enwag ist das Urteil "nur schwer nachzuvollziehen". Geschäftsführer Wolfgang Schuch sagte nach der Entscheidung: "Der Preis spiegelt den notwendigen Aufwand für die Trinkwasserversorgung in Wetzlar wider." Nach den Worten von Geschäftsführer Detlef Stein könne erst nach der schriftliche Urteilsbegründung entschieden werden, ob die Kunden in Wetzlar mit Rückzahlungen rechnen können. Die Verfügung der Landesbehörde gelte für die Zeit von Mai 2007 bis Dezember 2008.

    Nach Entscheidung der Karlsruher Richter war die Kartellbehörde allerdings nicht berechtigt festzustellen, dass die Wasserpreise der Enwag schon seit Juli 2005 überhöht waren. Die Behörde könne nicht einschreiten, wenn es um zurückliegende Abrechnungszeiträume gehe, so die Richter. Damit bestätigten sie das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt von November 2008.

    Das Landeskartellamt wollte mit der Feststellung, dass schon früher die Preise zu hoch waren, betroffenen Kunden Rückforderungen erleichtern. Obwohl dies nicht gelang, zeigten sich die Prozessvertreter Hessens zufrieden. Sie gingen davon aus, dass nun die weiteren anhängigen Kartellverfahren zügig abgewickelt werden. Die Behörde ist bislang gegen neun Versorger vorgegangen und hat in drei Fällen Preissenkungen verfügt. Neben Wetzlar sind Unternehmen in Frankfurt und Kassel betroffen. Diese Verfahren ruhten mit Blick auf die BGH-Entscheidung.

    Hessen ist das erste Land, das gegen überhöhte Wasserpreise vorgeht. Minister Posch erwartete von Anfang an eine bundesweite Signalwirkung von dem Urteilsspruch aus Karlsruhe. Ein großes Interesse an dem Prozess war auch für den BGH spürbar: Unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung bekam der Kartellsenat ungefragt vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ein Rechtsgutachten zugeschickt, "in der Annahme, dass es unser Interesse findet", wie der Senatsvorsitzende Tolksdorf sagte. Erfreut waren die Richter darüber offensichtlich nicht: Dies entspreche nicht dem Stil des Senats, so Tolksdorf.

    Nach dem Richterspruch äußerte der BDEW Kritik: "Es ist bedauerlich, dass der BGH in seinem Urteil entscheidende Struktur- und damit Kostenunterschiede zwischen den Wasserversorgern nicht berücksichtigt." Der wirtschaftliche Betrieb und die Struktur der Wasserversorgung in Deutschland würden damit infrage gestellt. Nach dem Urteil sei unklar, wie Wasserpreise ermittelt werden können, die vor Landeskartellbehörden und Gerichten Bestand haben. Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) äußerte sich enttäuscht.

    Nach Angaben von Posch sind allein in Hessen etwa eine Million Menschen von den neun laufenden Kartellverfahren betroffen. Für einen Durchschnittshaushalt - vier Personen, 150 Kubikmeter Wasserverbrauch pro Jahr - in Wetzlar bedeute die Preissenkung der Kartellbehörde eine Ersparnis von rund 110 Euro pro Jahr.

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