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Meitingen: SGL Carbon rutscht in die roten Zahlen

Meitingen

SGL Carbon rutscht in die roten Zahlen

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    SGL Carbon, das in Meitingen seinen größten Standort hat, rutschte vergangenes Geschäftsjahr in die roten Zahlen.
    SGL Carbon, das in Meitingen seinen größten Standort hat, rutschte vergangenes Geschäftsjahr in die roten Zahlen. Foto: Marcus Merk

    Lange Jahre war das Elektroauto i3 von BMW nicht nur ein Aushängeschild für den Münchner Autobauer, sondern auch für den Kohlefaser–Spezialisten SGL Carbon. Die Karosserie ist auf Basis besonders leichter Kohlenstoff-Fasern gefertigt und diese wiederum stammen von SGL. Doch was mit großen Schwung begann, setzte sich in der Breite des Marktes nicht durch. „Unsere ursprünglichen Erwartungen sind deutlich enttäuscht worden, was die Schnelligkeit des Einsatzes unserer Materialien im Automobilbau betrifft“, sagte SGL-Chef Michael Majerus bei der Vorstellung der Zahlen. Auch das trägt einen Teil dazu bei, dass SGL das vergangene Geschäftsjahr „deutlich unter den Erwartungen“ abschloss, wie es Majerus formulierte.

    Das Unternehmen, das in Meitingen nördlich von Augsburg seinen größten Standort hat, rutschte vergangenes Geschäftsjahr in die roten Zahlen. Unter dem Strich steht ein Verlust von 90 Millionen Euro, im Vorjahr schrieb man noch 41,3 Millionen Euro Gewinn. Verantwortlich machte Majerus dafür auch schlechtere Geschäfte mit textilen Fasern und mit der Industrie. Diese beiden Bereiche sollen aber in der künftig eine geringere Rolle spielen. SGL setzt dafür vor allem auf drei Zukunftsmärkte – und so blickte der SGL-Chef trotz der roten Zahlen optimistisch nach vorne: Das Defizit soll dieses Jahr deutlich geringer ausfallen und „niedrig zweistellig negativ“ sein. Mittelfristig soll der Umsatz jedes Jahr im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich wachsen.

    SGL macht gutes Geschäft mit Teilen für Brennstoffzellen - made in Meitingen

    Ein Trend, auf den SGL baut, ist die E-Mobilität. Da Batterien die Autos schwerer machen, werde es eine höhere Nachfrage nach leichten Bauteilen geben, argumentierte Majerus. Wenn schon nicht die ganze Karosserie, so könnten doch mehr Teile aus Carbon in die Fahrzeuge eingebaut werden. SGL setzt vor allem auf die Batteriekästen, in denen die Akkus der E-Autos sitzen. Kürzlich hat die Firma einen Großauftrag eines nordamerikanischen Autobauers für solche Batteriekästen gewonnen.

    Stichwort neue Mobiliät: Große Hoffnung setzt SGL auch auf Brennstoffzellen. Das Unternehmen stellt dafür Komponenten her, die Brennstoffzellen kommen dann in wasserstoffbetriebenen Autos zum Einsatz. „Wir sind hier einer der beiden Weltmarktführer und fahren die Produktion massiv hoch“, sagt Majerus. Die Komponenten – sogenannte Gasdiffusionsschichten – sind in Meitingen entwickelt worden und werden dort auch produziert. SGL beliefert den Autohersteller Hyundai.

    Dritter Wachstumsmarkt soll für SGL der Flugzeugbau werden. Dies sei der profitabelste Markt für Carbon-Verbundwerkstoffe. Bisher war das Unternehmen hier nicht vertreten, eine im November 2019 gestartete Kooperation mit dem belgischen Chemiespezialisten Solvay soll das ändern. „Die Luftfahrt ist das Geschäft, in das wir hineinmüssen“, betonte Majerus. SGL habe für die Luftfahrt extra eine neue Carbonfaser entwickelt. Ziel ist es, Hersteller wie Airbus und Boeing mit Material für die Flügel, den Rumpf oder das Leitwerk von Flugzeugen auszustatten.

    Dabei legt das Unternehmen ein Bekenntnis zum Standort Meitingen ab: „Meitingen ist für SGL ein zentraler Standort“, sagte Sprecher Andreas Pütz. Dort arbeiten rund 1100 Mitarbeiter direkt bei SGL und weitere 500 in einem Gemeinschaftsunternehmen – dem Bremsenhersteller Brembo. SGL insgesamt hat rund 5100 Beschäftigte. Für Aufsehen hatte gesorgt, dass der Grafit-Elektrodenhersteller Showa Denko sein benachbartes Werk in Meitingen schließen will. „Die Auswirkungen auf SGL am Standort Meitingen sind aber als gering einzuschätzen“, sagt Pütz. „Wir haben längerfristige Verträge mit Showa Denko, über die jetzt gesprochen werden soll.“

    Torsten Derr fängt im Juli als Spitzenmanager bei SGL Carbon an

    SGL hat inzwischen mehrere Jahre des Umbaus hinter sich. Der bisherige Finanzchef Michael Majerus hatte den Chefposten übernommen, nachdem der frühere SGL-Chef Jürgen Köhler 2019 zurückgetreten war. Im Juli soll Torsten Derr als neuer Spitzenmanager anfangen. Majerus werde dann wieder als Finanzchef arbeiten, sagte Pütz.

    Nicht abzuschätzen sind bisher die Auswirkungen der Corona-Epidemie, sagte Majerus. Bisher gebe es „keine materiellen Effekte“, zwei SGL-Standorte in China würden wieder arbeiten. Spannend könne es werden, falls die Virus-Folgen auch die Lieferbeziehungen mit den USA treffen. Dort produziert SGL die Carbonfasern, die dann im bayerischen Wackersdorf für den BMW i3 weiterverarbeitet werden.

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