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SAP-Gründer: Dietmar Hopp: Der Software-Revoluzzer, der einst Schnecken sammelte

SAP-Gründer

Dietmar Hopp: Der Software-Revoluzzer, der einst Schnecken sammelte

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    Wenn Männer viel Geld haben, investieren sie es gerne in ihre oft größte Leidenschaft, den Fußball. Dietmar Hopp ist durch SAP zum Milliardär geworden und hat die TSG Hoffenheim groß gemacht.
    Wenn Männer viel Geld haben, investieren sie es gerne in ihre oft größte Leidenschaft, den Fußball. Dietmar Hopp ist durch SAP zum Milliardär geworden und hat die TSG Hoffenheim groß gemacht.

    Fußball und Männer, das ist eine spezielle Liebesbeziehung, ein Mysterium, für viele Frauen allzumal. So gelangte der lustige italienische Ball-Philosoph Giovanni Trapattoni zur fundamentalen Erkenntnis: "Fußball ist ding, dang, dong. Es gibt nicht nur ding." Meist erliegen Männer dem Faszinosum des Ding, Dang, Dong schon in frühen Jahren und dreschen wie Dietmar Hopp das Runde ohne Unterlass ins Eckige.

    Wer die inneren Laufwege des am Sonntag 80 Jahre alt werdenden Mitbegründers des deutschen Software-Weltkonzerns SAP erspüren und verstehen will, warum der Mäzen wegen seines immensen Engagements für den Fußballverein TSG Hoffenheim für manche Fans zum Foulspieler der Nation geworden ist, muss zurück in die Jugend des Mannes reisen. Er ist in Heidelberg als Sohn eines Lehrers geboren. Sein Vater wirkte als SA-Truppführer an der Zerstörung der Synagoge in Hoffenheim mit.

    Hopp stellte sich dem schwierigen Erbe, auch indem seine Familie die Übersetzung eines Buches zweier jüdischer Betroffener finanzierte. In der Zeit nach dem Krieg wurde sein Charakter geprägt. Die Mutter hielt das wenige Geld zusammen. Jeder Pfennig zählte. Hopp erzählt öfters ohne Pathos von der Zeit. Damals hat er zu Hause auch verkündet, einmal Millionär zu werden. Geschäftstüchtig war der heutige Milliardär schon als Bub. Nach eigenem Bekunden hat er eine gewisse Meisterschaft im Sammeln von Weinbergschnecken entwickelt, die er bei einer Sammelstelle abgab und dafür Geld bekam. "Ich hatte das Gespür, wo man die meisten Schnecken findet", erinnert sich der Unternehmer.

    Als Bub sammelte er Weinbergschnecken - und das mit Erfolg

    Solche Sätze, in denen eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein eingebacken ist, spricht Hopp emotionslos aus, es huscht aber ein Lächeln über das Gesicht des schlanken, sportlich wirkenden Mannes mit dem immer noch vollen grauen Haar. Dazu passt seine Bemerkung, bereits mit acht Jahren mehr als andere im Geldbeutel gehabt zu haben. Das mag damit zu tun haben, dass er das Ersparte eisern zusammenhielt, selbst wenn es um seine größte Leidenschaft, den Fußball, ging.

    Als Deutschland 1954 Weltmeister wurde, hatte sich Hopp drei Stunden zuvor angestellt, um einen Platz auf einer der Bierbänke eines Gasthauses in Hoffenheim zu ergattern, in dem ein Fernseher stand. Zum Endspiel mit seinem Idol Fritz Walter hat er sich nur 35 Pfennig für den Kauf einer Libella mitgenommen. Selten lässt der Unternehmer seinen Emotionen derart freien Lauf, als wenn er vom Endspiel schwärmt.

    Für jedes Tor bekam Hopp eine Büchse Leberwurst

    Eben ein Fall von Männern und Fußball, das Geheimnis des Ding, Dang, Dong. Hopp setzte sich dann gegen Bedenken seiner Eltern durch und spielte selbst bei Hoffenheim. Er war Stürmer. Für jedes Tor entlohnte ihn ein Fan mit einer Büchse Leberwurst, die er im Studentenwohnheim in Karlsruhe mit Freunden teilte. Hopp studierte dort Nachrichtentechnik und schloss das Studium als Diplom-Ingenieur ab. Danach zog es ihn zu IBM, der damals führenden Adresse für alles, was mit Großrechnern zusammenhing. Er erkannte früh, dass es einen Bedarf für Standardprogramme gibt, über die in Unternehmen alle wesentlichen Datenverarbeitungen laufen können.

    Mit vier Kollegen machte er sich selbstständig und gründete im badischen Walldorf in der Nähe von Heidelberg 1972 den Betrieb "Systemanalyse und Programmentwicklung", weniger sperrig kurz SAP genannt. "Meine Mutter und Schwiegereltern waren schockiert, als wir das gemacht haben. Ich war mir aber sicher, es wird gut gehen", erinnert er sich an die Anfangszeiten des heutigen Weltkonzerns mit rund 100.000 Mitarbeitern. Damals haben Hopp und seine Kollegen bis in die Nacht hinein programmiert. Anders als in den USA, so will es der von Hopp kultivierte SAP-Mythos, legten die Männer nicht in einer Garage los. Sie waren in anderer Hinsicht Nerds, nämlich Fußball-Verrückte. Trotz aller Plackerei war ihnen der Freitagnachmittag heilig. Da wurden die "Köpfe hochgekrempelt und die Ärmel auch", wie Lukas Podolski, auch so ein Fußball-Philosoph, einmal formulierte.

    Hopp investierte in ein Unternehmen, das einen Coronavirus-Impfstoff entwickelt

    Als Hopp, wie er einräumte, "durch viel Glück zu übermäßigem Reichtum kam", wollte er der Gesellschaft und vor allem der Region Rhein-Neckar, in der er groß geworden ist, etwas zurückgeben. Wie der Microsoft-Milliardär Bill Gates gründete der Deutsche eine Stiftung und gab seitdem hunderte von Millionen für Projekte aus, die in der Medizin, im sozialen Bereich, der Bildung und natürlich dem Sport angesiedelt sind. Er stürmte in die Rolle eines der größten Wohltäter seines Heimatlandes hinein. Der Mäzen ist aber auch Geschäftsmann und etwa an Biotech-Firmen wie dem Tübinger Unternehmen Curevac beteiligt, das einen Coronavirus-Impfstoff entwickelt. Als die US-Regierung versucht hat, sich hier die Exklusivrechte zu sichern, grätschte Hopp dazwischen.

    Ist er also ein deutscher Bill Gates, ein Unternehmensgründer, dem es gelungen ist, nach einer erfolgreichen beruflichen Karriere den Übergang zum allseits anerkannten Menschenfreund zu vollziehen? Dem Amerikaner ist das nach Jahrzehnten der Kritik an seiner Person wegen der Übermacht von Microsoft geglückt. Heute steht der 64-Jährige als Mann da, der mit Milliarden im Rücken Krankheiten wie Malaria bekämpft. Hopp ist aber nur fast ein deutscher Bill Gates. Sein Hang zum Fußball-Ding-Dang-Dong verwehrt ihm den Aufstieg in den Olymp wohligen, allseits mit Sympathien überschäumenden Gönnertums. Das Spiel mit dem Ball ist für ihn Segen und Fluch zugleich.

    Ein Spiel zwischen dem FC Bayern und Hoffenheim wurde fast abgebrochen.
    Ein Spiel zwischen dem FC Bayern und Hoffenheim wurde fast abgebrochen. Foto: Tom Weller, dpa

    Denn Fußballfans sehen in Hopp eine Symbolfigur für die völlige Kommerzialisierung des Sports. Ein Sprecher des Club Nr. 12, der "Vereinigung aktiver FC Bayern Fans", erklärt, was ihm an dem Mäzen derart missfällt. Dabei geht es dem Mann, der namentlich nicht genannt werden will, gegen den Strich, dass der Milliardär den Dorfverein Hoffenheim mit seinem Geld hoch in die Bundesliga bugsiert habe und als Investor dominiere. Das sei etwa beim FC Bayern nicht der Fall. Hier übe, sagt der Fan-Sprecher, keiner der Geldgeber einen bestimmenden Einfluss aus. All das mündet für ihn in die Erkenntnis: "Hoffenheim hat in der Bundesliga nichts zu suchen."

    Für einige Fußballfans ist er eine Hass-Figur

    Dabei räumt der Fan-Vertreter durchaus ein, dass die Kritik grob formuliert worden sei, jedoch Hopp trotz Schmähungen wie "Hurensohn" nicht bedroht werde. Hier kann man natürlich anderer Meinung sein, zumal es auch noch Banner gab, die das Gesicht des Hoffenheim-Förderers zeigen, das mit einem Fadenkreuz überdeckt ist, so, als hätten ihn Fans im Visier. All das setzt Hopp, dem seine Heimatregion und die Jugendförderung im Fußball derart am Herzen liegen, zu. Er wirkt in Interviews betroffen. Kein Lächeln huscht über sein Gesicht.

    In einer umstrittenen Videobotschaft, die im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF ausgestrahlt wurde, versucht er, seinen Kritikern gönnerhaft die Hand zu reichen: "Ich will das aber gerne alles vergessen, wenn es von nun an Geschichte ist." Plötzlich wirkt der einstige Software-Revoluzzer wie ein Patriarch, der jüngeren Rebellen verzeiht, wenn sie ihn wieder lieb haben. Das passt zu dem umtriebigen Menschen, der für seine Wohltaten – und dazu zählt er auch seine Liebe zur TSG Hoffenheim – geliebt werden will. Auch ein Milliardär, der sich alles kaufen kann, sehnt sich nach Belohnung. Das viele Ding, Dang, Dong um seine Person betrübt ihn.

    Selbst bei SAP scheint Dankbarkeit kein Standard zu sein

    Doch sie wollen ihn einfach nicht lieben. Viele Fußballfans, wie der Sprecher des Clubs Nr. 12, würdigen zwar Hopps soziales Engagement, bleiben aber bei der Kritik an seiner beherrschenden Rolle in Hoffenheim. Würde er nur wie Gates dem Kartenspiel Bridge frönen, er könnte seinen 80. Geburtstag harmonischer begehen. Deswegen hadert der Manager mit der Gesamtsituation, auch wenn er schon früh erkannt hat, "dass es im Fußball Fälle von Undankbarkeit gibt, wie sie in einem Industrie-Unternehmen undenkbar wären".

    Dabei irrt Hopp. Selbst bei SAP scheint Dankbarkeit ganz offensichtlich nicht Standard zu sein. Hier käme es sicher den vielen Hopp-Schmähern aus den Fankurven zupass, wenn er einer der Verantwortlichen für den Rauswurf der ersten Frau an der Spitze des Software-Unternehmens und damit überhaupt eines Dax-Konzerns wäre. Doch selbst unter den härtesten Hopp-Ablehnern ist unstrittig: Dass Jennifer Morgan, 49, nach nur rund sechs Monaten als SAP-Co-Chefin hingeschmissen hat, ja dazu gedrängt wurde, geht nun wirklich nicht auf Hopp zurück. Ausnahmsweise ist er fein raus, hat er sich nach Jahren an der Unternehmensspitze doch schon 2005 aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen und fortan dank seiner SAP-Aktien viel Gutes getan.

    Jennifer Morgan hat das Amt als SAP-Chefin aufgegeben.
    Jennifer Morgan hat das Amt als SAP-Chefin aufgegeben.

    Was hat Hopp mit dem Abgang von SAP-Co-Chefin Morgan zu tun?

    Es fällt vielmehr auf den ebenfalls mit vollem grauen Haar ausgestatten SAP-Veteranen Hasso Plattner, 76, zurück, wenn nur noch der bisherige Co-Chef Christian Klein, 39, an der SAP-Spitze steht. Plattner ist zwar ebenfalls Milliardär und Groß-Mäzen, war aber nicht wie Hopp so klug, sich rechtzeitig zurückzuziehen. Plattner muss sich folglich als Aufsichtsratschef von SAP unangenehme Fragen gefallen lassen, warum ausgerechnet Morgan gehen musste, wo ihr doch noch 2019 Lobes-Kränze geflochten wurden. Das hat ein Geschmäckle, das Patriarch Plattner wohl länger anhaftet.

    Kaum einer will die offizielle Version glauben, Morgan habe gehen müssen, weil in Corona-Zeiten "Schnelligkeit und Entschlossenheit dringend notwendig" seien. Hinter den Kulissen ist es jedenfalls kein Geheimnis, dass der Personalentscheidung ein Streit über die Firmenpolitik vorausging. Demnach will Klein mehr Zentralisierung der Geschäfte, während Morgan das Gegenteil anstrebte. Wer auch immer von beiden richtig liegt, Aufsichtsratschef Plattner muss sich des Verdachts erwehren, eine Vorzeige-Managerin aus dem Team gekickt zu haben. Auch für ihn wird es nichts mit rosarotem Nachruhm.

    Wie Hopp ist er nur fast ein deutscher Bill Gates. Der Amerikaner macht es in den vergangenen Jahren deutlich cleverer und bildet mit seiner Frau Melinda eine harmonisch wirkende männlich-weibliche Doppelspitze für die gemeinsame Stiftung. Plattner begutachtet hingegen das Eigentor, das der Konzern sich eingebrockt hat. Auch Hopp schoss mit seiner übersteigerten Ballsport-Liebe ins eigene Tor. Dafür gibt es nicht wie früher Leberwurst-Büchsen. Dabei ist der Mäzen ein Patriot. Danach gefragt, ob er nach Monaco abhauen würde, wenn der Staat 80 Prozent Steuern von ihm haben wolle, meinte er: "Nein, ich würde hierbleiben." Er versteht es auch nicht, warum nicht mehr Unternehmer der Gesellschaft das zurückgeben, was sie ihnen ermöglicht hat.

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