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Rupert Stadler: Warum der inhaftierte Audi-Chef jetzt schweigt

Rupert Stadler

Warum der inhaftierte Audi-Chef jetzt schweigt

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    Seit einem Monat sitzt Rupert Stadler in U-Haft. Und dort bleibt er vorerst auch.
    Seit einem Monat sitzt Rupert Stadler in U-Haft. Und dort bleibt er vorerst auch. Foto: Marijan Murat, dpa

    In Wirtschaftsstrafverfahren steht immer viel auf dem Spiel. Viel Geld und viel Reputation aufseiten von Unternehmen und Managern, aufwendige und heikle Ermittlungsarbeit aufseiten der Staatsanwaltschaft. Diese Konstellation führt häufig zu einem Verhalten nach Art von Schachspielern. Man lauert, man versucht, die Züge des Gegners vorauszusehen. Offenbar haben wir es im Fall des beurlaubten Audi-Chefs Rupert Stadler mit dem Musterfall einer solchen Konstellation zu tun.

    Audi-Chef Rupert Stadler bleibt vorerst in Haft

    Gegen den Manager wird in der Abgas-Affäre seit einem Jahr ermittelt. Aus Sicht der Münchner Staatsanwaltschaft ohne durchschlagenden Erfolg. Bis vor kurzem. Seit Ende Mai gilt Stadler, 55, als Beschuldigter in dem Verfahren – der höchstrangige von 20 Audi-Leuten. Und vor einem Monat wanderte der Audi-Chef gar in U-Haft. Der Vorwurf: Betrug am Kunden. Stadler soll nach dem Aufdecken der Manipulation in den USA nicht verhindert haben, dass Audi in Europa Diesel-Autos mit manipulierter Abgasreinigung verkauft hat. Als Haftgrund gab die Staatsanwaltschaft Verdunklungsgefahr an. In einem abgehörten Telefonat soll Stadler in Erwägung gezogen haben, einen Mitarbeiter beurlauben zu lassen, der Stuttgarter Staatsanwälten bei deren Ermittlungen gegen Porsche geholfen haben soll. Stadler bestreitet das.

    Es ist in eingeweihten Justizkreisen kein Geheimnis, dass die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen schon mal versucht, einen Beschuldigten „weichzukochen“. Ein Spitzenmanager mit Millionen-Einkünften ist im Regelfall sehr haftempfindlich. Das erhöht nicht selten die Aussagebereitschaft. Im Fall Stadler schien es zunächst ebenfalls zu klappen. Der Audi-Chef erklärte sich nach Rücksprache mit seinem Verteidiger Thilo Pfordte bereit, auszusagen. Doch offenbar hat er in den Vernehmungen in der JVA Augsburg-Gablingen nicht das gesagt, was die Ermittler hören wollten. Ein Geständnis gab es nach Informationen unserer Redaktion nicht. Die Vernehmungen sollen vielmehr äußerst zäh gewesen sein.

    Landgericht prüft Stadlers Haftbeschwerde

    Umgekehrt hatte Stadler von seinen Aussagen erhofft, dass sie die Staatsanwaltschaft milde stimmen und er freikommen kann. Nun musste er feststellen, dass dies nicht geklappt hat. Sein Verteidiger brach die Vernehmungen daher ab. Stadler schweigt jetzt und geht dafür mit einer Haftbeschwerde auf Konfrontationskurs. Im Gegensatz zu einer Haftprüfung, die nach sechs Monaten U-Haft gesetzlich vorgeschrieben ist, kann die Haftbeschwerde jederzeit eingelegt werden.

    Der Diesel-Skandal bei Audi - eine Chronologie

    18. September 2015: Die amerikanische Umweltbehörde EPA deckt auf, dass der VW-Konzern bei Dieselfahrzeugen die Ermittlungen der Abgaswerte manipuliert hat. Sie geben auf dem Prüfstand geschönte Werte aus. Auch der Audi A3 ist betroffen.

    2. November 2015: Der Skandal weitet sich aus. Die EPA findet heraus, dass auch bei anderen Dieselmodellen die Abgasreinigungsanlage manipuliert wurde. Unter anderem beim Audi A6 Quattro, A7 Quattro, A8, A8L und Q5. Nun ist auch die Rede davon, dass Porsche Abgaswerte schönrechnet. Denn die Porsche-Diesel-Motoren werden von Audi entwickelt.

    4. November 2015: Nach den neuen Vorwürfen der EPA stoppen VW, Porsche und Audi den Verkauf der betroffenen Autos in den USA.

    21. November 2015: Die EPA teilt mit, dass Vertreter des VW-Konzerns eingeräumt haben, bei sämtliche Diesel-Fahrzeuge der Marken VW und Audi mit 3,0-Liter-Motoren aus den Modelljahren 2009 bis 2016 Schummelsoftware eingebaut zu haben.

    23. November 2015: Audi räumt ein, zumindest in den USA in 3,0-Liter-Diesel-Autos Betrugssoftware eingebaut zu haben.

    4. Januar 2016: Die USA verklagen VW, Audi und Porsche wegen des Einsatzes von Betrugssoftware.

    6. November 2016: Es wird bekannt, dass wohl noch mehr Audi-Modelle mit einer Betrugssoftware ausgestattet worden sind. Diesmal soll der Autohersteller auch bei den CO2-Werten geschummelt haben.

    15. März 2017: Während der Jahrespressekonferenz von Audi durchsuchen mehr als 100 Polizisten die Audi-Zentrale in Ingolstadt, weitere Standorte und die Wohnungen von Mitarbeitern. Grund ist ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwalt München II gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Betrugs und der strafbaren Werbung.

    1. Juni 2017: Das Verkehrsministerium findet heraus, dass Audi auch in Deutschland illegale Abschalteinrichtungen in Autos eingebaut hat. 24000 Fahrzeuge sind betroffen.

    2. Juni 2017: Die Staatsanwaltschaft München II weitet ihr Ermittlungsverfahren gegen Audi aus. Nun geht es auch um Fahrzeugverkäufe in Deutschland und Europa

    7. Juli 2017: Bei den Ermittlungen in der Diesel-Affäre wird zum ersten Mal in Deutschland ein Beschuldigter festgenommen. Dem Ex-Audi-Manager aus Neckarsulm werden Betrug und unlautere Werbung vorgeworfen.

    4. August 2017: Die Münchner Staatsanwaltschaft leitet im Zusammenhang mit der Diesel-Affäre ein Bußgeldverfahren gegen mehrere Audi-Vorstände ein. Wegen möglicher Verletzung von Aufsichtspflichten laufe ein solches Verfahren gegen noch unbekannte Vorstände des Autobauers, teilt die Behörde mit.

    28. September 2017: Im Zusammenhang mit der Abgasaffäre gibt zwei weitere Durchsuchungen. Ein weiterer Audi-Mitarbeiter kommt in Untersuchungshaft.

    2. November 2017: Audi ruft weitere 5000 Diesel-Autos mit unzulässiger Abschalteinrichtung zurück.

    21. Januar 2018: Das Kraftfahrtbundesamt ordnet einen weiteren Zwangsrückruf an. Diesmal müssen 130 000 Audis zurück in die Werkstätten.

    6. Februar 2018: Die Staatsanwaltschaft München II durchsucht Geschäftsräume in der Audi-Zentrale in Ingolstadt und im Werk in Neckarsulm. Auch eine Privatwohnung wird durchsucht.

    8. Mai 2018: Audi stoppt die Auslieferung des A6 und A7. Bei einer Überprüfung hätte sich herausgestellt, dass eine falsche Software zur Abgasreinigung in den Wagen verbaut worden sei. Allerdings wäre dies aus Versehen geschehen und nicht zum Zweck der Manipulation, sagt der Ingolstädter Konzern.

    11. Juni 2018: Die Staatsanwaltschaft München II gibt bekannt, dass sie nun auch gegen Audi-Chef Rupert Stadler und den Beschaffungsvorstand Bernd Martens ermittelt.

    18. Juni 2018: Audi-Chef Rupert Stadler sitzt in Untersuchungshaft. Es bestehe Verdunklungsgefahr.

    Das Amtsgericht München hat die Entscheidung schon eine Instanz weitergereicht. Das Landgericht ist nun am Zug. Und wenn das Stadler nicht hilft, könnte er sich ans Oberlandesgericht wenden. Für Stadler hat das den Vorteil, dass nicht dasselbe Gericht über die Haftfortdauer entscheidet, das den Haftbefehl erlassen hat, nämlich das Amtsgericht. Das erhöht seine Chancen auf eine Freilassung. Ob sein neuer Schachzug Erfolg hat, ist offen. Bis dahin bleibt er im Gefängnis.

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