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Roboterbauer: Der Kuka-Krimi hätte ganz anders laufen können

Roboterbauer

Der Kuka-Krimi hätte ganz anders laufen können

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    Da waren die Zeiten noch in Ordnung: Ex-Kuka-Chef Reuter zeigte Kanzlerin Merkel im Jahr 2015 Hightech aus Augsburg. Sich statt chinesischer Investoren an der Firma zu beteiligen, davor schreckte der Bund aber zurück.
    Da waren die Zeiten noch in Ordnung: Ex-Kuka-Chef Reuter zeigte Kanzlerin Merkel im Jahr 2015 Hightech aus Augsburg. Sich statt chinesischer Investoren an der Firma zu beteiligen, davor schreckte der Bund aber zurück. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Mühlen der Politik mahlen langsam. Für Kuka haben sie sich viel zu zögerlich  bewegt, so dass der chinesische Haushaltsgeräte-Konzern Midea im Jahr 2016 bei dem Augsburger Roboterbauer durchmarschieren und sich rund 95 Prozent der Aktien sichern konnte.

    Damals lief allen, ob Politikern oder Kuka-Managern, die eine komplette Übernahme verhindern wollten, die Zeit davon. Es hatte sich zwar ein Rettungskomitee aus Gewerkschaftern, Repräsentanten des Augsburger Unternehmens und dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gebildet. Aber die Suche der Truppe nach einem Weißen Ritter, also einem mutigen Investor, der sich für Kuka schützend in die Bresche wirft, blieb erfolglos.

    Der Lockstoff der Chinesen war zu betörend. Dem Duft von 115 Euro je Aktie konnten die Anteilseigner nicht widerstehen, lag der wahre Börsenwert pro Papier laut Experten damals doch bei etwa 85 Euro je Aktie. So ließen alle Ritter ihre Schwerter stecken, ob bei Siemens, dem schweizerisch-schwedischen Kuka-Rivalen ABB oder anderen kapitalkräftigen Häusern. Im August 2016 war alles zu spät: Der deutsche Vorzeigebetrieb gehörte fast ganz den geschickt vorgehenden Invasoren aus Asien.

    Midea zahlte 115 Euro pro Aktie - das war dem Bund zu viel

    Doch die Geschichte hätte anders laufen können, wie Recherchen dieser Redaktion ergeben haben. Denn nachdem die Midea-Angreifer den 115-Euro-Lockstoff versprühten, machte sich eine nach einem wirksamen Gegenduft suchende Truppe aus der Region auf dem Weg nach Berlin. Die Reise führte sie zum damaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, ein Mann, der schon mal gegen die Mächtigen anstinken kann.

    So empfing der SPD-Politiker unter anderem den IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner. Ihm liegt Kuka von jeher besonders am Herzen, war er doch einst Chef der Gewerkschaft in Augsburg, wo der Stammsitz des Unternehmens liegt. Der Arbeitnehmervertreter saß auch früher im Aufsichtsrat des Unternehmens und hatte die Vize-Funktion in dem Gremium inne.

    Kerner macht keine Angaben über die weiteren Mitglieder des Rettungskomitees. Er nennt also nicht deren Namen. Doch wie zu erfahren ist, führte die abwehrbereite Runde der inzwischen von den Chinesen geschasste damalige Kuka-Chef Till Reuter an. Auch der zu dem Zeitpunkt den Aufsichtsrat leitende Maschinenbau-Experte Bernd Minning und Michael Leppek, bis heute IG-Metall-Chef in Augsburg, waren demnach mit von der Partie.

    Nach Informationen unserer Redaktion hatten sie, um sozusagen in letzter Minute die Chinesen auszubremsen, einen interessanten Vorstoß im Gepäck. Dieser sah vor, dass Gabriel seine Kollegen in der Bundesregierung und damit vor allem den seinerzeit amtierenden Finanzminister Wolfgang Schäuble überzeugt, dass der Staat indirekt eine Sperrminorität an der Kuka AG von 25,1 Prozent erwirbt. In dem Fall hätte sich dann die staatliche Förderbank KfW zum Weißen Ritter für Kuka aufgeschwungen und das Schwert gezückt. Das wäre nicht nach dem Geschmack der Chinesen gewesen. Denn mit einer Sperrminorität lässt sich für dicke Luft sorgen.

    Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, stellt bei einer Pressekonferenz im Bundeswirtschaftsministerium die "Nationale Industriestrategie 2030" vor.
    Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, stellt bei einer Pressekonferenz im Bundeswirtschaftsministerium die "Nationale Industriestrategie 2030" vor. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Altmaier bringt jetzt einen staatlichen Beteiligungsfonds ins Gespräch

    Die Idee des Kuka-Rettungskomitees erinnert stark an die am Dienstag von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vorgestellten Pläne, notfalls mit einem Beteiligungsfonds feindliche Übernahmen großer Unternehmen in Deutschland zu verhindern. Nach dem Konzept dürfte der Staat kurzfristig Anteile an einem Unternehmen übernehmen. Doch was CDU-Mann Altmaier durchaus als Lehre aus dem Fall „Kuka“ durchsetzen will, schien für den SPD-Politiker Gabriel 2016 noch nicht in der damaligen Großen Koalition durchsetzbar zu sein.

    Wie es aus Teilnehmerkreisen des damaligen Spitzengesprächs zu Kuka heißt, habe der SPD-Zampano auf seinen Kollegen im Finanzministerium verwiesen und in etwa gesagt: Das mache Wolfgang Schäuble nicht mit. Schließlich hätte der Finanzminister es gutheißen müssen, dass der Staat indirekt einen Aufpreis von rund 30 Euro pro Kuka-Aktie zahlt, also die von den Chinesen gebotenen 115 Euro, wo doch 85 Euro angemessen gewesen wären. Eine solche Großzügigkeit hätte Schäuble und Gabriel, ja Kanzlerin Angela Merkel in Erklärungsnöte gebracht. Ähnliches gilt für Siemens-Chef Joe Kaeser. So waren die Chinesen nicht mehr zu bremsen. Doch – hierin sind sich Mitglieder des Kuka-Rettungskomitees von 2016 einig – wäre es anders gelaufen, wenn es schon den Erste-Hilfe-Fonds von Altmaier gegeben hätte.

    Dann wäre der Staat fähig gewesen, jene 25,1 Prozent an Kuka zu kaufen, um sie an einen deutschen oder europäischen Investor weiterzureichen. Er wäre also in der Lage gewesen, die für Kuka dringend benötigte Zeit zu kaufen. Am Ende hätten die Chinesen nicht so einfach – wie zuletzt geschehen – Reuter als Konzernchef absetzen und Druck für ein Sparprogramm samt Stellenstreichungen machen können.

    Augsburgs IG-Metall-Chef Leppek: „Für Kuka kommt der Vorschlag zu spät“ 

    Doch die Mühlen der Politik mahlen langsam. So sagt Augsburgs IG-Metall-Chef Leppek: „Ich begrüße den Altmeier-Vorstoß. Für Kuka kommt er aber zu spät. Das hätten wir uns früher gewünscht.“ Und er fügt hinzu: „Damals war niemand bereit, das zu machen.“

    Leppeks Gewerkschaftskollege Kerner steht auch hinter dem Konzept des Bundeswirtschaftsministers. Gegenüber dieser Redaktion forderte er aber Altmaier auf, noch mutiger zu sein. Denn aus der Sicht von IG-Metall-Vorstand Kerner reichen KfW-Mittel nicht aus, um einen solchen Fonds finanziell schlagkräftig aufzustellen. Er kann sich vorstellen, dass in einen derartigen Topf zur Abwehr feindlicher Übernahmen von Schlüsselunternehmen auch Mittel privater Geldgeber fließen. Es gäbe durchaus Personen, die bereit wären, in Deutschland Geld zu investieren. Der Gewerkschafter ist überzeugt: „So kann verhindert werden, dass Firmen in falsche Hände geraten.“

    Kerner strebt jedoch keine Staatsindustrie an. Nach seinen Überlegungen würde ein solcher Deutschland-Fonds nur vorübergehend einspringen, durchaus auch um Hightech-Firmen aus dem Mittelstand zu retten. Vielleicht mahlen die Mühlen der Politik nun schneller, seit sich Altmaier zum Industriepolitiker berufen fühlt. Die Kuka-Beschäftigten in Augsburg werden das mit Wehmut betrachten.

    Um den Wirtschaftskrimi um Kuka geht es auch in unserem Podcast Bayern-Versteher. Jetzt reinhören!

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