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Region: Bio ist beliebt wie nie - doch die Zahl der Bio-Bauern sinkt

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Bio ist beliebt wie nie - doch die Zahl der Bio-Bauern sinkt

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    Verlässliche Kennzeichnung: Wo das deutsche Bio-Siegel drauf ist, ist auch Bio-Ware drin.
    Verlässliche Kennzeichnung: Wo das deutsche Bio-Siegel drauf ist, ist auch Bio-Ware drin. Foto:  Andrea Warnecke (dpa)

    Franz Donderer weiß, dass es funktioniert. Dass man Felder bewirtschaften kann ohne Mineraldünger und ohne synthetische Spritzmittel. Dass man Ökonomie und Ökologie in Einklang bringen kann. Und er ist überzeugt, dass sich Bio lohnt – für den Bauern, aber auch für die Böden und die Natur. „Öko-Landbau ist die modernste Form der Landwirtschaft“, sagt er. Der 57-Jährige muss es wissen. 1981 hat er den Betrieb in Aichen nahe Krumbach übernommen – ohne Vieh und mit zwei alten Schleppern. Heute bewirtschaftet er einen Öko-Bauernhof mit 70 Hektar Land und 140 Stück Vieh – und ist ein gefragter Berater, wenn es um nachhaltiges Wirtschaften geht. Wahrscheinlich ist der Bio-Pionier deshalb so sehr in Sorge. Darüber, dass immer weniger Landwirte umstellen. Und dass noch mehr Bio-Bauern aussteigen, wenn sich an ihrer Situation nichts ändert.

    Sontheimer wechselt vom  Bio-Bauer wieder zur konventionellen Landwirtschaft

    So wie Uli Stechele aus Sontheim. Sein Vater war einer der ersten, der im Unterallgäu auf Öko-Landbau umgestellt hat. 33 Jahre später dreht der Sohn das Rad zurück auf konventionell. Leicht hat er sich diese Entscheidung nicht gemacht. „Ich hatte schlaflose Nächte“, erzählt Stechele, gerade weil er erst vor zwei Jahren einen neuen Stall gebaut hat, nach den Vorschriften der Öko-Richtlinie, mit Platz für 80 Kühe und Jungvieh. „Aber diese Investition muss sich auch rechnen“, sagt der 36-Jährige.

    Öko-Landbau lohnt sich nicht

    Und das tut sie im Öko-Bereich derzeit nicht. Als Bio-Bauer braucht Stechele deutlich mehr Fläche, um Futter anbauen zu können. Doch die ist im Unterallgäu, wie im Rest Schwabens, knapp und teuer. 20 Hektar mehr hätte Stechele gebraucht. Mit der Pacht, die Biogas-Bauern und seine konventionellen Kollegen bieten, „da können wir Bio-Bauern nicht mehr mitspielen“. Binnen zehn Jahren hätten sich die Preise verdreifacht, sagt Stechele.

    Dann ist da noch der Milchpreis. Im Vergleich zu konventionellen Betrieben bekommt der Bauer sechs Cent mehr pro Kilo Milch, deutlich weniger als früher. „Das reicht vorn und hinten nicht – bedenkt man, dass ich mehr Fläche brauche und pro Kuh weniger Milch habe.“

    Bayernweit sinkt die Zahl der Bio-Bauern

    Stechele ist nicht der einzige, der zur konventionellen Landwirtschaft zurückkehrt. Das zeigt die Statistik des Fachzentrums für Öko-Landbau in Kaufbeuren. 1233 Betriebe in Schwaben wirtschaften derzeit ökologisch – sechs weniger als 2013. Erstmals haben damit mehr Bio-Bauern aufgehört als neue Betriebe hinzukommen. Und das, obwohl das bayerische Landwirtschaftsministerium die Förderung zuletzt sogar erhöht hat. Neueinsteiger bekommen in den ersten beiden Jahren 350 statt bisher 285 Euro pro Hektar Grünland oder Ackerfläche, danach gibt es 200 Euro. Auch bayernweit stagniert die Zahl der Bio-Betriebe.

    Staat hat falsche Anreize gesetzt

    Donderer wundert das nicht. Er verweist auf die Biogas-Betriebe, die deutlich stärker gefördert werden als der Öko-Landbau. „Der Staat hat einen großen Fehler gemacht und völlig falsche Anreize gesetzt“, kritisiert er. Deswegen hat der Bio-Bauer geschrieben – an EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos, an das Agrarministerium in Berlin. Er kritisiert, dass die Politik eine noch stärkere Intensivierung der Landwirtschaft auf Kosten der Natur unterstützt. Und dass sie Chancen für die heimischen Bauern vergibt. Denn während der Öko-Landbau hierzulande stagniert, kaufen die Deutschen so viel Bio wie nie. Deshalb kommt immer mehr Öko-Ware aus dem Ausland, wie eine Studie der Universität Bonn belegt: Jeder zweite Bio-Apfel und jede zweite Bio-Karotte werden importiert.

    Wie groß das Potenzial für Bio ist, betont die Politik regelmäßig, wie stark man die Bauern fördern soll, darüber gehen die Meinungen auseinander. Während Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner mit einem umfangreichen Programm die Bio-Produktion bis 2020 verdoppeln will, hieß es zuletzt aus Berlin, dass sich Bio für die Bauern vor allem rechnen muss.

    Irgendwann reicht Überzeugung allein nicht mehr

    Für Simon Weber aus Markt Rettenbach im Unterallgäu tut es das immer weniger. Da sind die knappen Flächen und die explodierenden Pachtpreise, wo er doch ein Drittel mehr Futterfläche im Vergleich zu konventionellen Betrieben bräuchte. Und das Bio-Kraftfutter, das doppelt so teuer ist. „Das alles frisst im Moment mehr auf, als ich einnehme“, sagt der Bio-Bauer. Wenn es so weitergeht, will der 31-Jährige mit dem Öko-Landbau aufhören. Auch, weil er vor vier Jahren in einen neuen Milchviehstall investiert hat; auch, weil die Auflagen bald noch strenger werden. „Wenn es nicht mehr umgeht, dann reicht die Überzeugung allein nicht mehr“, die Überzeugung, die er von seinem Vater übernommen hat – dass das Wirtschaften ohne Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel nachhaltiger ist.

    Konsumenten schätzen Bio immer weniger

    Dennoch ist der 31-Jährige ernüchtert. Wegen der schwierigen Lage. Und der Konsumenten, die zwar immer mehr Bio-Ware kaufen, aber deren Wert immer weniger schätzen. „Heute will jeder Bio, aber es darf nichts mehr kosten. Und es ist egal, woher es kommt“, sagt Weber. Auch Minister Brunner hat das Problem erkannt. Er sagt: „Wir müssen den Verbrauchern bewusst machen, dass es Bio aus Bayern nicht zum gleichen Preis geben kann wie Bio aus Ägypten oder Mexiko.“ Donderer sieht das anders: Solange der Kunde nicht bereit ist, mehr Geld auszugeben, müsse es die Politik tun – und die Prämien deutlich erhöhen. „Es muss endlich etwas passieren“, sagt er.

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