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Prozess: Die letzte Schlacht des Leo Kirch

Prozess

Die letzte Schlacht des Leo Kirch

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    Eine Aufnahme aus dem Gerichtssaal im Jahr 2011: Der Medienunternehmer Leo Kirch (vorn) und Rolf Breuer, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank.
    Eine Aufnahme aus dem Gerichtssaal im Jahr 2011: Der Medienunternehmer Leo Kirch (vorn) und Rolf Breuer, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank. Foto: Foto: dpa

    München Leo Kirch hatte den Kampf bis auf sein Sterbebett geführt. Er wollte auf die Art Rache, wie in der Finanzbranche gerächt wird: Er wollte Geld, viel Geld. Um Milliarden ging es in der Klagewelle des abgestürzten Medienmoguls gegen die Deutsche Bank und deren einstigen Chef Rolf Breuer. Doch nun, sieben Monate nach dem Tod Kirchs, ist auch das letzte Kapitel aus dessen wechselvoller Karriere geschlossen. Kirchs Erben und die Deutsche Bank schlossen einen Vergleich, der sich Medienberichten zufolge an einem früheren Vorschlag orientiert. Danach müsste die Bank 775 Millionen Euro zahlen.

    Kirch war eine der bedeutendsten Figuren des deutschen Privatfernsehens, zu seinem Konzern zählten die Sender Pro Sieben und Sat.1 sowie der inzwischen in Sky umbenannte Bezahlsender Premiere. Die hohen Verluste von Premiere hatten Kirch schon schwer in Bedrängnis gebracht, als Breuer sich vor zehn Jahren zu einem verhängnisvollen Satz hinreißen ließ: „Was man alles darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen“, sagte Breuer im Februar 2002 in einem Interview, das bei Bloomberg TV ausgestrahlt wurde.

    Tatsächlich erhielt Kirch bald darauf kein Geld mehr von den Banken, sein Konzern musste im April 2002 Insolvenz anmelden. Für Kirch war Breuers Aussage dafür der Auslöser: „Das war keine unbedachte Äußerung. So einen gedrechselten Satz sagt man nicht einfach so. Das war abgestimmt, mit Anwälten durchgesprochen“, glaubte Kirch. Und fand in einem Spiegel-Interview eine drastische Beschreibung: „Das Interview war meine Schlachtung“, sagte Kirch im Jahr 2005. „Erschossen hat mich der Rolf.“

    Was sich ein bisschen wie die Verschwörungstheorie eines verbitterten Pleitiers anhört, fand im Grundsatz auch vor Gericht Zustimmung. Anfang 2006 befand der Bundesgerichtshof, dass Breuer mit dem Interview seine Pflichten als Vorstandsvorsitzender einer Bank verletzt hat.

    Dieses Urteil nahm Kirch als Grundlage für eine ganze Reihe von Schadenersatzklagen, mit denen er die Deutsche Bank überzog. Vor allem in dem Rechtsstreit, der nun offenbar beigelegt wurde, hatte er Aussicht auf Erfolg. Im vergangenen Jahr hatte der Richter einen Vergleich über 775 Millionen Euro angeregt.

    Zu Lebzeiten Kirchs war eine gütliche Einigung aber unmöglich. Trotz seines miserablen Gesundheitszustands sagte der 84-jährige Kirch wenige Monate vor seinem Tod noch einmal aus, um für seine Sache zu streiten. Es war sein letzter öffentlicher Auftritt. Nach dem Tode Kirchs ging das Verfahren zwar weiter. Zuletzt allerdings verstärkten sich die Anzeichen, dass eine gütliche Einigung in einem der größten deutschen Wirtschaftsprozesse doch möglich sein würde. Vor allem der Ende Mai scheidende Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann wollte seine beiden Nachfolger noch vor seinem Ausscheiden von dem Rechtsstreit befreien.

    Denn dieser hatte weitreichende Wirkung auf die Deutsche Bank. Breuer trat kurz nach dem Urteil des BGH als Aufsichtsratschef ab, vergangenen Dezember musste er zudem 350000 Euro zahlen. Dafür stellte das Münchner Landgericht einen Prozess wegen Prozessbetrugs ein, der nach einer angeblichen Falschaussage Breuers in einem der Kirch-Prozesse eingeleitet wurde.

    Gravierende Folgen hatte der Kirch-Prozess für Ackermann, der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank werden wollte. Doch weil er im Kirch-Prozess Falschaussagen gemacht haben soll, leitete die Münchner Staatsanwaltschaft im November Ermittlungen gegen ihn ein. Als das bekannt wurde, kündigte Ackermann den Verzicht auf den Aufsichtsratsposten an.

    Während bei der Deutschen Bank nun Wunden geleckt werden, dürften bei Kirchs Erben die Champagnerkorken knallen. Dem Handelsblatt zufolge fließt die eine Hälfte der Vergleichssumme an den Insolvenzverwalter – die andere Hälfte an die Erben. Ralf Isermann, afp

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