Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Pressestimmen: Schlecker: "Machtspielchen der Liberalen"

Pressestimmen

Schlecker: "Machtspielchen der Liberalen"

    • |
    Ist Schlecker "Machtspielchen der Liberalen" zum Opfer gefallen oder zeigt die Entscheidung "wirtschaftspolitische Vernunft"? Die Presse ist uneins.
    Ist Schlecker "Machtspielchen der Liberalen" zum Opfer gefallen oder zeigt die Entscheidung "wirtschaftspolitische Vernunft"? Die Presse ist uneins. Foto: Franziska Kraufmann dpa

    Südwest-Presse: r die Gralshüter der Marktwirtschaft ist die Welt seit gestern wieder in Ordnung. Mit ihrem Nein zu den Schlecker-Bürgschaften haben die FDP-Wirtschaftsminister in Niedersachsen, Sachsen und zuletzt in Bayern gezeigt, dass auf ihre Linientreue Verlass ist. Wäre ja noch schöner, wenn "Willkür", "Gutsherrenart" und "Planwirtschaft" um sich greifen würden, so ähnlich hat es Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil formuliert. Für die 10 000 Mitarbeiter, vor allem sind es Frauen, bedeutet diese Haltung vor allem eines: Sie verlieren zum 1. April ihren Job. Die Neinsager müssen mit dem Vorwurf leben, dass ihnen Parteipolitik wichtiger ist als zigtausende Existenzen.

    Leipziger Volkszeitung: Die Schlecker-Beschäftigten haben schon viele Höhen und Tiefen erlebt. Aber das, was sie in den vergangenen Tagen mitmachen mussten, dürfte dem ganzen die Krone aufgesetzt haben. Denn in dem Gezerre um eine Transfergesellschaft ging es längst nicht mehr um die Mitarbeiter, sondern um politisches Machtgerangel. Dass die FDP meint, auf dem Rücken der Schlecker-Frauen eine Grundsatzdebatte über Ordnungspolitik führen zu müssen, ist geradezu zynisch. Im Fall Schlecker ist viel Porzellan zerschlagen worden. Bei den Mitarbeitern, aber auch bei möglichen Investoren.

    Westfälische Nachrichten: Das Scheitern der Auffanglösung für die Schlecker-Frauen ist für die Betroffenen eine betrübliche Nachricht - daran kann kein Zweifel bestehen. Ganz anders muss das Urteil der Steuerzahler lauten: Der Verzicht auf die 70-Millionen-Bürgschaft ist ein Gebot der wirtschaftspolitischen Vernunft.

    Rhein-Neckar-Zeitung: Rein ordnungspolitisch musste sich die FDP natürlich treu bleiben: Kein Staatsgeld für marode Firmen. Das hielten die Liberalen schon bei Opel so und etwas anderes passt auch gar nicht zu ihrem Wirtschaftsprofil. Dennoch fragt man sich, ob hier mit Philipp Rösler und dem bayrischen Wirtschaftsminister Martin Zeil wirklich Überzeugungstäter am Werk waren oder politische Taktierer? Letzteres wäre angesichts von 11 000 Arbeitsplätzen, die nun verloren gehen, natürlich schlimm.

    Südkurier: "Ordnungspolitisch ist es richtig, dass es keine finanziellen Hilfen der Länder zur Gründung einer Transfergesellschaft gibt. Der Staat sollte die Bedingungen für einen freien und fairen Wettbewerb schaffen. Und in den sollte dann niemand mehr eingreifen. Schon gar nicht, um sich später als Retter feiern zu lassen. Das bekam der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hervorragend hin. Er setzte sich dafür ein, dass der insolvente Baukonzern Philipp Holzmann 250 Millionen Mark vom Staat als Rettungspaket erhielt. Dafür ließ er sich in den Medien umjubeln. 50.000 Beschäftigte hatte der Bauriese zu der Zeit. Doch schon zwei Jahre später war das Unternehmen trotz der Hilfen insolvent und die Mitarbeiter arbeitslos.

    Kölner Stadt-Anzeiger: Um logische Argumente ging es im Fall Schlecker zuletzt gar nicht. Es sind Machtspielchen der Liberalen, die ihr Profil in Wahlkampfzeiten auf Teufel komm raus schärfen wollen, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Für den Schlecker-Insolvenzverwalter wird es nun schwer: Viele der rund 11000 Schlecker-Mitarbeiterinnen werden Kündigungsschutzklage einreichen in der Hoffnung, wenigstens eine ordentliche Abfindung zu bekommen. Das wird es für den Insolvenzverwalter nahezu unmöglich machen, einen Investor für Schlecker zu finden.

    Nürnberger Nachrichten: Eine schlechte Figur gibt auch Seehofer ab. Warum setzt er sich nicht gegen die FDP durch? An der Stärke des Koalitionspartners kann es nicht liegen: Die Umfrageergebnisse für die Liberalen sind seit langem grottenschlecht, jüngst bei der Saarland-Wahl kam die FDP auf 1,2 Prozent. Das ist Splitterpartei-Niveau. Da stellt sich schon die Frage, warum sich Schwergewichte wie die CSU und auch die CDU mit Kanzlerin Angela Merkel - die FDP setzte den von ihr nicht gewünschten Bundespräsidenten Gauck durch - von dieser Winzlings-Partei so vorführen lassen, die längst nur noch ums nackte Überleben kämpft.

    Nordbayerischer Kurier: Das Schlecker-Drama wäre aus theaterwissenschaftlicher Sicht eine gute Tragödie: Es präsentiert gescheiterte Helden und fiese Bösewichter. Als Schurken treten FDP-Politiker auf, die, ums eigene Überleben kämpfend, dem Drama ein Stück Schmierentheater hinzufügen: Wenn sie nämlich wie Bärentreiber ihre Koalitionspartner am Nasenring durch die Arena führen. In Bayern hat die Rolle des Bärentreibers FDP-Minister Zeil und die Rolle des Bären Ministerpräsident Seehofer. 11 000 Schlecker-Frauen kriegen nun ihre Kündigung. Sie sind nun mal nicht liberale Klientel. Deshalb ist das Schlecker-Drama nur ein schlechtes Stück aus dem Tollhaus.

    Süddeutsche Zeitung: Vielleicht haben die FDP-Minister seriöse Gründe für ihre Verweigerung. Es wäre dann aber höchste Zeit, diese zu erklären. Bisher schicken sie nur Briefe von einem Ministerium zum anderen, oder haben Erklärungen abgegeben, bloß dann mitzumachen, wenn alle Bundesländer mitmachten, und da das leider nicht so sei... sorry, dies ist Politik nach dem Motto: Wer ist der Kälteste im Land? Es gibt Desaster, bei denen nur die Kapitulation bleibt. Ob das im Fall Schlecker so ist, ist die eine Frage. Die andere ist, ob

    Märkische Oderzeitung: Ob in dem halben Jahr einer Auffanggesellschaft Qualifizierungen hätten erworben werden können, die die Arbeitsmarktchancen, die so schlecht gar nicht sein sollen, noch einmal verbessert hätten, sei dahingestellt. Zweifel sind angebracht. Es wäre aber ein Zeichen für die von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen gewesen, dass alles für sie getan würde. Gralshüter der Marktwirtschaft argumentieren, wenn der Staat bei jeder Pleite einspringen würde, wäre er ziemlich schnell selbst am Ende. Was stimmt, aber gar nicht gefordert wird. Es drängt sich also vielmehr der Eindruck auf, dass die Schlecker-Beschäftigten zum Spielball politischer Profilierungssucht geworden sind, bei der sich eine kleine Partei besonders hervorgetan hat.

    Frankfurter Allgemeine Zeitung: Es wird nicht leicht sein, der zum Symbol gewordenen "Schlecker-Frau" begreiflich zu machen, dass eine Bürgschaft in zweistelliger Millionenhöhe für eine Transfergesellschaft zu teuer ist, dreistellige Milliardenbeträge für die europäische Solidarität aber recht und billig sind. Es macht die Sache nicht leichter, dass das Unternehmen, um das es geht, bis vor kurzem noch im Ruch des Frühkapitalismus stand, dass es gewerkschaftlich domestiziert werden musste, und die Verkäuferinnen deshalb als die Schützlinge einer gegen neoliberale Kälte gerichteten Fürsorge behandelt werden. Geblendet vom Jobwunder, das in Deutschland zu beobachten ist, gerät dabei leicht in Vergessenheit, dass es die Schleckers dieser Welt sind, die Arbeit schaffen - und auch ruinieren.

    Landeszeitung Lüneburg: Falscher kann eine richtige Entscheidung nicht wirken. Schlecker ist nicht systemrelevant. Deshalb präsentieren sich Politiker, die seit Monaten jede noch so aberwitzige Milliarden-Bürgschaft für Banken gutheißen, plötzlich wieder als Gralshüter des freien Marktes. Vermitteln lässt sich eine solche Haltung nicht. Was bleibt, ist das Gefühl der Ungerechtigkeit - ein potenziell systemsprengendes Gefühl für eine soziale Marktwirtschaft. Und hier wird auch die Pleite kleiner Firmen systemrelevant. Helfen würde, wenn nicht nur die auf maximale soziale Fürsorge rechnen könnten, die von schlagzeilenträchtigen Pleiten betroffen sind. Sondern jeder, dem unverschuldet der Absturz droht. dpa/AZ

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden