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Premium Aerotec: Der Fall Premium Aerotec zeigt: Die Industrieregion gerät in Bedrängnis

Premium Aerotec

Der Fall Premium Aerotec zeigt: Die Industrieregion gerät in Bedrängnis

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    Produktion von Leichtbau-Teilen für Flugzeuge bei Premium Aerotec. 
    Produktion von Leichtbau-Teilen für Flugzeuge bei Premium Aerotec.  Foto: Fred Schöllhorn

    Der Flugzeugteile-Hersteller Premium Aerotec will in seinem Werk in Augsburg rund 1000 Stellen abbauen. Das steht seit Montag fest. Damit ist dort jeder dritte der rund 3500 Arbeitsplätze in Gefahr. Es ist ein herber Rückschlag für die ganze Industrieregion Schwaben. Dort spielt die Luft- und Raumfahrt nämlich eine besondere Rolle – und Premium Aerotec ist eines der zentralen Unternehmen. Politik und Verbände sind alarmiert. Es klingt fast wie ein Hilferuf, was die Industrie- und Handelskammer Schwaben am Dienstag mitteilte. "Ein Champion braucht Unterstützung", schreibt die Kammer. "Die Luft- und Raumfahrt in Bayerisch-Schwaben steht aktuell unter besonderem Druck." Fabian Mehring, Parlamentarischer Geschäftsführer der Freien Wähler im Landtag, ist der Ansicht, dass es Zeit für eine offensive, "knallharte" Industriepolitik im Freistaat sei.

    In den vergangenen Jahren hat sich die Luft- und Raumfahrt zu einer der tragenden Säulen der Industrie unserer Region entwickelt. Im Vergleich zu anderen Branchen sei der Beschäftigungsanteil der Luft- und Raumfahrt in Schwaben "absolut spitze", berichtet die Industrie- und Handelskammer. Dies sei das Ergebnis einer neuen Studie, welche die Kammer bei Prognos in Auftrag gegeben hat.

    Mehr als 15.000 Beschäftigte in Schwaben in der Luft- und Raumfahrt-Industrie

    "Über 15.000 Menschen finden in der Luft- und Raumfahrt Arbeit, das ist im Verhältnis zu anderen Branchen bemerkenswert", berichtet Hauptgeschäftsführer Marc Lucassen. Große schwäbische Arbeitgeber sind neben Premium Aerotec zum Beispiel auch der Raketenhersteller MT Aerospace in Augsburg oder Airbus Helicopters in Donauwörth. Und nicht nur die Größe des Industriebereichs, auch die Dynamik in der Branche sei erstaunlich, berichtet die Kammer: Die Mitarbeiterzahl habe seit 2011 in der Luft- und Raumfahrt in Schwaben um 57 Prozent zugenommen. Dazu ist ein Netz an Forschungseinrichtungen entstanden.

    In diese Entwicklung platzen nun die Wirtschaftskrise und der Stellenabbau bei Premium Aerotec. Die Erfolgsgeschichte der Luftfahrt in Schwaben habe durch die Corona-Krise und die Diskussion um das Klimagas CO2 "einen herben Dämpfer bekommen", so die IHK.

    Marc Lucassen, IHK: "Müssen auf diese Herausforderungen reagieren"

    Lucassen fordert, in dem Drama nicht nur zuzuschauen: "Es ist nun die gemeinsame Aufgabe von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, auf diese Herausforderungen zu reagieren", sagt er. Arbeitsplätze und Know-how lassen sich halten, wenn zum Beispiel das Kurzarbeitergeld auf 48 Monate verlängert werde, schlägt er vor. Und um Innovationen zu entwickeln, gebe es Ansatzpunkte im Konjunkturpaket der Bundesregierung.

    Die Krise bei dem Flugzeugbauer Airbus ist ein Problem für die Luft- und Raumfahrtregion Schwaben.
    Die Krise bei dem Flugzeugbauer Airbus ist ein Problem für die Luft- und Raumfahrtregion Schwaben. Foto: Silvio Wyszengrad

    Dort finden sich zwei Punkte, die sich mit der Luftfahrt beschäftigen. Mit einer Milliarde Euro will die Regierung die Einführung moderner Flugzeuge unterstützen, die bis zu 30 Prozent weniger CO2 emittieren. Und auch in der mit sieben Milliarden Euro dotierten Wasserstoff-Strategie heißt es: Der Bund fördert "den direkten Einsatz von grünem Wasserstoff in Flugzeugantrieben" ebenso wie die Entwicklung von Konzepten für Fliegen mit Wasserstoff, Brennstoffzellen oder Batterien. Geld, um die Forschung in der Luftfahrt-Branche voranzutreiben, sollte also da sein. Die Premium-Aerotec-Mutter Airbus hat angekündigt, gerne solch ein Wasserstoff-Flugzeug zu entwickeln.

    Fabian Mehring, Freie Wähler: "Wir brauchen dringend eine bayerische Industriepolitik"

    Fabian Mehring von den Freien Wählern setzt auch darauf, dass das 40 Millionen Euro umfassende Förderprogramm des Freistaats Premium Aerotec helfen kann. Das Land stellt in der Initiative "BayLu25" bis 2025 insgesamt 20 Millionen Euro für die bayerische Luftfahrtbranche bereit, die Industrie legt nochmals 20 Millionen Euro darauf. "Die Mittel sind im Haushalt eingeplant und können jetzt abgerufen werden", sagt Mehring. Er baut darauf, dass ein großer Teil des Geldes nach Schwaben fließt. "Sie sind ein Hebel, damit der Arbeitsplatzabbau so gering wie möglich ausfällt", sagt er, fügt aber auch an: "Wenn ein Unternehmen staatliche Mittel zeichnet, erwächst daraus auch eine Verantwortung des Unternehmens für die Region und die Beschäftigten." Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern und CSU-Arbeitsministerin Carolina Trautner wollen am Mittwoch Premium Aerotec besuchen.

    Der Großraum Augsburg hatte zuletzt mehrere Rückschläge verkraften müssen: Der Computerhersteller Fujitsu schließt sein Werk, rund 1000 Mitarbeitern müssen gehen. Der Lampenhersteller Ledvance, früher Osram, hat seine Produktion ebenfalls geschlossen. Kuka machte mit einem Abbau von 350 Stellen von sich reden. Nun kommt Premium Aerotec dazu.

    "Fälle wie Osram, Kuka und Premium Aerotec zeigen uns, dass wir dringend eine bayerische Industriepolitik brauchen, die es in den letzten Jahren nicht mehr gegeben hat", sagt deshalb Fabian Mehring. "Wir müssen sicherstellen, dass sich die bayerische Wirtschaft mit ihren Schlüsseltechnologien dauerhaft auf den Weltmärkten behaupten kann", fordert er. Dazu zählt für ihn ein Fokus auf die Autoindustrie und die Luft- und Raumfahrt sowie auf die drei Metropolregionen München, Nürnberg und Augsburg. "Augsburg ist ein wesentlicher Luftfahrtstandort in Europa – das muss auch so bleiben", betont Mehring.

    Arbeitsagentur setzt auf Qualifizierung und Coaching

    In Augsburg-Stadt ist die Arbeitslosigkeit zwischen Juni 2019 und Juni 2020 von 4,7 deutlich auf 6,6 Prozent gestiegen. "Schon vor der Corona-Krise hatten wir gemerkt, dass der Jobzuwachs nach gut elf Boom-Jahren zum Erliegen gekommen war", sagt Roland Fürst, Vize-Chef der Arbeitsagentur Augsburg. "Corona hat die Situation nochmals beschleunigt", erklärt er, ist aber auch optimistisch: Denn die Zunahme der Arbeitslosigkeit flacht aktuell ab. "Es gehen wieder mehr offene Stellen bei uns ein", sagt Fürst. "Es sind Arbeitgeber da, die bereit sind, Fachkräfte zu beschäftigen." Die Qualifizierungs- und Coaching-Programme der Arbeitsagentur laufen deshalb weiter.

    Betroffenen Mitarbeitern kann das Mut machen.

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