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Preisexplosion: Wie Pendler unter steigenden Spritpreisen leiden

Preisexplosion

Wie Pendler unter steigenden Spritpreisen leiden

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    Die Preisanzeige einer Tankstelle zeigt an: Spritpreise in Deutschland befinden sich auf einem Allzeithoch.
    Die Preisanzeige einer Tankstelle zeigt an: Spritpreise in Deutschland befinden sich auf einem Allzeithoch. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Am teuersten tanken derzeit die Bürgerinnen und Bürger der Bodenseestadt Konstanz: Im Durchschnitt 1,68 Euro für den Liter Diesel und 1,89 Euro für den Liter Super E5. Noch teurer ist es, Sprit an den Autobahnen zu zapfen. So hat der Super-Preis beispielsweise an der bayerischen Raststätte Holzkirchen die Zwei-Euro-Marke zum Wochenbeginn übersprungen. Diesel hat bundesweit einen neuen Rekordpreis erreicht und beim Benzin halten Experten es für denkbar, dass sich die Deutschen an Preise jenseits der zwei Euro gewöhnen müssen.

    „Für den dramatischen Anstieg der Benzinpreise ist insbesondere der hohe Rohölpreis verantwortlich“, sagt ADAC-Sprecherin Katrin van Randenborgh. „Wie sich dieser Treiber in den kommenden Monaten entwickelt, ist nur schwer vorherzusagen“, betont sie.

    Experten sind unsicher, ob Preise sinken oder weiter steigen

    Auch andere Fachleute wie die DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert betonen, dass es unsicher sei, ob die Preise sich wie in der Vergangenheit erholen. „Ob die Preise kurzfristig wieder sinken oder sie in den kommenden Monaten weiter steigen, wissen wir nicht“, betont die Expertin. „Hier spielen viele Sonderfaktoren hinein, wir haben nicht nur eine deutlich steigende Nachfrage nach der teilweisen Überwindung der Corona-Krise, sondern auch Spekulationseffekte und einen überhitzten Rohstoffmarkt.“ Auch die weitere weltweite Entwicklung der Pandemie sei ein Unsicherheitsfaktor.

    Einer der gegenwärtigen Preistreiber an den Zapfsäulen ist die zum Jahreswechsel eingeführte CO2-Abgabe. „Der CO2-Preis macht aktuell durchschnittlich sieben Cent pro Liter aus, im Jahre 2025 werden es durchschnittlich 16 Cent sein“, sagt die ADAC-Sprecherin. Beim Diesel schlägt der Preis für den Kohlendioxidausstoß pro Tonne sogar mit acht Cent pro Liter zu Buche. In den kommenden beiden Jahren soll es Preisaufschläge von eineinhalb Cent pro Liter Sprit geben, wenn es nach den Beschlüssen der bisherigen Bundesregierung geht. In der neuen Ampel-Koalition könnte es noch teurer werden.

    Grüne haben weitere Erhöhungen im Programm

    Die Grünen hatten in ihrem Wahlprogramm gefordert, den jetzigen CO2-Preis von 25 Euro schon 2023 auf 60 Euro pro Tonne anzuheben. Das wären ab übernächstem Jahr über zehn Cent mehr pro Liter Sprit im Vergleich zu den heutigen Preisen und eine erhebliche Belastung vor allem für Menschen, die mit dem Auto zur Arbeit pendeln müssen.

    „Der seit Monaten steigende Spritpreis, der beim Diesel inzwischen das bisherige Allzeithoch aus dem Jahr 2012 übertroffen hat, führt dazu, dass insbesondere Menschen, die lange Arbeitswege mit dem Auto zurücklegen müssen, bereits an ihre Belastungsgrenze kommen“, warnt ADAC-Sprecherin van Randenborgh. „Wir appellieren angesichts der aktuellen Entwicklung an die zukünftige Bundesregierung, Gedankenspiele über einen noch schnelleren Anstieg des CO2-Preises zu unterlassen.“

    Steuerzahlerbund Erhöhung der Pendlerpauschale auf 40 Cent

    Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, fordert SPD, Grüne und FDP auf, die Pendlerpauschale auf 40 Cent ab dem ersten Kilometer anzuheben. „Die Preise an der Zapfsäule sind stark gestiegen und belasten die Verbraucher, die Politik muss jetzt handeln, um die Bürger zu entlasten“, sagt Holznagel. „Eine schnell wirkende Entlastung kann die Anhebung der Pendlerpauschale auf 40 Cent ab dem ersten Kilometer bringen“, fordert er. "Dieser Schritt ist überfällig, da die Pendlerpauschale seit Jahren nicht genügend an die gestiegenen Preise angepasst wurde“, betonte er. „Das ist nur fair, weil staatliche Abgaben den überwiegenden Teil des Preises von Benzin ausmachen.“

    Auch die Gewerkschaften fordern eine Entlastung der Arbeitnehmer angesichts der steigenden Spritkosten: „Angesichts galoppierender Preise für Rohstoffe und steigender Transformationskosten muss die neue Bundesregierung schnell handeln“, sagt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. „Die zukünftigen Belastungen dürfen nicht einseitig bei den Beschäftigten abgeladen werden“, warnt er. „Energie und Mobilität müssen für alle bezahlbar bleiben.“

    DGB und Linke wollen neues Modell statt Pendlerpauschale

    Der DGB spreche sich dabei für ein neues Modell anstelle der Pendlerpauschale aus. „Ein einheitliches, einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld für alle Verkehrsmittel anstelle der Pendlerpauschale würde Berufspendler entlasten“, betont Körzell. „Außerdem fordert der DGB eine Klimaprämie, mit der die Pro-Kopf-Erstattung der steigenden Preise durch den nationalen Emissionshandel möglich wird“, fügt er hinzu. „Wir werden die nächste Regierung daran messen, ob sie den notwendigen Wandel beherzt angeht und vor allem gerecht gestaltet.“

    Die Linke wirft den Ampel-Parteien Ratlosigkeit angesichts der wachsenden Kosten-Belastungen der Bevölkerung vor. „Es ist ein Armutszeugnis, dass SPD, Grüne und FDP keine einzige Maßnahme gegen explodierende Energiepreise in ihrem Sondierungspapier vorgesehen haben“, sagt Parteivorstandsmitglied Lorenz Gösta Beutin. „Die kommende Bundesregierung muss die Pendlerpauschale durch ein Einkommen unabhängiges Mobilitätsgeld ersetzen“, forderte der Linken-Politiker. Die Pendlerpauschale bringe für Beschäftigte mit niedrigem Einkommen nur eine geringe oder keine Entlastung. „Der CO2-Preis ist nicht nur unwirksam, er verstärkt die soziale Spaltung“, kritisierte das Linken-Vorstandsmitglied.

    DIW-Expertin Kemfert fordert Pro-Kopf-Prämie als gerechte Lösung

    Auch DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert spricht sich für einkommensunabhängige Entlastungen aus. „Am geeignetsten wäre es, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung mit einer Pro-Kopf-Prämie an die Bürgerinnen und Bürger zurückzuerstatten“, sagte Kemfert der unserer Redaktion. „Davon profitieren vor allem auch Bevölkerungsgruppen mit niedrigerem Einkommen, während eine höhere Pendlerpauschale vor allem höheren Einkommen nutzt.“

    Claudia Kemfert ist Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Buchautorin.
    Claudia Kemfert ist Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Buchautorin. Foto: Oliver Betke

    Eigentlich sollte die Bevölkerung bei der Anhebung der CO2-Preise im Gegenzug durch eine höhere Pendlerpauschale und niedrigere Strompreise entlastet werden. Mit den Einnahmen aus der CO2-Abgabe wird die EEG-Umlage, die ein Fünftel des Verbraucher-Strompreises ausmacht, fast halbiert. Doch der Entlastungseffekt verpufft durch anderweitige Erhöhungen vieler Stromversorger. Die Pendlerpauschale wurde zwar erstmals seit 17 Jahren erhöht, allerdings erst ab dem zwanzigsten Kilometer.

    Darunter können Arbeitnehmer wie bisher nur 30 Cent für jeden vollen Kilometer der Entfernung zur Arbeitsstätte absetzen, darüber jeden weiteren Kilometer seit diesem Jahr mit 35 Cent. Damit können zum Beispiel Pendler mit 35 Kilometern Fahrstrecke etwa 160 Euro zusätzliche Werbungskosten angeben oder eine ähnlich hohe sogenannte Mobilitätsprämie beim Finanzamt beantragen. Unter dem Strich dürfte die aber nicht einmal die Hälfte des Anstiegs der Spritpreise in diesem Jahr kompensieren.

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