Irgendwann konnte Gerhard Steber, 62, einfach nicht mehr nur zuschauen. „In Sonntagsreden führt in der Politik derzeit jeder das Wort Klimaschutz im Mund, unter der Woche werden aber in der Energiewende die Bremsen angezogen“, kritisiert der Gründer des Photovoltaik-Unternehmens „Ökohaus“ in Eppishausen im Unterallgäu.
Er schrieb Ministerpräsident Markus Söder (CSU) direkt an, zusammen seinen Kollegen vom Solarverband Bayern. In ihrem Brandbrief warnen die Unternehmer, die sich regelmäßig austauschen, vor einer neuen Krise für die Elektro- und Solar-Betriebe: „Es ist zu befürchten, dass es spätestens Mitte des Jahres wieder zu einem massiven Einbruch kommen wird.“
Der Grund für den Unmut: Bald könnte der Deckel von 52-Gigawatt erreicht sein, der für den Photovoltaik-Ausbau in Deutschland gilt. Ab diesem Zeitpunkt gibt es keine Vergütung nach dem Erneuerbaren–Energien-Gesetz (EEG) mehr.
Photovotaik: Warum sich Anlagen mit Solarmodule lohnen
Das Unternehmen Ökohaus aus Eppishausen baut für Kunden Photovoltaik-Anlagen – auf Einfamilienhausdächern, aber auch für größere Firmen auf deren Hallen oder als Freiflächenanlagen. Blaue Solarmodule schmücken auch die Dächer auf dem Firmengelände von Ökohaus selbst, bis zu vier Firmen-Elektroautos hängen an den Steckdosen.
Über Arbeitsmangel kann Ökohaus derzeit nicht klagen: „Wir haben rund 30 Mitarbeiter und würden gerne fünf Leute mehr beschäftigen“, berichtet Steber. „Der Arbeitsmarkt im Unterallgäu ist aber leer gefegt.“ Der 62-Jährige hat als Seniorchef die Firmenleitung seinem Sohn Felix Steber übertragen. Pro Jahr führt Ökohaus dutzende Projekte aus und ist gut ausgelastet. Doch dafür müssen die Rahmenbedingungen passen. Doch Steber befürchtet, dass die Situation schnell kippen könnte, wenn der Ausbau an den Solar-Deckel stößt.
Denn Privatleute und kleine Betriebe kaufen heute in erster Linie Photovotaik-Anlagen, um den Strom selbst zu nutzen, sagt Steber. Angesichts stark gesunkener Preise für Solarmodule lasse sich Sonnenstrom mit kleinen Anlagen heute für zehn bis zwölf Cent pro Kilowattstunde herstellen. Kauft man Strom vom Energieversorger, kostet dieser dagegen rund 30 Cent, sodass Privatleute und kleine Unternehmer sparen können.
Sonnenstrom: Welche Probleme es bei der Refinanzierung gibt
Das Problem: „Privatleute können rund 30 Prozent des Stroms einer Photovoltaik-Anlage selbst nutzen“, sagt Steber. Mittags gibt es oft mehr Strom, als im Haushalt gebraucht wird. Die restlichen 70 Prozent speist man deshalb ins Stromnetz ein. „Hier ist man auf die EEG-Vergütung von aktuell unter zehn Cent pro Kilowattstunde bei Kleinanlagen angewiesen, um die Photovoltaik-Anlage refinanzieren zu können“, sagt der Unternehmer.
Fällt die EEG-Vergütung weg, rechnet sich die Investitionen schwerer. „Viele Privatleute und kleine und mittlere Unternehmen werden dann höchstwahrscheinlich von einer neuen Photovoltaik-Anlage Abstand nehmen oder nur kleine Anlagen bauen“, warnt er – mit fatalen Folgen für die Betriebe.
Dabei ist für Steber die Photovoltaik heute die günstigste Form, Elektrizität zu erzeugen. „Neue Freiflächen-Anlagen liefern Strom bereits für 4,5 Cent pro Kilowattstunde“, sagt er. „Neue Gas- oder Kohlekraftwerke kommen nicht unter sechs bis sieben Cent.“ Deutschland brauche die Elektrizität, wenn es die Klimaziele erreichen wolle und bald auch E-Autos und Heizungen mit grünem Strom laufen sollen. „Ich frage mich, wie Bayern die Energiewende stemmen will? Die Atomkraftwerke gehen vom Netz, Windkraft will man nicht, Biogas und Wasserkraft sind fast ausgereizt – es bleibt für Bayern nur die Photovoltaik.“ Stebers Forderung ist deshalb klar: „Der Solar-Deckel muss weg.“ Entschieden wird über das Thema im Bund.
Photovotaik: Warum der Solar-Deckel ein altes Relikt ist
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) steht dabei durchaus aus Seiten der schwäbischen Solarunternehmer: „Der 52-GW-Deckel ist ein Relikt aus alten Förderzeiten“, sagte er im November. „Heute ist er ohne Nutzen und gefährdet den weiteren Ausbau der Solarenergie.“
Das Potenzial der Photovoltaik unterstreichen auch Daten der Lechwerke: Im Jahr 2019 erzeugten die im LEW-Netz angeschlossenen Anlagen rund 1,7 Milliarden Kilowattstunden Strom. „Das entspricht dem jährlichen Strombedarf von knapp 690.000 Haushalten“, teilt das Energieunternehmen mit. „Rechnerisch decken die Photovoltaik-Anlagen also den Strombedarf von 75 Prozent der privaten Haushalte der Region.“
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