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Pandemie: Brauereien und Corona: Die Durststrecke geht zu Ende

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Brauereien und Corona: Die Durststrecke geht zu Ende

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    Fassbier ist für viele Brauereien derzeit ein Problem, weil es bei geschlossener Gastronomie und ohne Volksfeste kaum verkauft werden kann.
    Fassbier ist für viele Brauereien derzeit ein Problem, weil es bei geschlossener Gastronomie und ohne Volksfeste kaum verkauft werden kann. Foto: Armin Weigel, dpa

    Der Sommer kommt, der Inzidenzwert sinkt. Vielerorts darf die Gastronomie öffnen, freilich unter Einhaltung aller Infektionsschutzmaßnahmen. Eine Mass und Brotzeit im Biergarten sind vielerorts wieder möglich. Was eigentlich eine gute Nachricht sein sollte, sorgt bei Sebastian Priller-Riegele jedoch auch für Kopfzerbrechen. Er sitzt in der Geschäftsführung der Augsburger Brauerei Riegele. Und wie für viele seiner Branche liegen noch weitere ungewisse Wochen vor ihm.

    Denn: Die Hauptabnehmer der Brauereien, die Gastronomen und der Getränkegroßhandel, müssen aktuell viele Unwägbarkeiten meistern. „Über allem schwebt das Damoklesschwert der Inzidenzen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele. Die Öffnungsschritte hängen von einem stabilen Rückgang der Corona-Neuinfektionen ab; die Fallzahlen könnten sich aber wieder ändern. Auch das Wetter, sagt Eichele, sei für die Außengastronomie besonders wichtig – und die Aussichten für Pfingsten seien nicht die Besten. Andere Gastronomen könnten mangels Außenbereich noch gar nicht öffnen. Vor diesem Hintergrund kaufen viele Kunden nur sehr behutsam und vorsichtig Fassbier bei Brauereien ein.

    Chef der Riegele-Brauerei: „Für uns ist die Lage aktuell wahnsinnig schwierig“

    „Für uns ist die Lage aktuell wahnsinnig schwierig“, sagt Priller-Riegele. Denn bis ein Sud Bier gegoren ist und abgefüllt werden kann, dauert es je nach Sorte vier bis sechs Wochen. So stand die Brauerei vor der Entscheidung: entweder brauen und das Risiko in Kauf nehmen, auf dem Bier sitzen zu bleiben – oder warten und womöglich Aufträge verlieren. Die Geschäftsführung entschied letztlich, die Mitarbeiter der Produktion   aus der Kurzarbeit zurückzuholen. Priller-Riegele sagt: „Wir produzieren jetzt in der Hoffnung, dass es wieder losgeht. Wir wollen den Gastronomen ein zuverlässiger Partner sein.“

    Sebastian Priller macht sich Sorgen um die Zukunft der Brauerei Riegele. Das Unternehmen braucht ein Darlehen, um über die Runden zu kommen.
    Sebastian Priller macht sich Sorgen um die Zukunft der Brauerei Riegele. Das Unternehmen braucht ein Darlehen, um über die Runden zu kommen. Foto: Fridtjof Atterdal

    Doch gerade in Augsburg, wo der Inzidenzwert lange über 100 lag und die Außengastronomie nicht öffnen durfte, seien bislang nur zurückhaltend Aufträge bei der Brauerei eingegangen. Besser, sagt Priller-Riegele, sehe es beim Export ins Ausland aus. Weil Länder wie Italien, Österreich oder die Schweiz schneller lockern würden, sei dort auch die Nachfrage nach Bier bereits höher.

    Bei der Brauerei Ustersbacher blickt man gelassen in die Zukunft

    Bei der Brauerei Ustersbacher im Landkreis Augsburg blickt man hingegen gelassen in die Zukunft. Seit dem Jahr 1605 und in mittlerweile 14. Generation wird hier Bier gebraut. „Wir sind bislang gut durch die Krise gekommen“, sagt Vertriebsleiter Wolff-Ullrich Hoppert. Viele Fässer seien bereits abgefüllt und an Kunden ausgeliefert worden. „Wir sind gut aufgestellt. Viele Gastronomen haben ja signalisiert, dass sie am Wochenende aufmachen wollen.“

    Die Brauerei Ustersbach blickt gelassen in die Zukunft.
    Die Brauerei Ustersbach blickt gelassen in die Zukunft. Foto: Marcus Merk

    Auch die deutschen Großbrauereien sehen trotz des langen Stillstands keine Lieferengpässe. „Wir haben vor einigen Wochen wieder begonnen, Fassbiere abzufüllen, und sind bereit für die Wiedereröffnung der Gastronomie“, sagt ein Sprecher der Anheuser-Busch InBev Germany Holding, zu der Becks gehört. „Wir sehen derzeit noch eine verhaltene Nachfrage aufgrund der unklaren Lage, aber blicken sehr optimistisch in die Zukunft.“ Auch beim Marktführer, der Oetker-Tochter Radeberger Gruppe, läuft die Abfüllung von Fassbier wieder. Die Kapazitäten seien zunächst auf etwa die Hälfte der Volllast hochgefahren worden, um die eigenen Bestände aufzustocken und lieferfähig zu sein.

    Die Corona-Pandemie hat viel deutsche Brauereien hart getroffen

    Die Corona-Pandemie hat viele deutsche Brauereien hart getroffen. Weil das Geschäft und staatliche Hilfen lange ausblieben, kämpfen einige Betriebe um ihre Existenz. Im Januar waren nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes nur noch gut 4,7 Millionen Hektoliter Bier abgesetzt worden. Das entspricht einem Rückgang zum Vorjahresmonat um 27 Prozent. „Wir sind weit entfernt von einem planbaren verlässlichen Rückweg zur Normalität. Wir sind nach wie vor in einer Zeit voller Ungewissheit“, sagt Eichele. Der Fassbier-Markt sei vollkommen zum Erliegen gekommen mit dem Beginn des zweiten Lockdowns im Herbst. Die Anlagen seien dann praktisch über mehr als sechs Monate nicht gelaufen. Es habe nur vereinzelt Abfüllungen in „homöopathischen Mengen“ gegeben.

    In Corona-Zeiten ein seltener Anblick: ein frischgezapftes Bier.
    In Corona-Zeiten ein seltener Anblick: ein frischgezapftes Bier. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Auch bei der Brauerei Zötlerin Rettenberg (Landkreis Oberallgäu) musste man in der Krise schmerzliche Erfahrungen machen. „Wir mussten viel Bier vernichten, weil es abgelaufen ist“, sagt Geschäftsführer Niklas Zötler. Dass das in den kommenden Monaten noch einmal passieren könnte, davon geht er nicht aus. Im Gegenteil: „Wir haben die Produktion massiv hochgefahren, die Lagertanks sind voll.“ Denn auch im Oberallgäu soll die Biergartensaison am Wochenende starten.

    Dass die Gastronomen nach Öffnung ihrer Lokale mit vielen Gästen rechnen können, hat eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Dimap im Auftrag von Veltins ergeben. Danach wollen 36 Prozent der Befragten gleich in der ersten Woche nach Wiedereröffnung Biergärten und Lokale besuchen, weitere 39 Prozent hätten das innerhalb der ersten Monats vor. (mit dpa)

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