Wenn niemand den Vorsitz in einem Verein übernehmen will, ist das ein sicheres Zeichen für eine Krise – ob es um einen kleinen Sportklub geht oder um eines der mächtigsten Gremien der globalen Ölindustrie. Der saudische Ölminister Prinz Abdulaziz bin Salman sagte laut Medienberichten jetzt bei einem virtuellen Treffen mit Kollegen des Ölkartells Opec, er wolle den Co-Vorsitz im gemeinsamen Lenkungsausschuss von Opec und den Opec-Partnerstaaten aufgeben. Die Ankündigung war ein Ausdruck von Frust über die Uneinigkeit unter den Ölproduzenten.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) lehnten das Angebot ab, den Chefsessel von den Saudis zu übernehmen. Grund für die Spannungen ist die coronabedingte Flaute in der weltweiten Nachfrage nach Öl. Die zerstrittenen Ölproduzenten konnten sich nicht einigen, wie sie im neuen Jahr mit den Folgen der Pandemie umgehen wollen.
Reduzierung der Öl-Fördermengen um fast zehn Millionen Barrel
Nach einem desaströsen Preiskrieg zwischen Saudi-Arabien und Russland und dem Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr hatten sich die 13 Opec-Länder sowie Russland und neun andere Partnerstaaten – genannt Opec Plus – auf eine Reduzierung der Fördermengen um fast zehn Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag geeinigt – etwa zehn Prozent der weltweiten Produktion. Damit wurde der Verfall der Ölpreise aufgehalten. Inzwischen fördern die Länder wieder etwas mehr Öl, doch die Produktion liegt immer noch unterhalb der normalen Menge. Bei einem Online-Treffen, das am Montag begann, sollte nun entschieden werden, wie es nach Neujahr weitergehen soll.
Das gestaltet sich jedoch schwierig, weshalb der für Dienstag anvisierte Beschluss auf Donnerstag vertagt werden musste. Die Ankündigung des saudischen Ölministers zeigt, dass die Nerven blank liegen. Krach gibt es, weil einige Länder ab dem neuen Jahr wieder mehr Öl fördern wollen, um mehr Geld zu verdienen. Andere sind dagegen. Saudi-Arabien, das in der Opec den Ton angibt, will vorerst bei den reduzierten Quoten bleiben.
Opec-Plus-Mitglieder halten sich an die versprochene Senkung
Schon jetzt halten sich nicht alle Opec-Plus-Mitglieder an die versprochene Senkung der Förderung. Grund: Mit dem derzeitigen Preisniveau von etwa 48 Dollar pro Barrel können viele Länder ihre Staatshaushalte nicht finanzieren. Die Versuchung, mehr Öl zu verkaufen als erlaubt, ist deshalb groß. Streit brach sogar zwischen Saudi-Arabien und den VAE aus, einem der wichtigsten Partner der Saudis. Die VAE hatten mehr Öl gefördert als von Opec Plus erlaubt und sich damit einen Rüffel aus Riad eingefangen. Die VAE drohten sogar mit einem Austritt aus Opec Plus.
Vor dem Treffen zogen die Ölpreise an, weil die Aussicht auf baldige Massenimpfungen die Hoffnung auf ein Ende der Pandemie und einen Wirtschaftsaufschwung stärkte. Doch selbst rasche Impfungen werden den Ölproduzenten erst einmal nichts nützen: Die Wirtschaft in Europa wird sich 2021 nicht sofort wieder erholen. Viele Angestellte bleiben im Homeoffice und brauchen kein Benzin für die Fahrt zur Arbeit, viele Flugzeuge bleiben am Boden.
Richtige Fördermenge für 2021 festzulegen, ist für die Ölnationen wichtig
Die richtige Fördermenge für 2021 festzulegen, ist für die Ölnationen wichtig: Wenn sich die Weltwirtschaft schneller erholt als vorhergesehen und mehr Öl nachgefragt wird, könnte die US-amerikanische Ölwirtschaft profitieren, die nicht zu Opec Plus gehört. Die Amerikaner haben bereits mit einer Ausweitung ihrer Produktion begonnen.
Zusätzlich kompliziert wird die Lage dadurch, dass Russland, das mehr als zwölf Prozent des weltweiten Öls fördert, in die Entscheidung eingebunden werden soll. Doch der Kreml hält sich zurück: Präsident Wladimir Putin werde vor Donnerstag nicht mit der Führung Saudi-Arabiens sprechen. Bei anderen Gelegenheiten hatte Putin solche Gespräche genutzt, um Kompromisse mit der Opec vorzubereiten.
Wegen der Probleme und Spannungen leidet die Glaubwürdigkeit von Opec Plus. Eine Übergangslösung ist zwar zu erwarten; am wahrscheinlichsten ist es, dass es erst einmal bei der reduzierten Fördermenge bleibt. Doch manche Länder zeigen Anzeichen von „Lockdown-Müdigkeit“ und wehren sich in der Hoffnung auf ein baldiges Ende der Pandemie gegen Einschränkungen, wie die Investmentbank RBC Capital Markets kommentierte: Für 2021 sei das kein gutes Zeichen.
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